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In Zeiten heftiger Diskussionen um Wissenschaft versus Religion bringt der renommierte Physiker Frank J. Tipler seine wissenschaftliche Disziplin und seinen persönlichen Glauben in einer aufregenden Versuchsanordnung zusammen. Er erklärt die kosmologische Singularität, also den Ursprung von allem außerhalb von Raum und Zeit, zum jüdisch-christlichen Gott. Und er will zeigen, dass die »Wunder« des Neuen Testaments, darunter die jungfräuliche Geburt, die Auferstehung und die Fleischwerdung, den physikalischen Gesetzmäßigkeiten nicht widersprechen. »Wir haben die Implikationen physikalischer…mehr

Produktbeschreibung
In Zeiten heftiger Diskussionen um Wissenschaft versus Religion bringt der renommierte Physiker Frank J. Tipler seine wissenschaftliche Disziplin und seinen persönlichen Glauben in einer aufregenden Versuchsanordnung zusammen. Er erklärt die kosmologische Singularität, also den Ursprung von allem außerhalb von Raum und Zeit, zum jüdisch-christlichen Gott. Und er will zeigen, dass die »Wunder« des Neuen Testaments, darunter die jungfräuliche Geburt, die Auferstehung und die Fleischwerdung, den physikalischen Gesetzmäßigkeiten nicht widersprechen. »Wir haben die Implikationen physikalischer Gesetzmäßigkeit zu akzeptieren. Wenn sie die Existenz Gottes implizieren, nun, dann gibt es Gott auch«, sagt Tipler, während manche seiner Kollegen das »Unsinn« finden und meinen, er habe »den Bogen überspannt« (Lawrence Krauss, New Scientist).
Autorenporträt
Helmut Reuter, geboren in Pappenheim, studierte Politikwissenschaft und Philosophie. Er wohnt in der Nähe von München. Neben Kurzgeschichten und Essays schreibt er auch Kriminalromane, in denen sich gesellschaftliche Abgründe auftun - ohne Verzerrung oder einseitige Parteinahme - mit Tiefgang und Witz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.03.2008

Das Christentum als Zweig der Physik
Frank Tipler führt ein Lehrstück verfehlter Interdisziplinarität auf

Die gute Nachricht zuerst: Wir werden alle auferstehen, das menschliche Leben wird nach dem "anthropischen Prinzip" überall sein, und das, was folgt, wird uns wie eine Ewigkeit vorkommen, auch wenn es nur den Bruchteil einer Sekunde dauern wird. Denn unsere fernen Nachkommen werden das Elterngebot kennen und achten und uns in Form von Computerprogrammen emulieren.

Was vorausgeht, klingt dagegen weniger erfreulich: Vernichtung der Biosphäre durch eine neue Generation von Waffen noch in diesem Jahrhundert, Notwendigkeit zur Auswanderung, beschleunigte Ausdehnung des Universums und in ferner Zukunft der endgültige Kollaps desselben. Ach, noch etwas: In ein paar Jahrzehnten wird das Christentum die universale Weltreligion sein. Wartet nur, bis die chinesischen Missionare ausgeschwärmt sind! Das finden wir natürlich gut, oder?

Solche Aussichten sind es, die uns Frank J. Tipler, Professor für Physik in New Orleans, in Erinnerung ruft. Schon in seiner "Physik der Unsterblichkeit" (1994, im selben Jahr auf Deutsch erschienen) hatte der Autor versucht, seine Einsichten in die moderne Physik zu einem zusammenhängenden Bild der Kosmologie zu verbinden, und zwar so, dass darin zentrale Aussagen des christlichen Glaubens zumal zur Existenz Gottes und zur Eschatologie irgendwie ihren Platz finden können.

Reformkatholiken, aufgepasst!

Auf dieser Basis baut Tipler nun munter und unerschrocken weiter, auch wenn sein "Gehalt an der Tulane University um etwa 40 Prozent niedriger als das Durchschnittsgehalt eines ordentlichen Professors" liegt: Was muss, das muss.

