Marktplatzangebote
6 Angebote ab € 0,99 €
  • Gebundenes Buch

Als Buch im Buch, versteckt in einer anonym publizierten literarischen Anthologie des Jahres 1573, erschien die erste englische Novelle, The Adventures of Master F. I., deren virtuose Dialoge zwischen Verspieltheit und Strenge, höfischem Frost und seelischem Fieber oszillieren. Im Raffinement der Darstellung, in der virtuosen Beiläufigkeit und poetischen Dichte sind die Aventiuren unvergleichlich. Das bald vom Markt verschwundene Buch erschien zwei Jahre später in "gereinigter" Version unter dem Namen des Soldatendichters George Gascoigne. In der historisch-philologischen Analyse des Nachworts…mehr

Produktbeschreibung
Als Buch im Buch, versteckt in einer anonym publizierten literarischen Anthologie des Jahres 1573, erschien die erste englische Novelle, The Adventures of Master F. I., deren virtuose Dialoge zwischen Verspieltheit und Strenge, höfischem Frost und seelischem Fieber oszillieren. Im Raffinement der Darstellung, in der virtuosen Beiläufigkeit und poetischen Dichte sind die Aventiuren unvergleichlich. Das bald vom Markt verschwundene Buch erschien zwei Jahre später in "gereinigter" Version unter dem Namen des Soldatendichters George Gascoigne. In der historisch-philologischen Analyse des Nachworts entwickelt Kurt Kreiler eine Indizienkette, die auf die Autorschaft eines großen anderen schließen läßt. Danach heißt der Verfasser der Aventiuren Edward de Vere, Earl of Oxford (1550 bis 1604), der von seinen Zeitgenossen als der "Beste im Fach Komödie" gerühmt wurde und in unserer Zeit als Anwärter auf die Autorschaft Shakespeares gilt. Der Übersetzung wurde die erste Ausgabe von 1573 zugrunde gelegt.
Fortunatus Infoelix, ein galanter Ritter des 16. Jahrhunderts, weilt zu Gast in einem Schloß und verliebt sich in die Schwiegertochter des Hausherrn. Lady Elynor reizt den amourösen Belagerer durch die Doppeldeutigkeit ihres Widerstands. Die Zeremonien der Liebesverschwörung werden jäh unterbrochen, als eine zweite Frau den glücklichen Unglücklichen zum Tanz verführt. Wenn sie sich anderntags Master Infoelix als verständnisvolle Freundin andient, so nur deshalb, um sein "Liebesexperiment" geschickt zu steuern
Autorenporträt
Vere, Earl of Oxford, Edward de
Edward de Vere, geboren 1550, ist der Sproß einer alten englischen Adelsfamilie. Als kleiner Junge wächst er in einer ländlichen, später in einer höfischen Umgebung auf. Sein Vormund, der Berater der Königin und heimliche Landesvater, stellt dem Heranwachsenden ein Haus mit Bibliothek als Aufenthaltsort und die hervorragendsten Gelehrten als Lehrer zur Verfügung. Arthur Golding, Übersetzer Ovids, unterrichtet ihn in Literatur, Richard Edwards, der königliche Musik- und Schauspieldirektor, in den dramatischen Künsten. Als Lord Great Chamberlain am königlichen Hof hatte er eine wichtige Position bei Hofe inne. Der junge Earl schildert in den Adventures of Master F. I. auf subtileWeise eine höfische amour fou, bricht als Vierundzwanzigjähriger für ein Jahr nach Frankreich und Italien auf, verläßt nach derRückkehr für fünf Jahre seine junge Frau -die, fälschlicher Weise, der Untreue während seiner Abwesenheit bezichtigt wurde -, verliert nach und nach

seinen Landbesitz und wird zum Schuldner der Königin. Er wurde von seinen Zeitgenossen als der 'Beste im Fach Komödie', 'erster Orpheus', 'Taufpate der Schriftsteller, Oberaufseher der Drucker und Musterungs-Meister unzähliger Schauspielgruppen' gerühmt. 1604 stirbt er Tod, auf seinem Landsitz in London-Hackney. Heute ist er vor allem aus der Debatte um die Urheberschaft von William Shakespeares Werken bekannt. (Quelle: Kurt Kreiler, Der Mann, der Shakespeare erfand)

Hirte, Chris
Chris Hirte, geboren 1948, studierte Germanistik und Anglistik in Berlin. Heute ist er als Publizist und literarischer Übersetzer tätig.

