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Eigentlich hatten Therese und ihre Freundin Francoise vor, nach Paris zu gehen und dort berühmte Literaturkritikerinnen, Schauspielerinnen oder Geigerinnen zu werden. Wie ihre Freunde aus dem Cafe "Diable au corps", der blasse Daniel, der begabte, etwas arrogante Jean oder der verträumte Luc stellten sich die beiden Mädchen irgend etwas Außergewöhnliches für ihre Zukunft vor. Dann aber wird Francoise schwanger, und plötzlich müssen Entscheidungen gefällt werden, die mit einem Bohemeleben nicht zu vereinbaren sind. Dieser fragmentarisch gebliebene Roman der großen belgischen Autorin, von der…mehr

Produktbeschreibung
Eigentlich hatten Therese und ihre Freundin Francoise vor, nach Paris zu gehen und dort berühmte Literaturkritikerinnen, Schauspielerinnen oder Geigerinnen zu werden. Wie ihre Freunde aus dem Cafe "Diable au corps", der blasse Daniel, der begabte, etwas arrogante Jean oder der verträumte Luc stellten sich die beiden Mädchen irgend etwas Außergewöhnliches für ihre Zukunft vor. Dann aber wird Francoise schwanger, und plötzlich müssen Entscheidungen gefällt werden, die mit einem Bohemeleben nicht zu vereinbaren sind. Dieser fragmentarisch gebliebene Roman der großen belgischen Autorin, von der Presse einhellig alseine der wichtigsten Entdeckungen der letzten Jahre gefeiert, ergänzt ihre Werkausgabe bei Piper.
Autorenporträt
Madeleine Bourdouxhe, geb. 1906 in Lüttich, gestorben 1996 in Brüssel. Sie gehörte zum literarischen Kreis um Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.08.2002

Die Ellbogenrolle
Madeleine Bourdouxhe
schickt die Liebe in Ferien
Die meisten Liebesgeschichten lassen sich in wenigen Worten erzählen: „Françoise liebte Jean. Jean ließ sich von Françoise lieben. Raymond rauchte vor seinen Chemie-Kursen und litt oder war glücklich, je nachdem, ob Thérèse zärtlich oder kühl gewesen war. Thérèse wartete.” Madeleine Bourdouxhe war Ende zwanzig, als sie Mitte der dreißiger Jahre ihren ersten Roman über eine Gruppe junger Leute auf der Schwelle zum Erwachsensein schrieb. Das Buch blieb Fragment und wird nun in der deutschen Übersetzung zum ersten Mal veröffentlicht.
Im Mittelpunkt stehen zwei Freundinnen, die in einer französischen Provinzstadt vom richtigen Leben träumen, die die Schule gerade beendet haben, die sich in der Liebe versuchen, die einander so nah sind, wie ihnen kein Mann je kommen wird. Am Ende wartet die eine immer noch auf das neue Leben, die andere ist gefangen in einer zu früh geschlossenen Ehe. Sie wird ein Frauenleben führen, wie es in den Roman und Geschichten der belgischen Autorin immer wieder eindrucksvoll beschrieben wurde.
Klug erkennt die junge Ehefrau die Gesetze, die zwischen den Geschlechtern gelten. Sie erfüllt brav und noch ganz freudig diese Regeln, obwohl sie die Gefahren schon erkennt. „Eine Frau, die verliebt ist, spielt immer eine Rolle, denkt Françoise, stützt die Ellbogen auf den Tisch und legt ihre Hände an die Schläfen.” Um die beiden jungen Frauen herum hat die Autorin eine Handvoll gleichaltriger Männer gruppiert. Alle träumen – und alle scheitern. Der Sensible bringt sich um, weil er nicht so gut ist, wie er als Künstler sein will, der Pragmatische versucht, sich die ungeliebte Arbeit schön zu reden, der Erotiker landet in einer bürgerlichen Ehe.
Madeleine Bourdouxhe ist eine der wichtigsten Wiederentdeckungen der letzten Jahren. Als ihr zweiter (1937 zum ersten Mal herausgekommener) Roman „Gilles Frau” kurz vor ihrem Tod 1996 wieder veröffentlicht wurde, konnte man kaum glauben, dass ein so großartiges Buch so lange verschollen und vergessen war. In dieser traurigen Dreiecksgeschichte war die ungewöhnliche Beschreibung von weiblicher und männlicher Sexualität auffällig. Es sind die Unterschiede im Begehren der Geschlechter, die die Autorin ganz unangestrengt und beinahe nebenbei formuliert. Simone de Beauvoir hat genau diese subtile literarische Formulierung der essentiellen Differenz bei Madeleine Bourdouxhe bewundernd hervorhob.
Eine Abtreibung, der Liebesakt, die scheuen Liebkosungen mit der Freundin: Das sind auch die meisterhaften Stellen dieses Romanfragments. Madeleine Bourdouxhe hat selber auf die Verbindung zwischen dem Roman „Vacances” und der eigenen Biographie hingewiesen, auf die Erfahrungen während des Studiums an der Brüsseler Universität, bis zur frühen Hochzeit mit nur einundzwanzig Jahren. Im Nachwort wird ein Interview zitiert, in dem sie vom Lebensgefühl dieser Zeit erzählt, ein Gefühl, das weit über jene Jahre hinaus strahlt: „Die jungen Leute, um die es hier geht, leben an der Grenze zur Realität, in einer künstlichen Welt, die sie sich aus vielerlei Gründen geschaffen haben ... Es ist eine künstliche Welt, die sie nicht für endgültig halten. Sie fühlen sich wirklich wie ‚in den Ferien – en vacances‘. Doch es sind traurige Ferien, weil sie nur aus Warten bestehen ...”
MANUELA REICHART
MADELEINE BOURDOUXHE: Vacances – Die letzten großen Ferien. Aus dem Französischen übersetzt von Monika Schlitzer. Piper Verlag, München 2002. 153 Seiten, 16,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.06.2002

