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Band 1: Kritische Untersuchung zur historischen Entwicklung der geographischen Kenntnisse von der neuen Welt und den Fortschrifften der nautischen Astronomie im 15. und 16. Jahrhundert
Band 2: Geographischer und physischer Atlas der Äuinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Mit dem Unsichtbaren Atlas aller von Alexander von Humboldt in der Kritisches Untersuchung aufgeführten und analysierten Karten
Die Entdeckung der Neuen Welt ist neben dem Kosmos das Hauptwerk Alexander von Humboldts. Es bildet den Schlußstein seiner Amerikabücher, in denen er mit epischem Schwung seine große
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Produktbeschreibung
Band 1: Kritische Untersuchung zur historischen Entwicklung der geographischen Kenntnisse von der neuen Welt und den Fortschrifften der nautischen Astronomie im 15. und 16. Jahrhundert

Band 2: Geographischer und physischer Atlas der Äuinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Mit dem Unsichtbaren Atlas aller von Alexander von Humboldt in der Kritisches Untersuchung aufgeführten und analysierten Karten
Die Entdeckung der Neuen Welt ist neben dem Kosmos das Hauptwerk Alexander von Humboldts. Es bildet den Schlußstein seiner Amerikabücher, in denen er mit epischem Schwung seine große Amerikareise (1799-1804) auswertet. Zum erstenmal seit der Erstveröffentlichung vor 170 Jahren liegt das Werk nun wieder auf deutsch vor - zusammen mit dem zugehörigen prächtigen Atlas von Humboldts eigenen und der von ihm erwähnten Karten.

Im exakten Titel des Buches steckt sein Programm: "Kritische Untersuchung zur historischen Entwicklung der geographischen Kenntnisse von der Neuen Welt und den Fortschritten der nautischen Astronomie im 15. und 16. Jahrhundert". Es geht um die technischen und geistigen Voraussetzungen, unter denen sich Europa am Beginn der Neuzeit anschickte, unter dem Schock der Erkenntnis von der Kugelförmigkeit der Welt einen transatlantischen Horizont auszubilden. In der Analyse historischer Karten, der vergleichenden Lektüre von Reiseberichten früher Amerikareisender, aber auch in zeitgenössischen Legenden entsteht das Bild eines Europas im Aufbruch und einer im Dunst der Zeugnisse langsam Kontur gewinnenden Neuen Welt. Nach mehr als drei Jahrzehnten der Recherche überblickte Humboldt den gewaltigen Stoff vollständig. Der Fünfundsechzigjährige stand auf der Höhe seines Denkens wie seiner Kunst des Schreibens.

Der zweite Band dieser Ausgabe präsentiert in weit über 100 aufwendigen Farbreproduktionen den Atlas Alexander von Humboldts und den Unsichtbaren Atlas aller von ihm bearbeiteten Karten. Die von Humboldt gewollte Einheit von Text und Kartenwerk wird so überhaupt zum erstenmal greifbar.
Autorenporträt
Alexander von Humboldt, 1769-1859, deutscher Naturforscher und Reiseschriftsteller, erlangte durch seine Expeditionen nach Amerika und Asien Weltruhm. Mit seinen Schriften 'Ansichten der Natur' (1808) und 'Kosmos' (1845-62) erreichte er ein großes Publikum. Humboldts Wissenschaftsverständnis war prägend für die moderne Universität.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.05.2009

Ganz Sibirien ist eine Fortsetzung unserer Hasenheide
Alles ist Wechselwirkung: Zum 150. Todestag Alexander von Humboldts streitet Ottmar Ette für Entprovinzialisierung und Wertbewusstsein
Im Jahr, in dem er sechzig werden sollte, brach Alexander von Humboldt nach Russland auf, um endlich auch Asien zu bereisen. Er hatte dies lange gewünscht, von einer sibirischen Reise bereits 1793 geträumt, aber das Vorhaben immer wieder aufschieben müssen. Nun, 1829, waren die Umstände komfortabel. Als Kammerherr Friedrich Wilhelms III. fuhr er – mit Halt auf 658 Poststationen und zuletzt 12244 Pferden – durchs Reich des Zaren Nikolaus, der mit der ältesten Tochter des preußischen Königs vermählt war. Den Mächten der Reaktion musste sich, wenn er nicht ganz auf die Reise verzichten wollte, auch ein Humboldt anbequemen. Dass er es tat, wird man ihm nicht vorwerfen wollen, dass er eine höhere Vernunft für seine Anpassung in Anspruch nahm, der Unterwerfung noch Girlanden flocht, das verstört. Zumindest passt es nicht recht zum lichten Bild vom liberalen Kosmopoliten.