Kreiler, Kurt
Kurt Kreiler, geboren 1950 in München, promovierter Germanist, lebt als Essayist, Herausgeber, Hörspielautor und Übersetzer in Köln.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.01.2007

Warum die Motte nicht die Kerze meidet
Kurt Kreiler ediert die elisabethanische „Fortunatus”-Novelle – und schreibt sie Edward de Vere zu, dem Earl of Oxford
Militat omnis amans – jeder Liebende leistet Kriegsdienst: Dieser Satz des Ovid bildet das Fundament so ziemlich aller Literatur über die Liebe, bevor sie im 18. Jahrhundert anfing, gefühlvoll zu werden. Dass die Liebe, statt die Welt schön und weich zu machen, im Gegenteil zu Schärfe in jeder Hinsicht zwingt, leuchtet uns, die wir (ob wir es wissen oder nicht) immer noch im tränenreichen Kielwasser des „Werther” schwimmen, nur schwer ein. Das ist die Verständnis-Schranke, mit der der heutige Leser rechnen sollte, wenn er auf ein Buch trifft wie dieses: „Fortunatus im Unglück – Die Aventiuren des Master F.I.”
Es entstammt dem elisabethanischen England. Der Held, besagter F.I. (die Initialen stehen für „Fortunatus Infoelix”) erblickt eines Tages eine Dame, zu der er sofort Neigung fasst. Wie sich ihr nähern und erklären? Am besten, man steckt ihr ein Briefchen zu, das so beginnt: „Mistress, ich ersuche Euch zu verstehen, dass ich, obwohl völlig fremd in dieser Gegend, das Glück hatte, Eurer (zu meiner nicht geringen Freude) ansichtig zu werden, zugleich aber das Unglück, mich durch die Dürftigkeit meiner Verdienste ständig in meinem Eifer zurückgeworfen zu sehen, so dass ich in Anbetracht des hiesigen Klimas bekennen muss, ich bin mitten im Frost auf Feuer gestoßen.”
Wer das gestelzt und unpersönlich findet, versteht die Regeln des Spiels nicht. Denn zu einem solchen wird hier aufgefordert, genauer, zu einem Tanz. Dessen Schrittfolge ist deswegen so starr vorgegeben, damit der Tänzer sie in jedem seiner Schritte mit Anmut erfüllt und belebt. Die Dame, auch das gehört zu den Regeln, hat mit Diskretion zu reagieren. So tut die umworbene Lady Elynor nichts weiter, als sich ein Hütlein aufzusetzen, auf dem sich zwei Bänder aus gelbem Taft überkreuzen, und dazwischen heftet sie ein kleines Billett: „Einverstanden.” Nun nimmt eine komplexe Geschichte ihren Lauf, die sich hier nicht im Einzelnen nachzeichnen lässt. Was daran einen Autor der romantisch-realistischen Schule vor allem beschäftigt hätte – nämlich dass die Lady, indem sie den Galan erhört, die Ehe bricht; und dass dieser sich an einem bestimmten Punkt dazu hinreißen lässt, die Angebetete zu vergewaltigen – trübt das höfische Vergnügen dieser Novelle nur am Rande. Die Lady ist ganz schön sauer, mehr aber auch nicht. Und natürlich kommt der unvermeidliche bärtige Witz aller älteren Novellistik auch hier zu Ehren: Der Gatte verliert auf der Jagd sein Horn? Macht nichts, das ist bestimmt nur die Mauser, das wächst schon wieder nach! Immer wieder finden sich lyrische Einlagen, von Kurt Kreiler mit Eleganz übertragen: „Ich wünsch mir, liebe Dame, dass Ihr sagt, / warum die Motte nicht die Kerze meidet / und närrisch um die heiße Flamme jagt, / worin sie endlich ihren Tod erleidet?”
