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Am 1. November 1918 begann mit dem Kieler Matrosenaufstand die Revolution gegen den Kaiser und seinen Krieg. Sechs Tage später rief Kurt Eisner in München die Republik aus. Nach seiner Ermordung proklamierte der Arbeiter- und Soldatenrat am 7. April 1919 die Bayerische Räterepublik. Anfang Mai wurde die Revolution durch die von Berlin eingesetzten Freikorps blutig niedergeschlagen. Damit wurde die Grundlage für den deutschen Faschismus gelegt.
Michaela Karl zeichnet die oft gegensätzlichen Lebensgeschichten und Motivationen der Handelnden nach. Jenseits aller Parteiideologien ist die
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Produktbeschreibung
Am 1. November 1918 begann mit dem Kieler Matrosenaufstand die Revolution gegen den Kaiser und seinen Krieg. Sechs Tage später rief Kurt Eisner in München die Republik aus. Nach seiner Ermordung proklamierte der Arbeiter- und Soldatenrat am 7. April 1919 die Bayerische Räterepublik. Anfang Mai wurde die Revolution durch die von Berlin eingesetzten Freikorps blutig niedergeschlagen. Damit wurde die Grundlage für den deutschen Faschismus gelegt.

Michaela Karl zeichnet die oft gegensätzlichen Lebensgeschichten und Motivationen der Handelnden nach. Jenseits aller Parteiideologien ist die Räterepublik für sie ein Beispiel, wie Menschen Geschichte machen und sich ihr freier Wille über "objektive" Gegebenheiten und Grenzen hinweg setzt.
Autorenporträt
Michaela Karl, geboren 1971, promovierte 2001 mit einer Arbeit über Rudi Dutschke. Sie ist Lehrbeauftragte an der Hochschule für Politik in München und Mitglied der Münchner Turmschreiber.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.07.2008

Ein Dunst aus Bier und Rauch und Volk
Rebellische Tradition: In blasser Referentensprache berichtet Michaela Karl Neues und Altes von der bayerischen Revolution
Michaela Karl, so steht es auf der hinteren Klappe unter einem sehr sympathischen Bild der Autorin, lehrt an der Hochschule der Bundeswehr in München. Frau Karl nennt als ihr wichtigstes Arbeitsgebiet die „rebellischen Traditionen in der deutschen und bayerischen Geschichte”. Nach ihrer Dissertation über Rudi Dutschke, deren Druck erstaunlicherweise vom Springer-Verlag gefördert wurde, hat sie sich jetzt den Aufständischen von 1918/19 zugewandt. Dieses Buch ist offenbar die populäre Version ihrer noch unvollendeten Habilschrift, aber das macht nichts.
Denn zu loben, unbedingt ganz heftig und maßlos zu loben wäre erst einmal, dass die Frau Professor den soldatischen Nachwuchs über die bayerische Revolution aufklärt. Es gibt ja noch immer genug Deppen, die meinen, sich über die Bezeichnung „Freistaat” amüsieren zu müssen, weil sie das für eine weißbierselige Selbstbeweihräucherung des bayerischen Partikularismus halten. Dabei ist doch der liberalste Staat gemeint, den es je auf deutschem Boden gab: Ohne König und Kaiser sollte er sein, gleiches Recht für alle, Männer wie Frauen, und die Macht der Kirche endlich gebrochen.
Das revolutionäre Durcheinander, das Bayern innerhalb weniger Monate um den Preis mehrerer Hundert Toter den Freistaat, die Demokratie, die Räterepublik, noch mal eine Räterepublik und schließlich jene Ordnungszelle brachte, die sich wie eine gemähte Wiese unter den Reichswehrspitzel Hitler Adolf breitete, ist unübersichtlich genug, um auch größere Historiker zu überfordern. Nicht jeder verfügt über Sebastian Haffners Eleganz und vor allem seinen Aufklärungswillen.
