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Zu den Geschichten, die sich als Mythos tief ins menschliche Gedächtnis eingeprägt haben und die immer noch gegenwärtig sind, gehört die von Prometheus: seinen Taten, seinem Leiden, seinem Nicht-sterben-Können. Als Suchbegriff im Internet eingegeben, finden sich unter 'Prometheus' weltweit 66.275 Seiten. Durch die Jahrhunderte haben sich vor allem die Künstler dieser Figur immer wieder angenommen - oder war es andersherum? Hat sich Prometheus der Künstler angenommen und ihnen die Möglichkeit gegeben, sich über ihn und seine Geschichte mitzuteilen? Die einundzwanzig Gedichte von Ted Hughes aus…mehr

Produktbeschreibung
Zu den Geschichten, die sich als Mythos tief ins menschliche Gedächtnis eingeprägt haben und die immer noch gegenwärtig sind, gehört die von Prometheus: seinen Taten, seinem Leiden, seinem Nicht-sterben-Können. Als Suchbegriff im Internet eingegeben, finden sich unter 'Prometheus' weltweit 66.275 Seiten. Durch die Jahrhunderte haben sich vor allem die Künstler dieser Figur immer wieder angenommen - oder war es andersherum? Hat sich Prometheus der Künstler angenommen und ihnen die Möglichkeit gegeben, sich über ihn und seine Geschichte mitzuteilen? Die einundzwanzig Gedichte von Ted Hughes aus Prometheus auf seinem Felsen zeigen den Protagonisten bewegungsunfähig, festgehalten in einer ausweglosen, todesgleichen Situation - bis er verstanden hat, was ihm geschieht, und er das Unausweichliche annimmt. Nun erst kann er sich lösen, ist wiedergeboren und geheilt.
In einer englisch-deutschen Ausgabe, mit den Übertragungen von Jutta Kaußen und einem eigens für diesen Band gemalten Bilderzyklus von Eva Clemens, wird der Prometheus des großen englischen Lyrikers, 1973 in einer limitierten und raren Ausgabe erschienen, nun auch dem deutschen Publikum zugänglich.
Autorenporträt
Die Übersetzerin Jutta Kaußen, geboren 1955, arbeitete in veschiedenen Verlagen und lebt als freie Autorin und Übersetzerin in Frankfurt/M. Zusammen mit Wolfgang Kaußen übersetzte sie zuletzt Essays und Gedichte von Ted Hughes.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.05.2002

Raumstille, Weltallkälte
Prometheus' Felsen: Neue und alte Gedichte von Ted Hughes

Kein großer Dichter ohne die Mißverständnisse, die Leben und Werk begleiten. Ted Hughes machte da keine Ausnahme. Doch geben die Klischees, die man ihm anheftete, immerhin eine Ahnung von den Spannungen, in denen seine Poesie steht. Der frühe Hughes, in dessen Lyrik die Tiere als archetypische Figuranten erscheinen, stand im Geruch, so etwas wie ein Schamane zu sein. Eines dieser Gedichte schließt Blutsbrüderschaft mit einem Raubvogel: "Mein Körper kennt keine Finessen: Köpfe abreißen ist meine Art." Der Dichter mußte sich gegen den Vorwurf verwahren, er verherrliche faschistisch die Gewalt.

Später empfingen ihn bei Lesungen Feministinnen mit Transparenten, die ihn für den Selbstmord seiner Frau, der Dichterin Sylvia Plath, verantwortlich machten. Als Hughes mit seiner zweiten Frau Carol Orchard nach Devon aufs Land gezogen war, wunderte man sich, daß dieser Einzelgänger 1984 das Hofamt des Poet Laureate annahm. 1998, zum 35. Todestag Sylvias, ließ der Dichter die "Birthday Letters" erscheinen - ein spätes Epitaph, aber auch die eigene Version der Beziehung und ihre öffentliche Rechtfertigung vor den Kindern Frieda und Nicolas, denen das Buch gewidmet ist. Den Eliot-Preis für die "Birthday Letters" konnte er nicht mehr entgegennehmen. Ted Hughes starb am 28. Oktober 1998.

Ist der Tod das Ende der Mißverständnisse? Die offizielle Gedenkfeier fand am 13. Mai 1999 in Westminster Abbey statt, im Pantheon der Großen Englands. Der Redner, der Ted Hughes dort als einen "neuen Genius der Heimat" pries, war ein Nobelpreisträger, der Freund und Kollege Seamus Heaney. Er fand eine Formel für jene Spannungen, die so viele Mißverständnisse ausgelöst hatten. Aus der Wahrnehmung des Kampfes im Innersten der Dinge, so Heaney, entstehe "die unauflösliche All-Einheit seines Werkes".