Diese Gedichte nehmen beträchtlichen Raum in Anspruch und dürfen wohl als der mit Prosa gut ausgepolsterte innere Hauptzweck des Buchs gelten. Der Autor macht kein Hehl daraus, dass er sein Handwerk bei Bocaccio und Petrarca gelernt hat und stolz darauf ist, diese Dinge nun auch fürs Englische erobert zu haben. Eine „erstaunliche kleine Preziose”, wie Kreilers Nachwort zurecht bemerkt. Dass er es aber als „Sprengsatz” bezeichnen kann, hat noch mit anderen Dingen zu tun als den literarischen Qualitäten.
Das Buch treibt ein Versteckspiel damit, wer sein Verfasser sei. Ein H.W. berichtet, sein vertrauter Freund G.T. habe ihm die Geschichte des Helden F.I. zu lesen gegeben, worauf das Ganze einem A.B. zum Druck überantwortet worden sei – ganz offenbar will hier einer etwas sagen, was er nicht gesagt haben will. Als Autor galt der Philologie bisher ein gewisser George Gascoigne, ein eher derber Schwankdichter, dem aber, wie Kreiler glaubwürdig darlegt, dieses filigrane Gebilde, das innige Vertrautheit mit den Sitten des Adels voraussetzt, nie und nimmer zuzutrauen ist. Der Urheber könne nur ein Edelmann gewesen sein, der seinen guten Namen nicht durch etwas so Schillerndes wie Literatur kompromittiert sehen wollte – zumal man, wenn man es drauf anlegt, in dem Buch allerlei hochrangige Anspielungen bis hinauf zur Königin entdecken kann. Kommt einem die Konstellation bekannt vor? Mit kriminalistischer Ausdauer verfolgt Kreiler die Spur bis zu Edward de Vere, Earl of Oxford. Mühelos lasse sich dessen Name aus dem Buch als Kryptogramm erschließen. „Mühelos” ist etwas übertrieben. Aber der Leser muss schließlich zugeben, dass ein überzeugender Indizienprozess geführt worden ist. Trifft sein Befund zu, so hätte sich das überlieferte Werk dieses Autors, von dem bisher nur ein paar Gedichte sicher bekannt waren, auf einmal vervielfacht und könnte einer breit angelegten Stilkritik unterzogen werden.
Oxford aber, dieser zwielichtigste und faszinierendste aller Grafen am Hofe Königin Elisabeths, ist der aussichtsreichste Kandidat für Shakespeares Gesammelte Werke; vor kurzem erst hat die ausgezeichnete Monografie von Joseph Sobran der alten Vermutung, dass Oxford Shakespeare war, wieder frische und kräftige Nahrung gegeben.
Könnte der Fortunatus im Unglück auch von Shakespeare sein? Anderslautenden Gerüchten zum Trotz bewegt sich Shakespeares Produktion nicht durchweg auf derselben astralen Höhe. Vergleichsweise am tiefsten steht sie bei einigen der Komödien, die durch mechanische Plots und hochnäsige aristokratische Selbstreferenzialität verdrießen. Genau dort holt der Fortunatus ihn ab. BURKHARD MÜLLER
EDWARD DE VERE: Fortunatus im Unglück. Die Aventiuren des Master F.I. . Aus dem Englischen von Chris Hirte. Nachdichtungen und Nachwort von Kurt Kreiler. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2006. 258 S., 19,80 Euro.
Edward de Vere, der siebzehnte Earl of Oxford (1550-1604) Foto: Getty Images
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.01.2007

