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»Vielleicht waren wir in dieser Nacht gar nicht in Istanbul, sondern in Berlin, Mitte. Egal.«Polaroids vom Leben zwischen Kulturen - gerade eben aufgenommen. Imran Ayata erzählt vom Hier und Jetzt junger Kanakster in Deutschland. Dabei schickt er schillernde Typen, verkrachte Existenzen, Taugenichtse und Hasardeure in die Welt und schaut, was geschieht.
Rosen, die ein Blumenverkäufer mit den Worten »Liebe ist mächtiger als Tito« verschenkt. Ein Kasino, das noch nicht gebaut ist. Eine Kontaktanzeige in Hürriyet, die das Leben zweier Männer mächtig durcheinander bringt. Eine geklaute
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Produktbeschreibung
»Vielleicht waren wir in dieser Nacht gar nicht in Istanbul, sondern in Berlin, Mitte. Egal.«Polaroids vom Leben zwischen Kulturen - gerade eben aufgenommen. Imran Ayata erzählt vom Hier und Jetzt junger Kanakster in Deutschland. Dabei schickt er schillernde Typen, verkrachte Existenzen, Taugenichtse und Hasardeure in die Welt und schaut, was geschieht.

Rosen, die ein Blumenverkäufer mit den Worten »Liebe ist mächtiger als Tito« verschenkt. Ein Kasino, das noch nicht gebaut ist. Eine Kontaktanzeige in Hürriyet, die das Leben zweier Männer mächtig durcheinander bringt. Eine geklaute Sonnenbrille, die den Schleudergang nicht überlebt. Imran Ayatas Geschichten handeln von den skurrilen Begebenheiten, die das Leben für junge Migranten in Deutschland bereithält. Sie spielen in Berlin, Frankfurt, Istanbul oder Heidelberg. Aber das ist beinahe herzlich egal. Es interessiert nur das Hier und Jetzt. Oder dreht sich die Erde doch so schnell, dass man rasch den Halt verliert? Ayatas Helden machen sich zum Trottel für die Liebe, und wollen doch eigentlich nur coole Jungs sein. Sie hoffen auf etwas Ruhe in einem Leben, das sie ständig davonzutragen droht, und stürzen doch kopfüber in den nächsten Rausch. Es sind die unfreiwilligen Rollenspiele, die Ayata interessieren. Wie Brause in einem Wasserglas löst er Coolness in Melancholie und Moral in Lächerlichkeit auf. Seine Figuren treiben durch die Gegenwart - voller Sehnsucht und mit großem Witz erzählt.
Autorenporträt
Ayata, ImranImran Ayata, geboren 1969, ist Autor und DJ. Er studierte Politologie in Frankfurt am Main, war Redakteur der Zeitschrift Die Beute. Politik und Verbrechen. Außerdem veröffentlichte er Beiträge in Zeitschriften und Sammelbänden in Deutschland und der Türkei. Ayata war Mitbegründer von Kanak Attak und ist seit seinem 6. Lebensjahr Fan von Galatasaray Istanbul, eine lebenslange Liebe.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.04.2005

Verschwende deine Jügünd
Der Schriftsteller Imran Ayata tanzt in Kreuzberg und schreibt in Berlin-Mitte. Nun besteigt er den "Hürriyet Love Express"

Vor kurzem hat sich Imran Ayata endlich auch so ein Ding gekauft, so eine Box, die man auf den Fernseher stellt, um Sendungen zu empfangen, die man in Deutschland sonst nicht empfangen kann. Davor hatte sich Ayata die Spiele seines Fußballclubs in türkischen Männercafés angeschaut, aber immer öfter passierte es, daß die entscheidenden Dinge verlorengingen, auf dem langen Weg von Mitte nach Kreuzberg, die ersten Minuten, die ersten Tore von Galatasaray. "Für den Notfall", sagt Ayata, hat er jetzt auch zu Hause Zugang zum türkischen Pay-TV. Tatsächlich hat Ayata damit nur einen Decoder mit einem anderen getauscht: Auch das Männercafé funktionierte für ihn immer als Schlüssel, als Zugang zu einer Welt, in der er sich weit weniger zu Hause fühlte als zum Beispiel in seinem Stammcafé am Zionskirchplatz, 157 Schritte von seiner Wohnung entfernt. Denn obwohl natürlich das eine mit dem anderen zusammenhing, hatte er mit den Männern vor dem Fernseher in der Regel nur die Liebe zu seinem Club gemeinsam, nicht das Heimweh nach dem Land, aus dem er kommt.