Tote auf Urlaub
Es geht auch bescheidener, und auf den ersten Blick mag es sogar eine gute Idee sein, die Münchner Revolution, die sogar Lenin in Erstaunen versetzte, in Porträts der Protagonisten aufzulösen, sie anhand von Gustav Landauer, Erich Mühsam, Kurt Eisner, Ernst Niekisch oder Ernst Toller zu erzählen. Natürlich ist es auch verdienstvoll, neben den beiden Bauernführern Ludwig und Karl Gandorfer die Frauenrechtlerinnen Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann vorzustellen, obwohl die recht wenig mit dieser Revolution zu tun hatten, aber muss es wirklich in einer so anspruchslosen Sprache geschehen?
Bitte, zu den Revolutionären gehörten einige der sprachmächtigsten Autoren ihrer Zeit, manche haben, soweit sie die Mordmonate überlebten, selber über die Ereignisse geschrieben. Ernst Tollers Menschheitspathos wurde durch seine Rädelsführerschaft bei der Verteidigung Münchens nur noch bestärkt, und Eugen Leviné zählte sich vor Gericht unter die Weltrevolutionäre, die mit dem eigenen Opfer den Weg in die Zukunft bahnen wollten: „Wir Kommunisten sind alle Tote auf Urlaub.” Das Gericht hat ihm gedankt und ihn umgebracht. Dieser hohe Ton macht es Historikern schwer. Leider mag sich unsere sympathische Autorin nicht mit einer Anthologie, einem kempowskischen Konzentrat an Stimmen aus dieser Revolution begnügen, sondern muss diese weidlich erforschten Monate in einem grauenhaften Politikerdeutsch noch einmal referieren.
So kommt zwar alles zur Sprache, aber es fehlt jedes Gefühl für die waltende Stimmung, wie sie beispielsweise Oskar Maria Graf in „Wir sind Gefangene” schildert. Nichts erklärt den Größenwahnsinn der Boheme besser, die so lange dem Kaiserreich und der vorgeschriebenen Kriegsbegeisterung widerstanden hatte und endlich mit ihrer Menschheitsbeglückungssehnsucht an die Macht gelangte und unvermeidlich scheiterte.
Solche Vorlagen müssten Michaela Karl noch längst nicht daran hindern, ihrerseits eine Revolutionsgeschichte zu schreiben, wenn, ach, wenn sie bloß schreiben könnte! Aus Literaten werden bei ihr in Lerneinheiten gruppierte Funktionäre, denen sie großzügig einen „unverrückbaren Platz in der deutschen Kulturlandschaft” anweist. Wie genau darf man sich das vorstellen, wenn der „Spuk der zweiten Revolution”, wie es die Autorin will, „ein für alle Mal zu den Akten gelegt werden” soll? Hu-hu, ich bin das Archivgespenst?! Oder – nur so eine Frage – wie geht es zu, wenn jemand „in ein zwielichtiges Licht rückt”? Dass die Preise „immense Höhen” erreichen, ist gut zu wissen, aber heißt immens nicht unermesslich? Kann man sie nicht doch messen, nennen oder sonst ein bissl präziser sein? Auch sonst hapert’s mit der Präzision: Krumbach, wo Gustav Landauer eine Zeitlang wohnte und für den Landtag kandidierte, liegt ganz bestimmt nicht, wie die Autorin glaubt, im Fränkischen, sondern gleich hinter Augsburg. Der sozialdemokratische Rechtspolitiker heißt nicht Gustav Radebruch, sondern Radbruch. Der bayerische Infanteriegeneral, nach dem die Von-der-Tann-Straße in München benannt ist, an der sich das „Studio Elvira” befand, hieß Ludwig Samson Heinrich Arthur Freiherr von und zu der Tann und nicht „Thann”! Solche Fehler wären zu verschmerzen, wenn die Autorin einer anderen als der blassesten Referentensprache mächtig wäre. Müssen solche Blechsätze wie „Niekisch geht daran, den Nationalismus für die Sache der Arbeiter zu rekrutieren” wirklich sein? (Obwohl, vielleicht ist das der Wehrbeitrag der ungedienten Autorin.) Auch sonst fehlt es nicht an Floskeln, als würde Olaf Scholz live aus der SPD-Baracke reportieren. Ein Verfassungskonzept enthält nicht bloß Sprengstoff, sondern „explosiven Sprengstoff”, oder es werden (auf der gleichen Seite) „in Bayern alte Zöpfe abgeschnitten, über die die Zeit längst hinweggegangen ist”. Ja, die Zeit und ihr Sauseschritt, wie schnell man da unter die Räder kommt!