Dielen statt Daunen
Im Liebesirrgarten: Zwei Renaissanceschätze, erstmals auf Deutsch

Franzosen lieben anders. Weder in einer Kirche noch gar an einem Karfreitag, wie einst Petrarca in Avignon, sondern auf einem Frühlingsball im königlichen Schloss zu Blois ereilt den jungen Pierre de Ronsard der coup de foudre, der Blitzschlag der schicksalhaften, poesiefördernden Liebe. Dort begegnet er am 21. April 1546 der bildschönen fünfzehnjährigen Cassandre Salviati, verliert tanzend sein Herz und findet sein dichterisches Thema - die Qual und Seligkeit der Großen Passion. Trotzdem: Das übermächtige Vorbild in diesen Dingen heißt Petrarca, zumal wenn einem die pflichtschuldig abwehrende Geliebte schon bald durch eine standesgemäße Heirat entzogen wird.

Und so erscheint 1552 gleichsam als poetischer Gründungstext der französischen Renaissance der Sonettkranz "Amours de Cassandre". Den Musen "demütig als unsterbliches Buch" anempfohlen, berauscht sich dieses selbstbewusste Jugendwerk nicht nur am Taumel der eigenen Gefühle, sondern auch an den Symmetrien und Paradoxien petrarkistischer Affektrhetorik. Damit beginnt der vielseitigste Dichter seiner Epoche jene lebenslange Mission, zu der er sich mit dem Freundeskreis der Pléiade, dem Siebengestirn der neuen französischen Poesie, verschworen hat: im Wettstreit mit den vorbildlichen Schöpfungen der Antike und Italiens die Muttersprache "illuster", das heißt, literaturfähig zu machen.

Diese aus europäischer Sicht nicht ganz unwichtige Sammlung liegt nun (bloße viereinhalb Jahrhunderte nach Erscheinen) auf Deutsch in einer zweisprachigen, wohlkommentierten, von einem mutigen Kleinverlag vertriebenen Ausgabe vor, um uns daran zu erinnern, dass seinerzeit nicht nur Shakespeare lesenswerte Sonette verfasst hat. Ebenso unübersehbar wie Ronsards patriotischer Ehrgeiz, der lahmen einheimischen Poesie auf die Versfüße zu helfen, ist in diesen 230 Sonetten seine Entschlossenheit, den Sänger Lauras einzugemeinden. Das Vendômois, die reizvolle Landschaft zwischen Loir und Loire, ist in diesen Versen stärker gegenwärtig als das südfranzösische Vaucluse im "Canzoniere" Petrarcas.

Wenn die Karfreitagsbegegnung Petrarca seine eigene Liebespassion ankündigte, so verheißt der Name der trojanischen Unglücksprophetin Kassandra für Ronsards Amouren wenig Gutes. Trojanische Kriegsbilder dienen denn auch als mythologischer Hintergrund für die besondere Epik dieser langen Liebesbelagerung, die ihrem Helden und Opfer freilich keine zehn Jahre wert war. In der heroischen Analogie steckt burleske Übertreibung; solche Metaphorik spielt mit ihrer Unangemessenheit. Den nach petrarkistischer Logik unentrinnbaren Liebestod wünscht Ronsard sich in den Armen und im Schoß der Geliebten. Am Ende des Zyklus, als von einem glücklichen Ende keine Rede mehr sein kann, erteilt er dem Hofmaler François Clouet in detailreicher Beschreibung den Auftrag, die Geliebte nackt zu porträtieren - so lebensecht, dass man den Duft ihrer Haare zu riechen meint - und den Ort der verweigerten Erfüllung höchstens mit einem durchsichtigen Schleier zu verhüllen. Der entzogene Körper wird damit verbal verfügbar, und der Abgewiesene triumphiert - und rächt sich - als Dichter.

Keineswegs fehlt es dieser Liebe an leidenschaftlichen Beteuerungen ewiger Dauer: "Bis mich der Tod entadert und entsehnt (tant que la mort me dénerve et déveine), bin ich der Deine", heißt es da; mit der gleichen Drastik wird Ronsard einst seinen verfallenen Leib auf dem Totenbett visualisieren, natürlich wieder in Sonettform. Doch lange davor, bei Erscheinen seines zweiten Sonettkranzes "Amours de Marie" von 1555, muss er sich gegen den Vorwurf einer ganz und gar gattungsfremden Unbeständigkeit verteidigen. Er tut dies durch das blasphemische Argument, kein Liebender sei verpflichtet, sich ewig mit einem widerborstigen Objekt seines Begehrens abzuplagen, und versteigt sich zu der dreisten Behauptung, als Schlaukopf, der er war, habe der gute Petrarca sicher längst seine kleine Laura (sa Laurette) besessen, während er für die Außenwelt weiter Lamentos schrieb.

