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Deutschland im Spätherbst: Während seines morgendlichen Laufs über die Deiche entdeckt ein Jogger einen brutalen Mord. Das Opfer, so stellt sich heraus, ist ein ehemaliges RAF-Mitglied. Bei den ermittelnden Beamten treffen zwei Menschen mit ganz unterschiedlichen Biographien aufeinander: Anton Glauberg, ein schweigsamer Vierzigjähriger, dessen Ehe gerade in die Brüche zu gehen droht, und die zehn Jahre jüngere, in Ost-Berlin aufgewachsene BKA-Beamtin Paula Reinhardt. Bei der Suche nach der Wahrheit, so wird bald deutlich, geht es nicht nur um Indizien, sondern um unterschiedliche Erfahrungen.…mehr

Produktbeschreibung
Deutschland im Spätherbst: Während seines morgendlichen Laufs über die Deiche entdeckt ein Jogger einen brutalen Mord. Das Opfer, so stellt sich heraus, ist ein ehemaliges RAF-Mitglied.
Bei den ermittelnden Beamten treffen zwei Menschen mit ganz unterschiedlichen Biographien aufeinander: Anton Glauberg, ein schweigsamer Vierzigjähriger, dessen Ehe gerade in die Brüche zu gehen droht, und die zehn Jahre jüngere, in Ost-Berlin aufgewachsene BKA-Beamtin Paula Reinhardt. Bei der Suche nach der Wahrheit, so wird bald deutlich, geht es nicht nur um Indizien, sondern um unterschiedliche Erfahrungen. Für die einstige DDR-Bürgerin Paula Reinhardt ist der RAF-Terrorismus in doppelter Hinsicht verwerflich, als zynische Form der Kriminalität sowie als Resultat einer Ideologie, unter der sie hat leiden müssen. Je nach östlichem oder westlichem, historischem oder heutigem Standpunkt, ändert sich das Bild aus Verfehlung und Schuld, das sich allmählich ergibt. Wie seine Hauptfigur Anton Glauberg ist Ulrich Woelk ein Meister der genauen Beobachtung, der seine Umgebung analysiert und deutet. Und wie viele Aspekte der Fall auch immer haben mag - am Ende kann es nur einen Täter geben. Die letzte Vorstellung ist ein hochkarätiger gesellschaftspolitischer Roman, der die Fragen nach Gewalt, politischer Macht und Verantwortung neu stellt.
Autorenporträt
Ulrich Woelk, geb. 1960 in Bonn, studierte in Tübingen Physik. 1991 promovierte er an der Technischen Universität in Berlin. Bis 1995 war er am dortigen Institut für Astronomie und Astrophysik als theoretischer Astrophysiker mit dem Spezialgebiet Doppelsterne tätig. Heute lebt der freie Schriftsteller in Berlin, ist verheiratet und hat eine Tochter.
Rezensionen
Ein Mord mit Hintergrundmusik
Wie jeden Morgen läuft Arnold Gnaatz, der Pfarrer eines Dorfes an der deutsch-dänischen Grenze, seine Runde. Vor einem Backsteinhaus liegt ein Stapel Zeitungen, drinnen spielt Musik, die Arie der Königin der Nacht aus Mozarts Zauberflöte. Gnaatz zögert, dann tritt er ein. Da entdeckt er einen etwa 50jährigen Mann, der mit einem Schuss brutal hingerichtet worden war. Noch immer spielt die Musik, die Arie, in der es heißt: "Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen."
Ein Ermordeter und seine Ermittler
Diese Arie, sie muss eine Botschaft sein, denkt Anton Glauberg, der ermittelnde Kriminalbeamte. Glauberg ist in den Fall stärker involviert, als ihm lieb sein kann, denn der ermordete Hans Jacobi war sein Halbbruder. Die beiden kannten sich kaum, sie hatten sich wenig zu sagen. Während Anton auf der Seite der Gerechtigkeit und des Gesetzes steht, gehörte Hans zur RAF. In den späten 70er Jahren setzte er sich in die DDR ab. Nach dem Fall der Mauer wurde er für seine Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt, sagte über die RAF aus und konnte sich nach eineinhalb Jahren Haft unter dem Familiennamen seiner Mutter hier niederlassen.
Sofort schaltet sich das BKA ein; Paula Reinhardt, eine junge, energische Beamtin aus der Ex-DDR, führt die Ermittlungen. Die erste Spur führt nach Berlin, das ehemalige Zentrum der RAF-Szene.
