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Siebzehn Weise, Repräsentanten ihrer Nation, diskutieren über Einheit und Verschiedenheit des Glaubens. Sie alle fordern, in diesem großen Toleranzgespräch, Frieden zwischen den Religionen und Verständigung der Völker.

Produktbeschreibung
Siebzehn Weise, Repräsentanten ihrer Nation, diskutieren über Einheit und Verschiedenheit des Glaubens. Sie alle fordern, in diesem großen Toleranzgespräch, Frieden zwischen den Religionen und Verständigung der Völker.
Autorenporträt
Der Benediktiner Nikolaus von Kues (1401-64), auch Cusanus genannt, war nicht nur ein herausragender Kardinal, sondern auch Philosoph, Jurist, Politiker, Mathematiker und Astronom, kurz: das Universalgenie des 15. Jahrhunderts. Seine mystische Theologie ist ein epochaler Meilenstein der Philosophiegeschichte, der in der Weisheit des Mittealters wurzelt und doch schon in die Moderne weist und so den Boden für Descartes, Spinoza, Leibniz und andere große Denker geebnet hat.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2002

Fragt ihn was, irgendwas
Nikolaus von Kues kennt die Antwort: Vernunft / Von Kurt Flasch

Am 29. Mai 1453 eroberte Sultan Mohamed II. die Stadt Konstantinopel. Der Fall der alten Kaiserstadt löste im Westen einen Schock aus, denn Byzanz galt in Europa als Ort der alten Kaisermacht, der Kultur, der feinen Lebensart und der Reliquien. Die Türken waren seit einem Jahrhundert im Vordringen; zuletzt war Byzanz nur noch eine Insel im türkischen Meer. Der Kaiser wußte, daß er Hilfe brauchte. Er war 1439 deswegen in den Westen gereist, aber seine christlichen Mitbrüder machten ihre militärische Hilfe davon abhängig, daß die Ostkirche ihre theologischen Sonderlehren aufgab, was den Theologen des Ostens nicht einleuchtete. Es gab Versöhnungsfeiern und harmonisierende Dokumente, aber es entstand weder eine dauerhafte Einigung, noch kam es zu wirksamer Militärintervention des Westens: Byzanz fiel. Vielen Lateinern gingen die Augen auf; sie sahen sich mit Recht bedroht. Und sie klagten, der Fall der Stadt sei "der zweite Tod Homers und Platons". Sie hatten seit etwa hundert Jahren die Überlegenheit der Literatur und Philosophie des antiken Griechenland entdeckt und sahen sich nun ihrer kulturellen Wurzel beraubt.

Der deutsche Kardinal Nikolaus von Kues (1401 bis 1464) war in all diese Vorgänge verwickelt. Er hatte teilgenommen an der intellektuellen und sprachlichen Öffnung des Westens für die griechischen Texte; er hatte als Diplomat den Kaiser und den Patriarchen von Byzanz nach Italien begleitet; er war als Bischof von Brixen Reichsfürst und damit in alle politischen und militärischen Folgen verstrickt. Und er war als Denker herausgefordert. Die Vielzahl der Religionen hatte ihn früh beschäftigt; aber jetzt erhielt das Interesse am Islam politische und militärische Brisanz, zumal in der römischen Kirchenleitung der Gedanke an einen Präventivkrieg gegen die Türken Boden gewann. In dieser Situation schrieb er sein Buch über den Frieden im Glauben. Es ist ein philosophischer Programmentwurf für den ewigen Frieden.

Cusanus gibt ihm die schöne anschauliche Form einer Philosophenversammlung, in der sich Vertreter der zerstrittenen Religionen versammeln, über das Wesen der Religion nachdenken und entdecken, daß es nur eine Religion gibt, daß die bestehenden Differenzen also nur die Formeln und Gebräuche betreffen. Das Philosophenkonzil erbringt als Ergebnis: Es gibt nur eine einzige Religion in der Verschiedenheit der Riten. Es kann keinen religiösen Anlaß für Kriege geben.

Die eine wahre Religion ist demnach weder der Islam noch die westliche Kirche. Die Wahrheit ist in ihnen beiden, allerdings war Cusanus der Ansicht, die Vernunft könne Einsicht gewinnen in die spezifisch christlichen Inhalte, also in die Lehre von der Dreieinigkeit und der Menschwerdung Gottes. Deswegen ließ er die Diskutanten seiner utopischen Versammlung zu einer Art aufgeklärtem, fast freimaurerischem Christentum gelangen. Sein Vernunfttraum konnte weder die Theologen überzeugen, daß ihre Dogmen und Zeremonien nur äußere Riten seien, noch konnte er die Militärs von einem Kreuzzug abhalten. Dennoch bleibt sein nobler Versuch argumentierender Verständigung ein eindrucksvolles Dokument.