So schrieb Humboldt aus Jekaterinburg, dass er sich „auf die todte Natur beschränken” und alles vermeiden wolle, „was sich auf Menschen-Einrichtungen, Verhältnisse der untern Volksklassen bezieht: was Fremde, der Sprache unkundige, darüber in die Welt bringen, ist immer gewagt, unrichtig und bei einer so komplicirten Maschine, als die Verhältnisse und einmal erworbenen Rechte der höhern Stände und die Pflichten der untern darbieten, aufreizend ohne auf irgend eine Weise zu nüzen!” Gerade der Blick auf Natur und Kultur, geologische wie menschliche Verhältnisse hatte ihn ausgezeichnet, zum Ruhm seiner Berichte aus der Neuen Welt beigetragen. Diesmal nahm er sich offiziell zurück.
Es sind allerdings auch die Briefe von der russischen Reise reich an Zeugnissen des unvoreingenommenen Blicks und aufgeklärter Spottlust. Aus Narva etwa hatte er seinem Bruder Wilhelm Ende April 1829 mitgeteilt, dass er seit sechzehn Tagen unterwegs sei und „alle Gräuel der Winterlandschaft” genieße. Die Landschaft habe sich kaum verändert. Es sei „die Gegend des Oranienburger Thores, welche sich mit liebenswürdiger Einförmigkeit nun schon 200 Meilen weit gegen N.O. ausdehnt. Das charakteristischste dieser Unnatur, was ich gesehen, ist die Nährung, auf der wir 4 - 5 Tage lang gelebt , 5 Muscheln und 3 Lichenen gefunden. Wenn Schinkel dort einige Backsteine zusammenkleben liesse, wenn ein Montagsclub, ein Circel von kunstliebenden Judendemoiselles und eine Akademie auf jenen mit Gestrüppe bewachsenen Sandsteppen eingerichtet würden, so fehlte nichts, um ein neues Berlin zu bilden, ja, ich würde die neue Schöpfung vorziehen, denn die Sonne habe ich herrlich auf der Nährung sich in das Meer tauschen sehen. Dazu spricht man dort, wie du weisst, rein Sanscrito, lithauisch.”
Die Briefstelle ist nicht nur ein hübsches Beispiel des Berliner Salontons, mit dem Alexander wie Wilhelm aufgewachsen sind. Der Einfall, ein neues Berlin am Kurischen Haff erstehen zu lassen, zeigt auch ein literarisches Verfahren, dessen sich Humboldt gern bediente: Er überblendet verschiedene Landschaften, zeichnet dem, was ihm vor Augen steht, die Umrisse anderer Gegenden ein. Auf diese Weise wird er die gesamte russische Reise in seinen amerikanischen Erfahrungen spiegeln, Asien und Amerika überblenden und so ein eigentümliches Schweben über der Empirie erreichen, dem Hier und Jetzt hingegeben, aber nicht verfallen. Manchmal schnurrt das zur Pointe zusammen: „Ganz Sibirien ist eine Fortsetzung unserer Hasenheide”.
Aber das Verfahren der Überblendung ist bei einem stilbewussten und seinen Stil vielfach bedenkenden Autor wie Alexander von Humboldt mehr als eine Marotte. Der Romanist Ottmar Ette deutet es als Ausdruck einer einzigartig innovativen Wissenschaftskonzeption: Humboldt erzeuge ein „Oszillieren, in dem das Hier, und sei es auch nur für einen kurzen Augen-Blick, zum Dort, zum Woanders wird: Ici est un autre”.