Deutsche Lebensläufe
Was wusste Hans Wolgast alias Hans Jacobi? Was konnte den Leuten aus der Szene jetzt noch schaden? Bei ihren Nachforschungen treffen die beiden Ermittler stoßen auf typisch deutsche Lebensläufe. Veith Seewald und ein Journalist, zwei 68er, mit denen Hans in Berlin in einer WG gelebt hatte, zählen heute zum Establishment und verstehen es, mit ihrer Vergangenheit zu Kasse machen, z.B. mit einer Reportage über Ex-RAFler. Wenige Tage vor dem Mord an Hans Jacobi waren sie bei ihm...
Paula Reinhardt und Anton Glauberg befragen auch Hans´ Ex-Frau aus seiner DDR-Zeit, die ihren Mann für die Stasi bespitzelte, und ihren Führungsoffizier.
Bei ihrer Arbeit kommen sich die spröde Paula und Anton, der unter der Trennung von seiner Frau leidet, auch persönlich ein wenig näher. Beide spielen nicht mit offenen Karten; erst nach einiger Zeit verrät Anton, dass der Ermordete sein Halbbruder war. Doch Paula wusste längst Bescheid. Über ihre Familie gibt sie fast nichts preis.
Späte Rache
Wie bei seinem Roman Rückspiel hat Ulrich Woelk mit Die letzte Vorstellung einen Zeitroman verfasst. Was ist Gerechtigkeit, was ist Recht? Immer wieder diskutieren Paula und Anton ihre Standpunkte, die sie an ihren Erfahrungen in der jeweiligen Gesellschaft festmachen. Dass dabei jeder den anderen für verdächtig hält, gibt diesem Krimi, der bis zum Schluss ungeheuer spannend bleibt, seinen ganz besonderen Reiz. (Birgit Kuhn)
"... scharf wie Regieanweisungen, ohne jedes überflüssige Wort, meisterlich einfühlsam." (Frankfurter Neue Presse über Ulrich Woelk)
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.10.2002

Der Halbbruder des Toten vom Deich
Stimmenteppich im Schieferfoyer: Ulrich Woelks Liebes-Gesellschafts-Berlin- Roman-Krimi „Die letzte Vorstellung”
Die neue Lesbarkeit – das war die Forderung der neunziger Jahre: Deutsche Autoren sollten endlich im Stil des amerikanischen Realismus (oder was man dafür hielt) schreiben: flott, verständlich und doch mit (sozialkritischem) Anspruch. Anstelle teutonischen Tiefsinns wurde urbane Gewandtheit gefordert. Ein Produkt dieser Schule der Geläufigkeit ist Ulrich Woelks Roman „Die letzte Vorstellung”. Hier werden keine Hürden für den Leser aufgebaut, keine verschlungenen Pfade beschritten, hier geht’s vom Anfang bis zum Ende zur Sache: Alles in einem – Berlin- und Gesellschaftsroman, Krimi und Liebesroman – soll sein Buch sein, ein buntes Panorama von den siebziger Jahren bis heute.
Schon braust das BKA heran
Mit einem Knalleffekt beginnt es: Irgendwo in Nordfriesland joggt ein Pfarrer über den Deich und gelangt zu einem abseits gelegenen Bauernhof. Da ihm irgendetwas seltsam vorkommt, schaut er mal kurz rein ins Haus – und sieht einen Mann, der an einen Stuhl gefesselt und durch einen Kopfschuss getötet worden ist. Das übliche „Tatort”-Szenario wird aufgebaut, der wortkarge nordfriesische Kommissar tritt auf den Plan und wie’s der Zufall so will, der in diesem Roman die heimliche Hauptrolle spielt, braust auch schon das BKA in Gestalt einer herben Kommissarin heran. Die Frage „Wer war’s?” kann gestellt, Kommissarin und Kommissar können zusammengeführt werden: Andreas Glauberg, der vierzigjährige, von Frau und Kind getrennt lebende Gerechtigkeitsfanatiker und die dreißigjährige Karrieristin Paula Reinhardt – er aus dem Westen, sie aus dem Osten – werden ein Paar, das sich durch einen wahren Dschungel von politischen Verschwörungen und dunklen Geschäften schlagen muss und auf seinem Weg eine Unzahl von Lebenslügen aufdeckt.
Sowohl bei den Schauplätzen wie bei den Personen scheut Woelk keinen Aufwand: Vom Deich führt der Weg der beiden Kriminalisten umstandslos in die große Stadt Berlin. Hier fühlt sich der Erzähler Woelk zu Hause. Wie bereits in seinem Roman „Liebespaare” inszeniert er hingebungsvoll die nächtliche Stadt: regennasse Straßen, auf denen der Strom der Autos fließt, verwischte Lichter, eilende Menschen, diffuser Lärm. Diese impressionistischen Momentaufnahmen einer dunklen und kalten Stadt, in der die Konturen sich auflösen und nichts sicher zu sein scheint, zählen zu den Stärken von Woelks Buch.