Nachzulesen ist die schöne und emphatische Rede in einem Band der Bibliothek Suhrkamp. "Etwas muß bleiben" bringt eine zweisprachige Auswahl aus Hughes' lyrischem Werk in der bewährten Übersetzung von Jutta und Wolfgang Kaußen. Bewährt soll auch heißen, daß sich die Gedichte des Bandes - bis auf eines - schon in der älteren, umfangreicheren Sammlung "Der Tiger tötet nicht" (1998) finden. Neu ist die Gliederung des Bandes nach Themen und Motiven, die dem Leser den Zugang zu den Mythen des Dichters erleichtern dürfte. Hinzugekommen ist ein einziges, wenngleich wichtiges Gedicht. "Auf der Fahrt durch Somerset" basiert auf einem realen Vorfall: Der Dichter betrachtet einen überfahrenen Dachs bis in die letzten Stufen von Verfall und Verwesung. Aber der Schluß lautet: "Etwas muß bleiben."

Dessen war sich der Dichter auch sonst sicher. Was bleibt, waren für Ted Hughes die Mythen. Sie gehören - wie Seamus Heaney in seiner Gedenkrede ausführte - zum poetischen Code des menschlichen Geistes. Schon 1968 hat Hughes mit Peter Brook eine Adaption von Senecas Ödipus realisiert. Anfang der siebziger Jahre folgte das Stück "Orghast" auf der Basis des Gefesselten Prometheus von Aischylos; und die Nachdichtung der "Metamorphosen" des Ovid trug Hughes 1997 den renommierten Whitbread Prize ein.

Das Insel-Bändchen "Prometheus auf seinem Felsen" bringt mit seinen 21 Gedichten die Überreste, besser die Essenz eines der mit Peter Brook realisierten Projekte. "Orghast", eine Aischylos-Kompilation in einer erfundenen Sprache, wurde über den Felsengräbern von Xerxes und Dareios in Persepolis aufgeführt und soll atmosphärisch überwältigend gewesen sein. Zwar gab es davon eine Dokumentation, aber die etwa hundert Texte, die Hughes für die Aufführung schrieb, sind verloren.

Der Zyklus "Prometheus auf seinem Felsen", erstmals 1973 in einem bibliophilen Band erschienen, schildert die Leidensstationen der Prometheus-Figur: vom Erwachen des noch sprach- und gefühllosen Protagonisten bis zu seiner Wiedergeburt. Mehrfach klingt das Motiv der Erlösung an. Aber Prometheus' hoffnungsvolle Rede, die "Teile der wortigen Erde" zusammenhält, "verpufft dennoch in Raumstille und Weltallkälte". Das letzte Gedicht beschreibt seine Wiedergeburt: "Und Prometheus löst sich leicht. / Er schwankt zu seiner Statue. / Bringt sich ins Gleichgewicht. Und tritt // Auf die verstaubte Pfauen-Schmiere, auf der die Welt gleitet." Jutta Kaußen, die den rhapsodisch-hermetischen Zyklus kundig und einfühlsam kommentiert, erwägt für den Schluß zwei verschiedene Lesungen. Der Leser hat die Wahl, Prometheus in seiner Statue verewigt oder auf der Bahn der Eitelkeit ausgleiten zu sehen. Immer noch ist Ted Hughes für ein Rätsel gut.

Ted Hughes: "Etwas muß bleiben". Gedichte. Englisch und deutsch. Mit einer Gedenkrede von Seamus Heaney. Ausgewählt und übertragen von Jutta und Wolfgang Kaußen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 200 S., geb., 14,80 [Euro].

Ted Hughes: "Prometheus auf seinem Felsen". Englisch und deutsch. Übertragung und Nachwort von Jutta Kaußen. Mit einem Bilderzyklus von Eva Clemens. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2002. 96 S., geb. 13,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Dieser Gedichtzyklus gehört in den Umkreis des Prometheus-Drama "Orghast", das Hughes für den Regisseur Peter Brooks geschrieben hat und das 1971 in Persepolis aufgeführt wurde, dessen Text heute aber als verschollen gilt. "Prometheus auf seinem Felsen" besteht aus 21 kurzen Teilen, die der Rezensent Werner von Koppenfels als "extrem verknappt, nackt, bildstark, rhythmisch zwingend" beschreibt und die sich zu einem "lyrischen Initiations-, Sühne- und Versöhnungsdrama in inneren Monologen" fügen. Es vermischen sich Autobiografisches, Mythisches, Symbolisches, gedeutet wird das Leid des Prometheus als notwendiges, da aus der Zerfleischung die Wiedergeburt folgt. Gelobt werden die Illustrationen von Eva Clemens und, im Grunde, auch die Übersetzung von Jutta Kaussen, die leider am Ende, so von Koppenfels, gelegentlich in die Irre geht.

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