Ronsards Umgang mit Petrarca kann als Schulbeispiel für jenen poetischen Vatermord gelten, den Harold Bloom mit dem Schlagwort "anxiety of influence" bezeichnet hat. Auch in der Literatur ist ödipale Abhängigkeit und Rivalität ein Lebensprinzip. Ronsard hat mit seinem epochalen Erstling den Formenschatz des Petrarkismus glanzvoll nach Frankreich überführt, ihn aber mit seinem Geist des Widerspruchs erfüllt und damit die gattungstypische, bloß virtuose Wiederholung der formalen Muster vermieden.

Eine gewisse Virtuosität wird freilich dem Übersetzer solch formbewusster Wortkunst abverlangt. Georg Holzer macht es sich bei seiner Übertragung des (manchmal allzu) mühelos reimenden Renaissance-Französisch in das reimarme Deutsch besonders schwer, wenn er wie die Vorlage mit nur zwei - noch dazu reinen - Reimen in der Sonettoktave auskommen will. Bei aller bewundernden Sympathie für das heroische Unternehmen darf man die semantischen Kosten nicht ganz unterschlagen: gelegentlich schiefe Bilder, Stocken des rhetorischen Schwungs, Dämpfung des witzig-sinnlichen Übermuts, der das Markenzeichen dieser Liebesdichtung ist. Für die köstlichen "Amours de Marie" wäre dem Übersetzer, wenn es denn einen gibt, eine etwas leichtere Hand zu wünschen.

Derartige Vorbehalte gelten nicht für die zweite hier anzuzeigende Rarität. Es handelt sich um den 1573 in London erschienenen, mit allerlei Liebesgedichten und Binnenerzählungen durchsetzten Kurzroman "The Adventures of Master F.I.", der mit seiner rundum gelungenen Übertragung durch Chris Hirte (Prosa) und den Herausgeber Kurt Kreiler (Lyrik) aus der engen Obhut der Spezialisten befreit wird. Keine Frage, der Text verdient diese Verbreitung, denn er ist neben Thomas Nashes Schelmenroman "The Unfortunate Traveller" (dem längst eine deutsche Neuauflage zu wünschen wäre) das interessanteste Erzählexperiment der Shakespearezeit. Der Herausgeber nennt ihn in recht gemischter Metaphorik einen "literarischen Sprengsatz, der in den Gletscherspalten der Philologie verlorenging", und, treffender, ein "höfisches Kammerspiel".

Wieder wird ein petrarkistisch getönter Diskurs der hohen Liebe von erotischer Realistik unterspielt und in Frage gestellt. Der nur mit den Initialen seines Namens bezeichnete galante Hofmann F. I. verliebt sich auf einem Schloss in Nordengland in Elynor, die Schwiegertochter des Hausherrn, die er mit witzigen Dialogen und poetischen Liebesanträgen umwirbt, bis ihr raffiniert hinhaltender Widerstand auf dem harten Boden der Schlossgalerie endlich schwindet: "Erleichtert, dass sich ihre gutartige Natur mit Dielen statt Daunen begnügte, mit Matten statt kambrischer Laken, dem Nachtrock von F. I. statt einer Bettdecke, betrogen sie in stiller Wonne die Nacht um den Schlaf ..."

Auch bei dieser ironischen Romanze spielt der höfische Tanz eine teils reale, teils symbolische Rolle. In den Liebesreigen mischt sich eine "Freundin" Elynors, Dame Frances, ein, die im Tanz das Vertrauen des Helden gewinnt, mit heimlicher Wachsamkeit den Fortgang seiner Werbung verfolgt, um sie in ihrem Sinne zu lenken und den Liebesbund zu unterwandern - dies alles, versteht sich, in formvollendeter Manier. Als kräftige Farbtupfer innerhalb der exquisiten Pastelltöne wirken gewisse symbolhaltige Realitätspartikel: der zerrissene Brief Elynors, den F. I. mühsam zusammenstückt, ihr Nasenbluten, das er durch allerlei Hokuspokus stillt, das Schwert unter dem Nachtgewand, mit dem er zum Rendezvous kommt und das ihm später von Frances entwendet wird, die duftenden Laken, die beide Damen nacheinander auf sein Bett breiten, der Ruf des Kuckucks im Park ...