Die zweite Phase
Madeleine Bourdouxhes Clique wird erwachsen

Eine weitere Perle in der Kette europäischer Adoleszenzliteratur aus den Sturm- und-Drang-Phasen des zwanzigsten Jahrhunderts ist wiederaufgetaucht. Piper wagt die Erstausgabe von "Vacances", dem fragmentarisch gebliebenen Debütroman der Belgierin Madeleine Bourdouxhe, der 1936 nur auszugsweise - in einer Brüsseler Anarchistenzeitschrift - erschienen war.

"Vacances" steht in der Tradition von Wedekinds "Frühlings Erwachen", Fleißers "Fegefeuer in Ingolstadt", Werfels "Abituriententag" und Annette Kolbs "Daphne Herbst". Auch Gide und Queneau sind seine Paten. Das Buch handelt von einer Gymnasiasten-Clique in einer nordischen Stadt, die in ihrem Stammlokal vom Künstlerleben träumt, flirtet und über Gott und die Welt debattiert. Parties im Tennisclub, Spaziergänge im Wald und heimliche Treffen in einem Stundenhotel rhythmisieren das schöne Einerlei des Schülerdaseins, bis die Kurbel der wohlfeilen Muße plötzlich überdreht wird. Aus Liebeskummer und übergroßen Ansprüchen an sich selbst bringt Daniel, ein Musiker, sich um. Françoise ist in ihrer ersten Affäre schwanger geworden; gemeinsam mit Jean, dem Vater des Kindes, gibt sie nach einer mißglückten Abtreibung die Studienpläne auf und beginnt ein bürgerliches Familienleben. Damit landen sie genau dort, wo sie nie hinkommen wollten: im spießigen Alltag der Eltern.

