Der Tochter farbenprächtige Zeichnung eines Hahns erinnert die Erzählerin an ihre eigene Kinderzeit, in der auch sie einen Hahn zeichnete. Sie weiß noch gut, wie ihre Mutter und ein blinder Besucher, in dessen Gegenwart die Mutter aufblühte, weil sie sich frei bewegen konnte, sie dafür lobten. Der frömmlerische Onkel aber, vor dem die Mutter sich ängstlich verhüllte, verdammte ihre - streng islamisch genommen verbotenen - Zeichnungen lebender Wesen und verbrannte den ganzen Stapel im Hof. Wie in der Erzählung "Mein Hahn" geht es auch in den weiteren Geschichten dieses Bandes besonders um Kinder, die in kleinen, einschneidenden Erlebnissen Gewalt erfahren (und ausüben). Zariâbs poetische Erzählungen, die aus Afghanistan vor dem sowjetischen Einmarsch und aus dem französischen Exil berichten, zeigen sich liebevoll ihren Gestalten zugewandt, aber auch nüchtern und unerschrocken gegenüber der menschlichen Wirklichkeit.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Recht angetan zeigt sich Rezensent Stefan Weidner von diesen Erzählungen der in Frankreich lebenden afghanischen Autorin Spojmai Zariab. Dass die Erzählweise der Geschichten, die sich meist um Kinder drehen und Gewalt und Elend in Afghanistan thematisieren, eher "konventionell" ist, stört Weidner nicht. Auch die aus der Autorenperspektive abgegebenen Kommentierungen und moralischen Bewertungen des Geschehens fallen seines Erachtens nicht negativ ins Gewicht. Vielen afghanischen Lesern wird seines Erachtens die Lektüre dadurch erleichtert. Hier unterscheidet er Zariab deutlich von afghanischen Autoren wie Atiq Rahimi. Bei letzterem hat Weidner nämlich stets das Gefühl, dieser schreibe nur für ein westliches Publikum oder für ein paar Kabuler Intellektuelle. Ganz anders Zariab: "Authentischer", urteilt Weidner über ihre Erzählungen, sei ein "Einblick in die Herzen der Afghanen kaum denkbar".
© Perlentaucher Medien GmbH
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