Um Ulm herum

Imran Ayata trägt ein dunkelbraunes Hemd und einen grauen Anzug an diesem Nachmittag, und daß er aus der Türkei kommt, sieht man natürlich auch an seinen schwarzen Haaren und dichten Augenbrauen, aber vor allem sieht man es an dem Gepäckaufkleber der Turkish Airlines, der an seiner Tasche hängt. Zwei Tage zuvor hat Galatasaray im Halbfinale des türkischen Pokals gespielt, und Ayata war live dabeigewesen und ist erst am Morgen wieder gelandet in dem Land, in dem die Menschen ihn so oft fragen, wo er herkommt, daß er mittlerweile ein ganzes Sortiment an Antworten parat hat, aus dem Bauch meiner Mutter, aus Ulm, oder eben doch: aus der Türkei.

Schon immer haben sie ihn das gefragt, die Mitschüler im Gymnasium in Ulm, wo er 1969 geboren wurde, die Kommilitonen in Frankfurt an der Uni, wo er Politikwissenschaften studierte, die Kunden der Kommunikationsagentur, in der er mittlerweile Geschäftsführer ist. Sie sehnten sich danach, ihn in die Rolle des Fremden zu drängen. Wenn Ayata heute gelegentlich im Bundeswirtschaftsministerium sitzt, um die politischen Kampagnen zu besprechen, die seine Agentur betreut, gibt es keine skeptischen Blicke, aber manchmal solche, die ihm zu verstehen geben, wie ungewöhnlich es doch ist, daß man es mit einem Sohn türkischer Gastarbeiter zu tun hat. Und wenn er sein neues Buch vorliest, kommt es vor, daß ihn nach der Lesung Menschen ganz besonders dafür loben, daß es auch sprachlich sehr gut sei, und sie sagen das nicht, weil Ayata in Schwaben geboren wurde.

Die Welt von Imran Ayata war immer eine Welt der Rollen und der Repräsentationen; er war immer gleich Vertreter einer ganzen Kultur, Gemeinschaft oder Generation, aber nur als Fußballfan war er das auch freiwillig.

Daß auch seine neueste Rolle eine Menge solcher Labels birgt: dagegen wird sich Ayata kaum wehren können. Gerade hat er sein erstes Buch herausgebracht, den Erzählband "Hürriyet Love Express". Und natürlich ist schon dieser Titel eine Einladung dazu, die Herkunft des Autors zu thematisieren. Andererseits ist er natürlich eine Falle: Wer nämlich eine Weile mitfährt, mit diesem Expreß, dem werden die Stationen auf Ayatas Reise irgendwann überraschend wenig exotisch vorkommen, vorausgesetzt, er zieht gelegentlich in Berlin von Club zu Club. Ayatas Geschichten sind Spots aus einem Milieu, dessen Koordinaten auch den deutschen Bewohnern dieses Kiezes vertraut sind; nur die Protagonisten sind es eben nicht. "Periphere Geschichten aus der Großstadt", so beschreibt Ayata seine Storys, und auch wenn fast alle dieser "Polaroids", wie die kürzesten von Ayatas Texten überschrieben sind, von Menschen türkischer Herkunft handeln, so ist doch der ethnische Hintergrund keine Voraussetzung für ihr Gelingen. Ayatas Figuren sind Intellektuelle und Bohemiens, coole Jungs und unverbesserliche Melancholiker, Männer, die nach der ewigen Liebe suchen und nach dem perfekten Song, die am Leben verzweifeln oder am Preis einer Sonnenbrille, die an ihren Städten leiden, an Frankfurt, München, Berlin, Heidelberg, und an diesem Land, ja, natürlich leiden sie auch an diesem Land. Daß sie dabei in der Regel besser Türkisch sprechen als die deutschen Jungs, die am Tisch nebenan traurig in ihr Glas schauen: das hilft ihnen meistens auch nicht viel weiter.