Wenn er allerdings von konkreten Sachverhalten und Menschen erzählt, neigt er zu groben Strichen, arger Typisierung und einer allzu flotten Sprache. Da „trägt die Kommissarin eine Jeansjacke, die sie nicht ausgezogen hatte”, in der Oper verbreitet „der Schieferboden im Foyer den Eindruck intellektueller Kälte”, und in der Kneipe vermischen sich „die Gespräche im Raum zu jenem Stimmenteppich, wie man ihn von Restaurants kennt”.
Der Spitzel und sein Stehsatz
Woelk lässt nichts aus: die RAF spielt eine Rolle, die Wohngemeinschaften der siebziger Jahre, die Stasi. Und wenn schon nicht der Treuhand die Rolle des institutionalisierten Bösen zugeteilt wird, dann muss eine „Kreditanstalt für teilungsbedingte Sonderaufgaben” her, die zu Zeiten des Kalten Krieges schmutziges (West-)Geld im Osten gewaschen hat. Ein ehemaliger Stasi-Oberst, der nach der Wende zum erfolgreichen Kapitalisten geworden ist, tritt „mit einem breitlippigen Lächeln” auf und zeigt sich als solider Vertreter einer Funktionselite, die immer zu den Siegern der Geschichte gehört. Ein alt gewordener Autonomer, der als Spitzel arbeitet, kann mühelos aus seinem Stehsatz rezitieren: „In den Großstädten zeigt das Kapital seine hässliche Fratze...”. Da dürfen denn auch der zynische Alt-68er und der windschnittige Zeitgeist-Journalist nicht fehlen. Verlässlich tauchen sie auf und verhalten sich so, wie’s von ihnen zu erwarten ist.
Seine Figuren scheinen Woelk eher weniger zu interessieren, stattdessen sorgt er für allerlei Verwicklungen und Komplikationen, ohne dabei auf Wahrscheinlichkeit, psychologische Glaubwürdigkeit oder andere Forderungen nicht nur des „amerikanischen” Realismus Rücksicht zu nehmen. Und so ist der Tote ein ehemaliger Terrorist, der in den achtziger Jahren in der DDR überwintert, dann mit dem BKA einen Deal gemacht und sich schließlich in sein Bauernhaus zurückgezogen hat. Kommissar Glauberg ist der Halbbruder des Toten, Kommissarin Reinhardt im weiteren Sinne ein Opfer des Ex-Terroristen. Nach allerlei Volten kommt’s dann heraus: die Kommissarin selbst hat den Mord in einem kalkulierten Akt der Rache begangen.
So einen Plot und wie man den langen Weg zur Schlusspointe mit Klischees und Floskeln pflastert, lernt man wohl nur in der höheren Schule der Geläufigkeit.
CLAUS-ULRICH BIELEFELD
ULRICH WOELK: Die letzte Vorstellung. Roman. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2002. 304 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der neue Roman von Ulrich Woelk entspricht so ganz und gar den Forderungen an die neudeutsche Literatur der neunziger Jahre, nämlich Bücher "flott, verständlich" und mit "sozialkritischem Anspruch" zu verfassen, denkt Claus-Ulrich Bielefeld. "Die letzte Vorstellung" sei einfach alles: Berlin- und Gesellschaftsroman, Krimi und Liebesgeschichte, dazu noch ein "buntes Panorama von den Siebzigern bis heute". Das klingt wie ein kleines Wunder, ist es aber nicht, meint der Rezensent. Denn dem ist der ganze Roman zu bunt, zu floskel- und klischeehaft. Kurz zum Inhalt: Ein nordfriesischer Pfarrer entdeckt eine Leiche, während der Ermittlungen schalten sich das BKA, ein Kommissar aus dem Westen und eine Kommissarin aus dem Osten ein. Es entspinnt sich eine Liebes- und eine Politgeschichte, die denn auch direkt nach Berlin führt, erzählt der Rezensent. Die Berlin-Szenen hält er denn auch für die Stärken des Romans. Da merke man sofort, dass der Autor in Berlin zu Hause sei. "Hingebungsvoll" zelebriere Woelk Berlin bei Nacht und präsentiere "Momentaufnahmen einer dunklen und kalten Stadt", schwärmt Bielefeld dann doch noch ein bisschen.

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