Gott ist die kosmologische Singularität, die sich in dreifacher Weise entfaltet: als "Singularität der Vollendeten Zukunft" oder "Omegapunkt", als "Singularität aller Gegenwarten" und als "Singularität der Vollendeten Vergangenheit" - anders ausgedrückt, als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Der Sündenfall ist genetisch formulierbar; "das für die Tendenz zum Bösen wesentliche Gen" liegt auf dem X-Chromosom des Menschen. Datum ungefähr: "Kambrische Explosion", "vor einer halben Milliarde Jahren". Der Stern von Bethlehem ist eine Supernova im Andromeda-Nebel. Die Jungfrauengeburt ist biologisch nicht wahrscheinlich, aber möglich. Das Ergebnis, ein "XX-Mann", hat wahrscheinlich sowohl auf dem (echten!) Turiner Grabtuch - es ist irgendwie auch der Heilige Gral - wie auf dem Schweißtuch von Oviedo seine Spuren hinterlassen. Bei der Gelegenheit: Mütter und Töchter sollten sich einmal auf Jungfrauengeburt, Parthogenese, untersuchen lassen.

Die Auferstehung Jesu ist physikalisch so gut beschreibbar wie seine Realpräsenz in der Eucharistie. Reformkatholiken, aufgepasst: Marias leibliche Aufnahme in den Himmel ist auch kein Problem. Das Kommen des Gottessohnes und seine Auferstehung lehren uns, was wir alle eines Tages dank Baryonenvernichtung können werden, nämlich auferstehen und ewig leben. Mit ein bisschen gutem Willen jedenfalls. Was noch fehlt, sind hier und da einige experimentelle Überprüfungen: In der Causa Bethlehem müssten die Astronomen noch mal ans Werk. In puncto Auferstehung wären Gesteinsproben von den Gräbern Jesu und Marias auf Spuren einer isolierten Strahlenquelle zu untersuchen: "Es gibt kommerzielle Labore, welche die Suche nach Spuren nuklearer Teilchen ausführen."

Mit der Realpräsenz in der Hostie ist es schwieriger, doch, da ist sich der Autor sicher, ein "stark verfeinerter Test, mit dem gezeigt werden könnte, dass Brot und Wein nach der Transsubstantiation eine Kohärenz mit der Sohn-Singularität aufweisen, würde beweisen, dass Realpräsenz eine physikalische Tatsache ist". Haben wir also Geduld, unsere Emulationen werden es erleben.

Das Ergebnis all dieser wilden Aufstellungen überrascht dann kaum noch: "Ich würde das Christentum zu einem Zweig der Physik machen." Mit der Gehaltssteigerung wird es wohl wieder nichts.

Nun hat die Theologie als prima philosophia eine lange und gute Tradition. Tiplers Ansatz, das Verhältnis von Glaube und Naturwissenschaft nicht in einem Konzept zweier Wahrheiten zu bestatten - er selbst beruft sich wiederholt auf den Münchener protestantischen Theologen Wolfhart Pannenberg, von dem man in der Tat vorsichtige Zustimmung zu Tiplers früherem Buch lesen kann -, ist intellektuell durchaus vertretbar, auch wenn es, zum Beispiel bei George Lindbeck, differenziertere Beschreibungen des theologischen Denkens gibt. Der konsequente Materialismus, den Tipler vertritt, verdient auch unter Theologen Beachtung.

Jedenfalls, wie sich die Theologie im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert den Herausforderungen von Aufklärung und Historismus stellen musste und gestellt hat, so wird sie im einundzwanzigsten Jahrhundert um eine ernsthafte Diskussion mit den Naturwissenschaften nicht herumkommen, will sie denn Wissenschaft in der universitas litterarum bleiben. Sprachwissenschaft, Hermeneutik und Konstruktivismus mochten zureichen, das Dogma über sich und seine Geschichte endgültig aufzuklären; zum Verständnis von Mensch, Kosmos und Gott genügen sie künftig ebenso wenig wie fromme Traditionspflege und Profilbildung in den Konfessionen.