Kreuzberger Mächte

"Vielleicht waren wir in dieser Nacht gar nicht in Istanbul, sondern in Berlin Mitte", schreibt Ayata. "Egal. Orte sind letztlich eine Summe enttäuschter Gefühle und unwiderrufener Sehnsüchte." Es ist kein Zufall, daß Ayata in Mitte wohnt. Er finde Kreuzberg nett, sagt er, er habe eine Menge Freunde dort, aber letztendlich würde er dort untergehen. "Die Kultivierung von Perspektivlosigkeit" nennt er das, was ihn an Kreuzberg stört.

Die Erfahrung der Fremdheit, die in Ayatas Storys steckt, ist nicht nur eine der rassistischen Ausgrenzung - und trotzdem wäre es Unsinn, würde man die Geschichten deshalb deutscher machen, als sie sind. Es ist ja nicht so, daß Ayatas Figuren ihre Herkunft verleugnen und daß sie ein wenig anders aussehen und reden als schwäbische Studenten, die sich womöglich in ähnlichen Bars herumtreiben: das ist schon auch ein Grund, warum man sich für ihr Schicksal interessiert. Es ist ein exklusiver Einblick, den Ayata gewährt, ein Einblick auf Augenhöhe und nicht durchs Schlüsselloch, ein Einblick in das Leben migrantischer Hipster und Lebenskünstler, die den Deutschen nun auch noch das Privileg streitig machen, ihre Jugend mehr oder weniger stilvoll zu verschwenden.

Mitte in der Nacht

Es gab eine Zeit, da reagierte Ayata sehr kämpferisch auf all diese Zuschreibungen. Er arbeitete als Redakteur der sehr linken und klugen Zeitschrift "Die Beute. Politik und Verbrechen" und schrieb Artikel, in denen er analysierte, wie die Mechanismen dieser Etikettierung funktionieren. Es war die Zeit, in der immer mehr Menschen ausländischer Herkunft sich selbstbewußt mit dem Schimpfwort "Kanake" bezeichneten, wie es der Schriftsteller Feridun Zaimoglu vorgemacht hatte. Auch Ayata spielte mit diesem Begriff, als Mitbegründer des Zusammenschlusses "Kanak Attak", der sich sowohl gegen politische Diskriminierung als auch gegen den Rassismus in seiner subtilen multikulturalistischen Form wandte: Jeder Vorzeige-Türke bildet das Raster, durch das der nächste fällt. Weshalb auch Zaimoglu, mit dem Ayata heute gut befreundet ist, damals wegen seiner offensiven Selbstvermarktung als "Hype-Kanake" nicht unbedingt als engster Verbündeter gesehen wurde.

Gut möglich, daß es Menschen bei "Kanak Attak" gibt, die auch Ayata heute Verrat am politischen Kampf vorwerfen. Er ist nicht mehr dabei, weil sein Job ihm nicht mehr die Zeit ließ, vor allem aber, weil er an Grenzen stieß in den engen Räumen des kulturellen Aktivismus. Seine Texte haben einen anderen Ton, seit er seine Erfahrungen in Geschichten übersetzt statt in Manifeste, aber wer sie deshalb für weniger politisch hält, verwechselt Jargon mit Wirkung. Womöglich nämlich zerlegen Ayatas Helden die herrschenden Klischees über junge Türken effektiver als jedes Pamphlet; womöglich merkt selbst der aufgeklärte Leser am Ende, daß auch er letztlich eine Folklore erwartet hat, die er nicht bekommt. Daß Ayatas Figuren eben keine Goldkettchen tragen; daß sie an Orten sitzen, von denen andere dachten, sie hätten sie besetzt: das ist viel provokanter als das demonstrative Spiel mit den Abzeichen einer Minderheitenkultur.

Nur manchmal, wenn ihm das alles auf die Nerven geht, das Deutsche und das "Mittige", das Cleane und das Seelenlose, dann weicht Ayata nach Kreuzberg aus. Das ist jetzt auch so ein Klischee: Aber auf türkischen Partys wird einfach mehr getanzt.