Bourdouxhes Roman fängt den transitorischen Moment an der Grenze zum Erwachsenenleben ein, die Phase, in der zahllose Möglichkeiten sich in begrenzte Realitäten verwandeln und der ganze Reichtum der jugendlichen Gedankenwelt sich wie ein Parfum verflüchtigt. Am schärfsten herausgearbeitet ist die Freundschaft von Françoise und Thérèse. Sie tauschen Zärtlichkeiten und malen sich eine gemeinsame berufliche Zukunft aus. Bemerkenswert ist Bourdouxhes schnörkellose Darstellung der weiblichen Psyche. Von den erotischen Gespinsten ihrer Heldinnen und den paradoxen Gefühlen beim Beischlaf erzählt sie ebenso en détail wie von einer Fehlgeburt und der Last des Stillens. Erst der Kult, den Françoise um Jean treibt, macht dem Mädchenbund ein Ende. Als Liebling der Damen wird Jean anfangs sehr realistisch gezeichnet, seine Urlaubsabenteuer mit einer Pensionswirtin und ihrer Tochter nehmen Camus' lakonische Kühle vorweg.

Doch im Verlauf des Textes verwandelt sich Bourdouxhes Bel-Ami-Figur in eine Frauenphantasie: Françoises unbedingte Hingabe erzieht ihn zum treusorgenden Ehemann, der als Lehrer für den Mittagsschlaf nach Hause kommt. Das Ungenügen, das mit dieser undramatischen Lösung einhergeht, zeigt sich symptomatisch in der Gereiztheit, die von nun an Françoise ergreift. Eine neue, durch Langeweile gespeiste Eitelkeit ließe die junge Hausfrau einfach flach erscheinen, wäre da nicht eine bizarre Aggressivität, die in der Verspottung Jeans und einer neuen Grausamkeit Thérèse gegenüber zum Ausdruck kommt. "Am liebsten", heißt es von Françoise nach einem Besuch ihrer Freundin, "würde sie diese Gestalt, die sie so sehr mochte, an den Schultern packen, auf die Erde drücken und diesen Augen für immer die Hoffnung nehmen."

Es ist Bourdouxhe nicht gelungen, ihre Heldin entweder über den Tod der Illusion der großen Liebe hinaus zu entwickeln oder aber eine solche Liebe mit all ihren Widersprüchen und Komplikationen zu entfalten. Für eine Momentaufnahme der verwirrenden Freiheit, die der Wachstumsschub der Pubertät auslöst, besitzt die Autorin alle nötigen Instrumente, für den Umgang mit Phase zwei, der Zeit, in der Befreiung erst von Zwängen zu ertrotzen wäre, fehlt ihr noch die Reife. Sie hätte der Versuchung widerstehen sollen, Jean zu zähmen.

INGEBORG HARMS

Madeleine Bourdouxhe: "Vacances". Die letzten großen Ferien. Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Monika Schlitzer. Piper Verlag, München 2002. 153 S., geb., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Madeleine Bourdouxhe war eigentlich nur ein Stern "dritter Größe" meint Rezensent Jochen Jung. Aber irgendwie hat es ihm dieser Roman angetan. Es geht um eine Gruppe von Studenten und Schülern in einer Kleinstadt, die sich gemeinsam die Zeit vertreiben und große Träume hegen, die allerdings ein trauriges Ende finden: Die siebzehnjährige Francoise wird von ihrem Freund Daniel, der sich das Leben nimmt, schwanger, meint abgetrieben zu haben, ist immer noch schwanger und verliert das Kind letztlich durch eine Fehlgeburt. Das lässt des Lesers Herz zwar zusammenzucken, verkündet der Rezensent, der darüber ins Grübeln gerät: Wie kommt es nur, fragt er sich, dass manche Bücher trotz mäßiger Erzählkunst den Leser in ihre Welt hineinzuziehen, obwohl der wisse, dass es nicht besonders "bedeutend" ist, was er da liest? So ging es ihm jedenfalls hier. "Über Strecken", so Jung, ist dieser Roman "so tief wie flach", "etwas bescheiden in der Melodie, aber durchaus erfolgreich". Immerhin, gesteht Jung zu, "man seufzt" und erinnert sich an die eigene Jugend, in der Sehnsucht, Liebe, Verführung und Verzweiflung von großer Bedeutung waren.

© Perlentaucher Medien GmbH