Die emotionale Intensität der Geschichte wird nicht nur durch ihre höfische Stilisierung in kunstvoller Balance gehalten, sondern dazu noch durch die Sicht eines distanzierten Erzählers verfremdet. Dieser, ein Freund der Hauptfigur, zeigt sich vor allem an F. I.s Gedichten interessiert, will die "belanglose, ungedeihliche Geschichte" nur aufgeschrieben haben, um etwas Ordnung in die Papiere seines Freundes zu bringen, und entschuldigt sich für seinen "barbarischen Prosastil". Seine kühl amüsierte Außenperspektive erweist ihn als ironischen Erzähler in der Nachfolge von Chaucer und Ariost, die sein Autor, zusammen mit vielen anderen Literaten, mehrfach anklingen lässt.

So viel höfisches und literarisches Fachwissen veranlasst den Herausgeber in seinem überlangen Nachwort, die Geschichte ihrem - in dieser Eigenschaft bisher unangefochtenen - Verfasser, dem höchst vielseitigen Autor George Gascoigne (1539 bis 1577) abzusprechen und dem Earl of Oxford zuzuschreiben, der bereits Shakespeare als Ghostwriter gedient haben soll. Wie dem Stratforder Handwerkerspross ist offenbar auch dem simplen "Soldatendichter" Gascoigne keinerlei literarische Raffinesse zuzutrauen, besonders wenn man aus der vorschnellen Gleichsetzung von Erzähler, Held und Autor schließt, der Letztere müsse partout dem schriftstellernden Hochadel angehören.

Dass Gascoigne aus guter Familie stammte, Jurist und Parlamentsmitglied war, neben der eigenen Dramenproduktion eine Komödie Ariosts übersetzt, eine Tragödie des Euripides bearbeitet hat und für die Königin als höfischer Unterhalter tätig war, tut dem kryptophilen Spürsinn der biographischen Sherlock Holmes (die derzeit auf dem elisabethanischen Tummelfeld wieder Konjunktur haben) keinen Abbruch. Am Ende des Nachwortes, das noch viele schöne Gedichtübersetzungen enthält, kommt Sigmund Freud mit seinem magistralen Urteil zu Wort, Shakespeare bringe "doch gar nichts mit für seinen Anspruch, Oxford fast alles". Da Shakespeare bei Entstehung der "Abenteuer des Master F.I." etwa acht Jahre alt war, musste sich der umtriebige Earl leider einen anderen Strohmann suchen. Ein Glück, dass Gascoigne gerade des Weges kam.

WERNER VON KOPPENFELS

Pierre de Ronsard: "Amoren für Cassandre". Französisch - Deutsch. Übersetzt von Georg Holzer. Hrsg. von Carolin Fischer. Elfenbein Verlag, Berlin 2006. 336 S., geb., 24,- [Euro].

Edward De Vere, Earl of Oxford: "Fortunatus im Unglück. Die Aventiuren des Master F.I." Aus dem Englischen übersetzt von Chris Hirte, mit Nachdichtungen und einem Nachwort von Kurt Kreiler. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2006. 259 S., geb., 19,80,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Die umstrittene Einschätzung einiger Literaturhistoriker, bei Edward de Vere (1550-1604) handle es sich um den eigentlichen Autor der Werke Shakespeares, teilt Rezensentin Stefana Sabin nicht. Sie hält den Adeligen, der sich auch als Dichter und Dramatiker betätigte, eher für einen "amüsant mittelmäßigen" Renaissancedichter. Nichtsdestoweniger begrüßt sie die vorliegende Übersetzung seiner Novelle "Die Aventiuren des Master F. I." von 1573, die der Germanist Kurt Kreiler vorgelegt hat. Sie findet in der von Liebe, Eifersucht und Verrat erzählenden Geschichte des Ritters Fortunatus Infoelix, der sich in Lady Elynor verliebt, Einflüsse von Boccaccio und Castiglione, aus der mittelalterlichen englischen Lyrik und von Chaucer. Bemerkenswert scheint ihr nicht nur der gelegentlich "distanziert ironische Ton" der Novelle, sondern auch, dass es sich bei Lady Elynor keineswegs um ein "passives Liebesobjekt" des edlen Ritters, sondern um eine aktive Mitspielerin handelt.

© Perlentaucher Medien GmbH