Und es gibt ja auch sehr ermutigende Ansätze eines Dialogs, etwa bei John Polkinghorne oder dem gerade mit dem "John Templeton Award" ausgezeichneten Michal Heller. Im Vergleich zu solchen eher tastenden Versuchen tritt das Gewaltsame und Voreilige der Interdisziplinarität Tiplers nur umso deutlicher zutage: Der Verfasser geht von einer sehr spezifischen Interpretation physikalischer Beobachtungen und mathematischer Berechnungen aus: der Mehrwelten-Interpretation der Quantenmechanik, und der Erwartung eines finalen universalen Zusammenbruchs.

Das hier ist Fundamentalismus

Damit steht er in der Fachwelt gewiss nicht alleine. Doch gibt es alternative Deutungen; und über vieles wie Quantengravität und dunkle Energie kann die Physik (noch) gar keine sicheren Aussagen treffen. Anstatt sich nun mit dieser Offenheit und Unsicherheit zu begnügen, anstatt sie auch seinen Lesern zu signalisieren, erhebt der Autor mögliche Interpretationen zu Gewissheiten. Dazu werden dann Versatzstücke biblischer Aussagen und der christlichen Glaubenstradition (besonders gerne zitiert wird das 1. Vatikanische Konzil) kombiniert, herumgeschoben und zurechtgestutzt, bis es passt.

Die Zuverlässigkeit dieser Angaben aus dem Bereich von Exegese und Theologie hängt dabei ganz davon ab, welches Stück Sekundärliteratur gerade auf dem Tisch liegt. Etwa von der religions- und traditionsgeschichtlichen Arbeit am Neuen Testament hat der Verfasser offenkundig keine Ahnung. Die Arbeit von Jahrzehnten war hier für die Katz. Um andere Aussagen, um Widersprüche in der christlichen Tradition, auch um andere Religionen schert sich Tipler gar nicht. Nichts gegen kreatives Querdenken, aber was hier vorliegt, ist theologisch bloß Pseudowissenschaft, ja, es ist Fundamentalismus.

Wenn ein Physiker und ein Theologe gemeinsam ausatmen, muss das phantastische Kartenhaus Tiplers sogleich zusammenbrechen. Insofern ist die "Physik des Christentums" ein Lehrstück in verfehlter Interdisziplinarität, völlig einseitig in der Darstellung des eigenen Faches, selektiv und ohne Kenntnis der Zusammenhänge in der anderen Disziplin.

HERMUT LÖHR

Frank J. Tipler: "Die Physik des Christentums".

Ein naturwissenschaftliches Experiment. Aus dem Amerikanischen von Helmut Reuter. Piper Verlag, München 2008. 429 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Schönes Lehrstück in "verfehlter Interdisziplinarität", meint Hermut Löhr. Wer dermaßen einseitig in der Darstellung des eigenen Fachs (Physik) verfährt und zugleich "ohne Kenntnis der Zusammenhänge" in der anderen Disziplin (Theologie) wildert, von dem ist nichts zu erwarten, so legt er nahe. Außer vielleicht Unerschrockenheit. Löhr geht für uns Frank J. Tiplers "sehr spezifischen" Auslegungen physikalischer und mathematischer Ergebnisse beim Versuch seiner Grundlegung der "Physik des Christentums" nach und bemängelt das Fehlen der gebotenen Offenheit und Unsicherheit im Umgang mit ihnen. Den von Tipler an den Tag gelegten Gewissheiten möchte Löhr lieber nicht vertrauen. Denn den daran geknüpften "Versatzstücken christlicher Glaubenstradition" merkt er das Zurechtgestutztsein an. Ebenso unangenehm fällt ihm die Ahnungslosigkeit des Autors in puncto neutestamentarische Exegese auf. Nach der Darstellung von Widersprüchen im Christentum beziehungsweise der Behandlung anderer Religionen hält Löhr vergeblich Ausschau. Tiplers "Pseudowissenschaft" grenzt für ihn an Fundamentalismus.

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