Es dürfte schwer werden, jemanden zu finden, der die Schriften Humboldts besser kennt als Ette. Er hat mehrere von ihnen herausgegeben und in diesem Jubeljahr die „Kritische Untersuchung zur Historischen Entwicklung der geographischen Kenntnisse von der Neuen Welt” – 1834 bis 1838 als Examen critique erschienen – mustergültig ediert. Der Text liegt vollständig und in ordentlicher Übersetzung vor, neben dem „Geographischen und physischen Atlas der Äquinoktial-Gegenden des Neuen Kontinents”, findet man hier auch den „Unsichtbaren Atlas” sämtlicher von Humboldt im Examen critique erwähnter und analysierter Karten – eine Schatztruhe der Wissenschaftsgeschichte.
Überdies zieht Ette in einer Monographie über „Das Mobile des Wissens” eine Summe seiner Studien. Dieses Buch taugt als Leseanleitung, skizziert Ette doch die intellektuelle Biographie Humboldts. Er beginnt, wie es sich gehört, im friderizianischen Preußen. Ein Jahr vor der Geburt Alexanders erschienen in Berlin die „Recherches philosophiques sur les Américains” von Cornelius de Pauw, der für kurze Zeit Vorleser des großen Königs und später Mitarbeiter der Diderotschen „Encyclopédie” war. Für de Pauw stehen Alte und Neue Welt einander unversöhnlich gegenüber, eine Hälfte des Globus sei von der Natur benachteiligt, gleichsam zur Unterjochung durch die andere bestimmt. Aber die Eroberung der Neuen Welt ist nicht nur für diese ein Unglück, auch Europa ist nun in alle Revolutionen und Fährnisse verwickelt und wird obendrein von Tabak und Syphilis heimgesucht.
Gegen eine solche Sicht der Welt, gegen Systemdenken ohne Anschauung wird Humboldt aufgeboten. In immer neuen Anläufen umkreist Ette dessen auf Wechselwirkung und Bewegung ausgerichtetes Wissenschaftsverständnis. Leider verfolgt er propagandistische Absichten. Sein Buch ist zur Hälfte auch ein Pamphlet für eine „transdisziplinäre”, „interkulturelle”, „kosmopolitische”, „transareale”, „vernetzte”, „transmediale” Lebenswissenschaft mit besonderer Vorliebe fürs „Fraktale”. Da rennt einer mit Schwung offene Türen ein. Wer wäre nicht für eine „Entprovinzialisierung” des Geistes und der Wissenschaften? Wer glaubte nicht gern, dass gerade heute ein „Weltbewusstsein” vonnöten sei?
Die Aktualität Humboldts aber wird durch ungebremstes Lob und fortwährende Behauptung nicht erwiesen. Man lernt vom Vergangenen noch immer am besten durch Historisierung, in diesem Buch also etwa in Ettes Überblick zur Editionsgeschichte und seiner Kritik der Verwurstung Humboldts in ideologischer oder geschäftlicher Absicht. Der Raum, der für eine gallige Abrechnung mit Daniel Kehlmanns „Welt der Surrogate und Extrakte” geopfert wird, fehlt dann allerdings bei der doch interessanteren Analyse der Schriften. Daher bleibt es auch beim knappen Hinweis auf die Begegnung zwischen Charles Darwin und Humboldt, in dessen Todesjahr „The Origin of Species by the Means of Natural Selection” erschien. Leichthändig übergeht Ette die wissenschaftsgeschichtliche Zäsur und behauptet kurzentschlossen, „als Einzeldisziplinen querende Weltwissenschaft” sei „die Humboldtsche Wissenschaftskonzeption auch heute noch längst nicht abgegolten”. Dann verfällt er dem Kitsch unserer Tage und raunt von der „Humboldtschen Kunst des Scheiterns”, vom „Glück, keinen Gipfel zu erreichen, nirgendwo anzukommen”. Solche Sätze kann man sich gut auf Kissen gestickt vorstellen. Gewiss, Humboldt wusste, dass Kolumbus ohne Irrtümer Amerika nie entdeckt hätte, dass dieser, da er nicht nach Indien kam, auch als gescheitert gelten konnte. Aber das war doch ein Scheitern anderer Art als die Umkehr Humboldts, bevor er den Gipfel des Chimborazo erreicht hatte.
