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Mit viel Historie, eigenen Erfahrungen, Lebensklugheit und plastischen Beispielen von heute zeigt Sybil Gräfin Schönfeldt, warum Anstand uns dabei hilft, den Alltag zu bewältigen und uns in einer unübersichtlichen Welt zurechtzufinden.
»Wir müssen unbedingt mal über Anstand reden!« Dieses Bedürfnis haben immer mehr Menschen, und es geht dabei nicht nurum Kleidung oder Tischsitten. Viele sind betroffen von gedankenlosen Kränkungen, von Takt- und Rücksichtslosigkeiten, von Mobbing, von schlechtem Benehmen unserer Zeitgenossen auf Straße und Schiene, in Läden, Behörden und Restaurants. Wer…mehr

Produktbeschreibung
Mit viel Historie, eigenen Erfahrungen, Lebensklugheit und plastischen Beispielen von heute zeigt Sybil Gräfin Schönfeldt, warum Anstand uns dabei hilft, den Alltag zu bewältigen und uns in einer unübersichtlichen Welt zurechtzufinden.
»Wir müssen unbedingt mal über Anstand reden!« Dieses Bedürfnis haben immer mehr Menschen, und es geht dabei nicht nurum Kleidung oder Tischsitten. Viele sind betroffen von gedankenlosen Kränkungen, von Takt- und Rücksichtslosigkeiten, von Mobbing, von schlechtem Benehmen unserer Zeitgenossen auf Straße und Schiene, in Läden, Behörden und Restaurants. Wer könnnte da besser helfen als Gräfin Schönfeldt? Ob als junge Leserbriefredakteurin, als Kolumnistin für »Die Zeit« oder als Buchautorin seit Beginn ihrer publizistischen Arbeit sind Benehmen und Anstand ihr zentrales Thema. Mit historischen und aktuellen Beispielen sagt die Grande Dame der Etikette, was zu tun ist, und spricht dabei ganz vielen Menschen aus der Seele.
Autorenporträt
Sybil Gräfin Schönfeldt erlebte den Krieg als Heranwachsende und die Nachkriegszeit als Studentin der Germanistik und Kunstgeschichte, 1951 Promotion. Sie heiratete 1957 und bekam zwei Söhne. Heute lebt sie als freie Journalistin für Zeitungen, Zeitschriften, Funk und Fernsehen in Hamburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.04.2008

Schrecklich, überall diese Mädchen in Miniröcken!
Sybil Gräfin Schönfeldt lehrt uns Manieren

Der Begriff "Anstand" wird derzeit gerne und oft bemüht und im Zusammenhang mit Politik sowie Wirtschaft ziemlich weit gedehnt. Die Rücksichtslosigkeit und der Verfall der Moral sind Themen, die die Autorin Sybil Gräfin Schönfeldt indes schon lange beschäftigen. Sie hat sich mit Titeln wie "Knigge für die nächste Generation", "Von Menschen und Manieren" oder "Gutes Benehmen gefragt" sowie ihren journalistischen Arbeiten einen Namen als Expertin für Stil und Etikette gemacht. Auf dem publizistischen Feld des richtigen Handelns und der guten Lebensart streitet die inzwischen Einundachtzigjährige allerdings nicht alleine. Der Buchmarkt wird überschwemmt von Ratgebern für Internet, Büro und Alltag. Von ihnen erhofft man sich, dass sie die Benimmlücken schließen, die überall aufklaffen. Dazu bedarf es allerdings weit mehr als krude Regeln zum Auswendiglernen. Sie können soziale und kulturelle Kompetenz natürlich nicht ersetzen.

Handys, die selbst auf Beerdigungen klingeln, Ellenbogen auf dem Tisch oder rüpelhaftes Verhalten in der S-Bahn. Es scheint, als hätten wir Deutschen die Knigge-Kur sehr nötig. Tatsächlich sucht kein Volk so häufig den Rat in den Benimmfibeln wie die schon bei Luther kräftig rülpsenden Teutonen. Nach einer Umfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach zählen für 87 Prozent der Deutschen Höflichkeit und gutes Benehmen wieder zu den wichtigsten Erziehungszielen. Die sogenannten soft skills sind entscheidende Faktoren im Bewerbungsgespräch und Schlüssel zum gesellschaftlichen Erfolg. Gleichzeitig genießen geschliffene Manieren in Deutschland einen zweifelhaften Ruf, gelten vielfach als Form ohne Inhalt.

In ihrem Buch "Anstand" versucht Gräfin Schönfeldt darum, Höflichkeitskonventionen auf ihren Ursprung zurückzuführen. Sie liefert eine Kulturgeschichte der Werte, in die sie sowohl ihre eigenen Erinnerungen einwebt als auch historische Ereignisse. In geistreichem Plauderton spannt sie den Bogen vom Barock als Geburtsstunde der definitiven Form bis heute. Sie verweist auf historisch gewachsene kulturelle Unterschiede wie den zwischen der französischen "contenance" als einer stark verinnerlichten Haltung und der britischen "politeness", dem Wortsinn gemäß ein eher oberflächlicher Schliff.