Dieses Werk gehört in die Vorgeschichte der Toleranz; kein Geringerer als Lessing hat seine Übersetzung ins Deutsche gefördert. Der Heidelberger Theologe Klaus Berger und die Übersetzungsspezialistin Christiane Nord legen nun eine neue Übersetzung mit dem lateinischen Text der bei Meiner erscheinenden kritischen Ausgabe vor. Ein informatives Vorwort unterrichtet über Anlaß und Zielsetzung der Schrift. Es klärt darüber auf, daß Cusanus kein Drehbuch für wirkliche Verhandlungen schreiben wollte; es markiert die Grenzen des Cusanischen Versuchs und arbeitet seine Aktualität heraus, vielleicht bleibt es darin etwas zu kurz und vage. Es zeigt: Die in den Religionen vorausgesetzte und gesuchte Wahrheit "ist weder definierbar, noch ist sie mit den Dogmen der katholischen Kirche identisch. Sie ist nur zu schauen, und zwar in der Vernunfteinsicht."

Der Übersetzung läßt sich nachrühmen, daß sie sich die nötige Selbständigkeit nimmt; sie klingt klar und verständlich. Einige wichtige Punkte freilich verfehlt sie. "Ignorantia" heißt natürlich nicht "Dummheit", sondern "Unwissen" oder "Nicht-Wissen". Es handelt sich um einen Grundbegriff des Cusanus, der etwas mehr Sorgfalt verdient hätte. Dagegen ist es nur eine Kleinigkeit, daß die Übersetzung, die auf ihre Kohärenz viel gibt, dann auch das Wort "Akzidens" konsequent falsch schreibt. Doch, alles in allem, eine lobenswerte Arbeit an einem wichtigen Text. Freunde und Feinde aller bestehenden Religionen werden ihn mit Gewinn lesen. Das sind Cusanische Weihnachtsgedanken in moderat modernem Deutsch. Um daraus noch eine Probe zu geben: "Nun ist es typisch menschlich, daß man eine alte Gewohnheit, die einem in Fleisch und Blut übergegangen ist, für die Wahrheit hält und sie entsprechend verteidigt. Nicht wenige Konflikte entstehen dadurch, daß eine Gemeinschaft ihren Glauben für besser hält als den der anderen."

Nikolaus von Kues: "Vom Frieden zwischen den Religionen". Lateinisch / deutsch. Hrsg. und übersetzt von Klaus Berger und Christiane Nord. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2002. 151 S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Acht Jahre liegen zwischen beiden Büchern "Vom Frieden zwischen den Religionen" und den "Philosophisch-theologischen Werken", berichtet Otto Kallscheuer, acht Jahre, die Cusanus' Sichtweise auf Rom, Byzanz und den drohenden "Türkenkreuzzug" verändert hätten. Nikolaus von Kues' Lesart des Korans sei in den späteren Schriften weniger freundlich ausgefallen, meint Kallscheuer. Der Rezensent stellt Nikolaus von Kues alias Nikolaus Cusanus, wie er in Italien hieß, als politischen Intellektuellen und Reformer des 15. Jahrhunderts vor, ein Humanist und undogmatischer Denker, der, wie Kallscheuer schreibt, Mathematik und Philosophie, Theologie und Welterforschung "noch in einer negativen Dialektik" zusammenbringen konnte; so ungewöhnliche Wege sein Denken auch beschreiten mochte, so handelte er doch "durch und durch katholisch", fasst Kallscheuer zusammen. Nur eine Reform der kirchlichen Institutionen bei gleichzeitiger Ausweitung des Kirchenstaates Richtung Osten sei für den Realpolitiker denkbar gewesen. "Vom Frieden zwischen den Religionen" stellt für Kallscheuer eher einen Abgesang auf eine misslungene "Osterweiterung" dar, ein sokratischer Dialog mit einem sehr platonischen Christus, bemerkt der Rezensent, der Kraft des Wortes zu überzeugen habe. Ein Religionsgespräch, ein Dialog im heutigen Sinne könne man dies wohl kaum nennen. Sehr lesenswert, lobt der Rezensent und bekrittelt die Übertragung in ein "vielleicht allzu aktuelles Deutsch".

© Perlentaucher Medien GmbH
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