Die „Kritische Untersuchung” widmet sich vorzugsweise dem fünfzehnten Jahrhundert. Es biete „ein Interesse dar, das nur ein Höhepunkt in der Skala des Zeitenfortschrittes der menschlichen Vernunft in Anspruch zu nehmen imstande” sei. Warum? Weil sich die Welt plötzlich zu verdoppeln schien, weil „die nähere Berührung mit einer so großen Masse von neuen Gegenständen mächtige Triebfedern den Verstandeskräften darbot und fast unmerklich, Meinungen, Gesetze und staatsrechtliche Verhältnisse der Völker durchgreifenderen Veränderungen unterwarf”. Die „Erweiterung des Gesichtskreises”, die Vervielfachung der Gegenstände führte zum Fortschritt der Vernunft: die Entdeckung unbekannter Pflanzen und Tiere, die sich nicht mehr nach gewohntem Schema klassifizieren ließen; die Vielzahl der Sprachen; die neuen Gebirge.
Man spürt, dass in den Zeilen Humboldts das eigene Erstaunen nachklingt, wie er es empfand, als er 1799 in Cumaná (Venezuela) an Land ging: „Wie die Narren laufen wir bis itzt umher; in den ersten drei Tagen können wir nichts bestimmen, da man immer einen Gegenstand wegwirft, um einen Andern zu ergreifen”. Ein Hohelied des Staunens singt auch Ottmar Ette, aber es bleibt abstrakt, ohne erkennbare Neugier auf unsere eigene Zeit. Auf jeden Fall vermisst der Leser die Empirie, einen Hinweis auf die Gegenstände, an denen sich eine Lebenswissenschaft, die das Unabgegoltene aufgreift, zu bewähren hätte. Stattdessen gibt es Schlagworte. Bonpland soll in Südamerika versichert haben, dass er „von Sinnen kommen werde, wenn die Wunder nicht bald aufhören”. Wer mit solchen Augen die Gegenwart zu betrachten vermag, kann sich auf Humboldt berufen. Anderenfalls aber bleibt es bei Bescheidwisserei. JENS BISKY
OTTMAR ETTE: Alexander von Humboldt und die Globalisierung. Das Mobile des Wissens. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2009. 476 Seiten, 24,80 Euro.
ALEXANDER VON HUMBOLDT: Die Entdeckung der Neuen Welt. Nach der Übersetzung aus dem Französischen von Julius Ludwig Ideler ediert und mit einem Nachwort versehen von Ottmar Ette. Zwei Bände im Schuber. 781 Seiten, 98 Euro.
Backsteine, Montagsclub, Akademie – und fertig ist das neue Berlin am Kurischen Haff
„Bonpland versichert, dass er von Sinnen kommen werde, wenn die Wunder nicht bald aufhören”
Aus dem „unsichtbaren Atlas”: Sebastian Münster, „Die neuwen Inseln, so hinder Hispanien gegen Orient bey dem land Indie ligen”(Basel, 1561). Abbildung aus dem besprochenen Band
Am Orinoco: Das Gemälde von Eduard Ender zeigt Alexander von Humboldt und seinen Begleiter, den Botaniker Aimé Bonpland. Foto: epd/AKG
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Fährt er zur Quellensuche nach Weimar, Antwerpen und Nürnberg oder bleibt er daheim und nimmt sich zum 150. Todestag des großen Entdeckers die Neuübersetzung von Alexander von Humboldts Hauptwerk vor? Jürgen Berger kommt zu dem Schluss, dass die Versenkung in den Textband und in den Bildband die lange Reise erspart. Humboldts "erzählerischer Esprit", seine langen Beweisführungen ("kongenial" übersetzt) sowie seine Skizzen und Zeichnungen von der Forschungsreise nach Südamerika, die dem Rezensenten mal wie computertomografische Drucke, mal haarsträubend exakt erscheinen, findet Berger aufschlussreich genug. Im Textband erfährt er über Humboldts kritische Auseinandersetzung mit Kolumbus und kann beim Blättern im Bildband erkennen, um wie vieles genauer die Darstellung der Neuen Welt zu Humboldts Zeiten war - auch ohne den Lesesessel zu verlassen.

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