Dabei zieht es die Autorin immer wieder in die Alltagskultur vergangener Zeiten, in denen Anstand und Würde noch etwas galten. Gräfin Schönfeldt wuchs nach dem Tod ihrer Mutter bei den Großeltern auf, deren traditionelle Werte sie prägten. Nostalgisch blickt sie auf die stark normierten Umgangsformen dieser Zeit zurück. Durch Kriegswirren und die Vertreibung aus den angestammten Vaterhäusern hätten sie ihre Gültigkeit verloren. Einzug hielt dafür der rauhe Ton der Kriegsjahre. Schönfeldt schildert dies anhand ihrer Erlebnisse im Reichsarbeitsdienst, zu dem sie mit siebzehn Jahren eingezogen wurde. Sie macht keinen Hehl daraus, dass auch ihre eigenen moralischen Maßstäbe einer schleichenden Veränderung unterlagen und sie sich dessen erst später bewusst wurde. Dann nämlich, als sie in den Nachkriegsjahren eine Vorlesung von Nicolai Hartmann über Ethik besucht. "Ich begriff, welche Barbaren wir geworden, welche fragwürdigen, deformierten Werte uns als Normalgut empfohlen worden waren", schreibt sie.

Statt allerdings um ein neues Wertesystem zu ringen, habe man in Deutschland den Vorkriegsnormen wieder Gültigkeit verliehen - die dann in spießige Förmlichkeit abdrifteten. Das Unbehagen an jener unaufrichtigen Regeltreue, das sich später im antiautoritären Protest niederschlug, klingt auch bei Gräfin Schönfeldt durch. Sie kommt allerdings zu einem ganz anderen Schluss als die Werterevolutionäre der sechziger Jahre, die ihrer Ansicht nach den Grundstein für den moralischen Verfall der Gesellschaft legten. Schönfeldt übt scharfe Kritik an den unmanierlichen Kommunarden. Über die Vorkriegszeit schreibt sie hingegen immer mit einer gewissen Sehnsucht.

Ihr Ideal von äußerer Form, gepaart mit innerer Haltung, wirkt gelegentlich antiquiert. Auch in ihrem Bedauern, dass ganz Deutschland auf das Jeansniveau verkommen sei, oder in ihrer klaren Unterscheidung zwischen dem angemessenen Verhalten von Mann und Frau ist sie nicht immer zeitgemäß. Befremdlich emotional fällt ihr Plädoyer gegen knappe Frauenkleidung und krawattenfreie Männerhälse aus. Ein falsch überliefertes Zitat aus der Antike bringt die Haltung der Gräfin auf den Punkt: "Über Geschmack lässt sich nicht streiten."

Schönfeldts Anstandsbegriff hat zwar auch zu tun mit Moral und innerer Haltung, doch manifestiert er sich oft im Förmlichen. Vor allem für die alten Tischsitten hat Schönfeldt große Sympathie. In der Tischkultur, so zeigen ihre historischen Exkurse, spiegelt sich der Zustand der Gesellschaft.

Anekdotenreiche Kapitel wie jenes über Tischkultur, in denen Gräfin Schönfeldt weit ausholt und große Recherchearbeit leistet, sind die Stärke des Buches. Widmet sich Schönfeldt hingegen dem Gegenwärtigen, schreibt sie oft an der Realität vorbei. Leicht angestaubt spukt das klassische Höflichkeits-Repertoire mit Knicks und Handkuss durch die Kapitel. Sie überschätzt die heutige Bedeutung der Form und lässt zudem oft die Trennlinie verschwimmen zwischen der Anstandslosigkeit derjenigen, die anderen mutwillig schaden, und jener, die Weingläser falsch anfassen oder beim Essen rauchen.

Auch malt Schönfeldt ein wenig differenziertes Bild der Jugend. Sie sieht sie als passive Opfer der Werbung, die sich über Piercings und Tätowierungen definieren und sich nur in Vulgaritäten äußern können. Dabei hält Schönfeldt schon "Pommes" als Abkürzung von "Pommes de terre frites" für Schrumpfsprache und stellt "Hallo"-Gesellschaften ein schlechtes Zeugnis aus. Ihre Argumentation, dass man sich einerseits nicht über Kinderschänder und Kinderprostitution erregen dürfe, wenn man gleichzeitig Dreizehnjährigen gestatte, sich wie Popstars oder Schauspielerinnen zu kleiden, geht an der Sache vorbei.

Schönfeldts Pochen auf die "Etiquette" ist zwar gut begründet und im Einzelfall sehr gut nachvollziehbar. Auch lässt sie es an Kritik am eigenen Gegenstand nicht fehlen. Doch die eigentliche Kompetenz, die es zu vermitteln gilt, liegt nicht in der Beherrschung von Regeln, sondern in der Fähigkeit zur situationsabhängigen Reaktion - was übrigens auch schon Freiherr von Knigge erkannte.

ANNIKA MÜLLER

Sybil Gräfin Schönfeldt: "Anstand". Piper Verlag, München 2008. 224 S., geb., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als Knigge für zeitgemäßes, "situationsabhängiges" Verhalten möchte Annika Müller das Buch Sybil Gräfin Schönfeldts lieber nicht empfehlen. Schönfeldts Eintreten für Stil und Etikette erscheint ihr "im Einzelfall" zwar gut nachvollziehbar. Die Anekdotenseligkeit, die Rechercheleistung der Autorin und der Versuch, Höflichkeitskonventionen historisch zu fassen und "auf ihren Ursprung zurückzuführen", findet sie durchaus lobenswert. Im Ganzen jedoch kommt ihr das hier zelebrierte "Ideal von äußerer Form" etwas verstaubt vor. Wenn Schönfeldt über geschlechterspezifisches Verhalten oder die Jugend von heute berichtet, fühlt sich Müller sogar in die Vorkriegszeit zurückgebeamt.

© Perlentaucher Medien GmbH