HARALD STAUN

Imran Ayata: Hürriyet Love Express. Kiepenheuer und Witsch. 207 Seiten, 7,90 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.05.2005

Stets gegen die Wand
Bei Imran Ayatas Kanakstern gibt es keine Heulsusen
Es beginnt wie befürchtet. Mit Mustertürken, Hasardeuren und Vollgas-Kanakstern: gegen die Wand und noch weiter. Eine Liebe in Heidelberg? Mach es wie Tarkan! Die 1000 Rosen, die du brauchst, überlässt dir der Jugo-Kanake vom C&A gratis, denn Liebe ist größer als Tito. Deine Scheinehe muss beglaubigt werden? Mache Kanak-Rave auf dem Balkon deiner Scheingattin, bis die Polizei kommt. Der Gastwirt des Ruhrpoldinger Hallenbads bedient dich nicht? Klaue Schokolade, werde verhaftet, und treffe dort Oberwachtmeister Sauter, der dich straflos in die Freiheit entlässt, weil Du in seinem Verein boxt.
Imran Ayata hat „Polaroids vom Leben junger Kanakster” angefertigt, und es lässt sich offensichtlich nur schwer vermeiden, dass diese vor allem eines zeigen: krass gelebten Kontrast zum bundesdeutschen Heulsusentum. Ayata war als Mitbegründer von „Kanak Attak” an der Entstehung ebenso wie an der Kritik dieser Kanaken-Typologie beteiligt, die inzwischen die Söhne der Söhne der Gastarbeiter für sich in Anspruch nehmen. Doch mit seinem Erzähldebüt „Hürriyet Love Express” setzt sich Ayata behutsam davon ab: Er beschreibt die Episoden aus dem Alltag junger Deutschtürken mit Abstand und leichter Melancholie. Selbst das heiterste dieser „Polaroids” endet mit einer kleinen Ernsthaftigkeit, und der pflichtschuldige Hedonismus der wilden Jungmigranten wird eher bedauert denn bejubelt. Imran Ayatas Kanaken taugen weder zur Vollintegration noch zur Multikulti-Folklore, sie haben sich mit ihrer Ortlosigkeit zwischen Berlin und Istanbul arrangiert.
In „Wintersonne”, der schönsten dieser recht unterschiedlich gelungen Erzählungen, tauscht Taylan das fiebrige Party-Leben im „36er-Kanak-Kiez” gegen die ägäische Küste, als sein Trinkkumpan aus der drogenfreudigen Kreuzberger Boheme in die Psychiatrie eingeliefert wird. Jetzt sitzt Taylan in Altinoluk im Teegarten und wird dort selbst für den Verrückten gehalten, weil er sich weigert, zu sprechen. Er lauscht den Gesprächen, trinkt Tee und liest Zeitung. Er freut sich über seinen langen Schlaf, verliebt sich in eine Staatsanwaltsmörderin und findet doch nichts als eben jene enttäuschten Gefühle und unwiderrufenen Sehnsüchte, für die er aus Berlin geflohen war.
SEBASTIAN HANDKE
IMRAN AYATA: Hürriyet Love Express. Storys. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2005. 208 Seiten, 7,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Rezensent Maik Söhler ist beeindruckt, wie Imran Ayata seine Protagonisten in glücklichen und weniger glücklichen Momenten beschreibt. Die Helden sind allesamt in Deutschland und der Türkei gleichermaßen zu Hause. Sie genießen ihr Leben, erfahren wir, fühlen sich einsam, suchen die große Liebe oder eine deutsche Ehefrau zwecks Aufenthaltsgenehmigung: das Leben in all seinen Facetten eben. Die einzelnen Geschichten sind nicht immer "rund", meint Söhler, gelegentlich gleiten sie auch in den Kitsch ab. Doch insgesamt findet der Rezensent, werden diese "Textfragmente ... den Bewusstseinsfragmenten der Figuren in 'Hürriyet Love Express', diesen zeit-, ort- und identitätslosen Nachtgestalten, erstaunlich gerecht werden".

© Perlentaucher Medien GmbH
»Mit Witz und Feinfühligkeit erzählt und immer wieder überraschend.« De:Bug