Es ist ja wahr, dass ein Lektor Geld kostet und die Bearbeitung eines Manuskripts Zeit braucht. Wenn man aber so sparsam wirtschaftet wie der Patmos-Verlag, bleiben für Zenzl Elfinger, die Frau Erich Mühsams, nur so zweifelhafte Komplimente wie dass sie eine „wunderbare Gefährtin und ebenbürtige Kameradin” gewesen sei, „deren eigener Leidensweg nach Mühsams Tod dem seinen in nichts nachsteht”. Erbarmen bei soviel schwerkorrekter Leidenskonkurrenz!
Mühsam als Elektriker
Wer großzügig wie mit dem Stempelkissen Attribute verteilt, gelangt endlich auch zu Sätzen wie dem folgenden, bei dem der Rezensent immerhin herzlich lachen musste: „Ideologisch bleibt Mühsam ein Elektriker.” Doch, so steht das wirklich da! Erich Mühsam, der faule Hund, der Lebenskünstler, der Tagedieb, der Hurenbock, der Anarchist, der große wilde Poet, hätte nie im Leben einen Schraubenzieher in die feinen Hände genommen. Er war, wollte die Autorin sagen, Eklektiker, der sich nahm, was er brauchte.
Damit wir uns auch gewiss richtig verstehen: Gegen die lesbare Version einer akademischen Schrift wäre nichts einzuwenden, schon gar nicht gegen ein Volksbuch über diese bewegte Zeit, die selbst den schwermütigen Rilke zu ergreifen vermochte, der 1918 einen Brief mitten aus der Revolution schrieb und bekannte, „der Dunst aus Bier und Rauch und Volk ging einem nicht unbequem ein, man gewahrte ihn kaum, so wichtig wars und so über alles gegenwärtig klar, dass die Dinge gesagt werden konnten, die endlich an der Reihe sind”.
Sie kommen alle vor, die wichtigen Dinge, aber die große Sympathie, die Michaela Karl für diesen Höhepunkt bayerischer Geschichte zeigt, wird an ihrer Darstellung zuschanden. Gern würde der Rezensent einen Satz drechseln, der sich als Bauchbinde um das Buch legen ließe, einen Satz wie: „Dieses Buch darf in keinem Tornister fehlen, wenn unsere tapferen Soldaten Deutschland am Hindukusch verteidigen!”, doch der gute Wille, der die Autorin bewegte, führt noch lange nicht zu einem guten Buch. Nein, es hilft nichts, Frau Professor, Sie müssen nachsitzen und die bayerische Revolution noch einmal durcharbeiten. WILLI WINKLER
MICHAELA KARL: Die Münchener Räterepublik. Porträts einer Revolution. Patmos Verlag, Düsseldorf 2008. 280 Seiten, 24,90 Euro.
Münchener Räterepublik: Oben jubelnde republikanische Soldaten vor dem Mathäserbräu in der Bayerstraße, dem Sitz des Arbeiter- und Soldatenrats, 1918; unten eine Freikorpseinheit bei der Besetzung Münchens, 1919. Fotos: Scherl/SZ Photo
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Schöne Idee, meint Willi Winkler zu dieser Populärversion einer Habilschrift über die Münchener Räterepublik. Dem soldatischen Nachwuchs in Deutschland würde Winkler das Buch nur allzu gern als Marschlektüre mitgeben. Zumal Michaela Karl die revolutionäre Gemengelage übersichtlich in Einzelporträts der Protagonisten auflöst: Natürlich Erich Mühsam und Ernst Toller, aber auch, Winkler stellt das lobend fest, die Frauenrechtlerinnen Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann. Deutlich weniger gefällt Winkler die sprachliche Ausarbeitung der von der Autorin durchaus erschöpfend referierten historischen Begebenheiten. Genauer: Dem Rezensenten stehen die Haare zu Berge, lässt er sich diese "blasseste", höchstens an Floskeln reiche Referentenprosa auf der Zunge zergehen. Lesbarkeit und Genauigkeit gehen anders, findet Winkler und rät der "Frau Professor" reichlich mokant, das Ganze noch einmal durchzuarbeiten.

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