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Ein Kind noch, 16 Jahre alt, wird Janek Bilinski von deutschen Soldaten aufgegriffen und als Zwangsarbeiter verschleppt. Er ist stark, er hat Glück, und nach Kriegsende kann er sein Leben noch einmal neu beginnen. Wie schwer es war, ins Leben zurückzufinden, daran erinnert sich Bilinski jetzt, als alter Mann, da er dem Tod entgegengeht. Um die Angst und den Schmerz zu bannen, beginnt er seine Geschichte zu erzählen. Von seiner Liebe zu Paula, die ihn am Leben hielt und die nicht sein durfte, von Agota und schließlich von Hannah, die seine Augen hat und die nichts von ihm weiß. In einer klaren,…mehr

Produktbeschreibung
Ein Kind noch, 16 Jahre alt, wird Janek Bilinski von deutschen Soldaten aufgegriffen und als Zwangsarbeiter verschleppt. Er ist stark, er hat Glück, und nach Kriegsende kann er sein Leben noch einmal neu beginnen. Wie schwer es war, ins Leben zurückzufinden, daran erinnert sich Bilinski jetzt, als alter Mann, da er dem Tod entgegengeht. Um die Angst und den Schmerz zu bannen, beginnt er seine Geschichte zu erzählen. Von seiner Liebe zu Paula, die ihn am Leben hielt und die nicht sein durfte, von Agota und schließlich von Hannah, die seine Augen hat und die nichts von ihm weiß. In einer klaren, fast nüchternen Sprache erzählt Sandra Hoffmann eine zutiefst berührende Geschichte.
Autorenporträt
Sandra Hoffmann, 1967 geboren, lebt als freie Schriftstellerin in München. Sie unterrichtet kreatives & literarisches Schreiben u.a. für das Literaturhaus München und an Universitäten. Außerdem schreibt sie für das Radio und für Zeitungen. Und sie surft. Für ihren Roman Was ihm fehlen wird, wenn er tot ist (Hanser Berlin, 2012) erhielt sie den Thaddäus-Troll-Preis, für ihren letzten Roman Paula (Hanser Berlin, 2019) den Hans-Fallada-Preis. Das Leben spielt hier ist ihr erstes Jugendbuch (Hanser, 2019).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Um die deutsche Geschichte geht es in Sandra Hoffmanns viertem Roman, verrät Cornelia Geißler, geborgen aus der verschütteten Erinnerung eines sehr alten Mannes. Dieser Mann, Bilinski mit Namen, lebt im Hospiz und lässt, den Tod vor Augen, seine Lebensgeschichte noch einmal Revue passieren, wobei ihm die Krankenpflegerin Marita eine treue Zuhörerin ist, wie wir erfahren. "Ein Kunststück" findet die Rezensentin, wie es Hoffmann gelingt, der Mühsal des Alters und der klinischen Situation des Hospizes nach und nach die Beklemmung zu nehmen und den Leser von dort aus in die Vergangenheit zu führen, in Bilinskis Jugend in Polen, das Auseinanderreißen der Familie durch die Nazis, die Zwangsarbeit und das Leben nach dem Krieg. "Es lohnt sich, diese Autorin zu entdecken", so Geißlers Fazit.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.07.2012

Der Tod lässt sich nicht proben

Wie schwer ist es zu sterben, wenn man so sehr ums Überleben gekämpft hat? Sandra Hoffmann verwebt in ihrem Roman "Was ihm fehlen wird, wenn er tot ist" die Erinnerungen eines ehemaligen Zwangsarbeiters mit der Gegenwart.

Immer, wenn die Bilder im Kopf näherrücken, zieht es auch in der Magengegend. Dann liegt Janek schwach und krank in seinem Bett im Hospiz und kann sich nicht wehren gegen die quälenden Erinnerungen einer fernen Vergangenheit. Die Schmerzen seines alten Körpers fließen mit den Wunden von einst ineinander. Manchmal erinnert er sich aber auch, um sich seiner selbst zu vergewissern. Denn solange er an etwas denken kann, ist er von dieser Welt. Damals im Krieg, Janek war gerade sechzehn, hatte man ihm alles genommen. Die Eltern und die Schwester hatten deutsche Soldaten getötet, und seinen geliebten Hund Izy, dem die Soldaten das Rückgrat gebrochen hatten, musste er sogar selbst erschießen. "Nie spürt man die Stille besser als nach dem mutwilligen Tod eines Tieres", flüstert Janek der Hospizschwester Marita zu, der er seine Gedanken anvertraut.

"Was ihm fehlen wird, wenn er tot ist" ist Sandra Hoffmanns vierter Roman und zugleich der belletristische Auftakt des neu gegründeten Hanser Berlin Verlags. Darin erzählt Hoffmann die Geschichte des polnischen Zwangsarbeiters Janek Biliñski, der als Kind in seiner Heimat von deutschen Soldaten aufgegriffen und zur Zwangsarbeit auf einen Bauernhof nach Schwaben verschleppt wird. Weil er Glück hat und bei Leo strandet, einem Bauern mit Herz und Verstand, überlebt der polnische Junge. Als der Krieg vorüber ist, wird Janek schließlich von seinem Onkel Stani aufgenommen, der als Einziger der Familie überlebt hat. Durch ihn erhält Janek die Chance, sein Leben, das fast schon zu Ende war, noch einmal zu beginnen. Janek geht zur Schule, er wird Architekt und gründet eine Familie.

Sandra Hoffmann beweist in dieser kleinen, klugen Erzählung kompositorisches Geschick. Sie schreibt Janeks Geschichte zwar nicht als Ich-Erzählung, kommt seiner Perspektive bisweilen jedoch schmerzhaft nah. Gesprächs- und Erinnerungsfetzen aus der Gegenwart und der Vergangenheit fließen in der Rede des Alten ansatzlos ineinander wie Gedanken im Kopf. Diesem Strom der Erinnerung, geschrieben in einer konzentrierten, klaren Sprache, kann sich der Leser nur schwerlich entziehen.

Schon vor Erscheinen mit dem Thaddäus-Troll-Preis gewürdigt, prägt vor allem diese Erzähltechnik des erinnernden Gedankenstroms den Roman. Dabei hat Sandra Hoffmann sich darin schon erprobt, etwa in ihrer Erzählung "Liebesgut", in der eine Frau dem Glück einer verlorenen Liebe nachhängt. Ähnlich wie Janek, dessen Erinnerungen sich bruchstückhaft in den Krankenhausalltag schieben, verlebt auch die verlassene Geliebte ihre Tage, während sie in Gedanken ganz woanders ist. Dabei ist Sandra Hoffmann keine Autorin vieler Worte. Keiner ihrer Romane ist länger als zweihundert Seiten, und auch "Was ihm fehlen wird, wenn er tot ist" endet auf Seite hundertzweiundsiebzig. So knapp geschrieben, so suggestiv ist die Wirkung der Rückschau des polnischen Zwangsarbeiters. Wie im Kammerspiel lässt Sandra Hoffmann keine weitere Personen zu, keine andere Stimme oder Perspektive. Dass der alte kranke Mann dabei ein unzuverlässiger Erzähler ist, versteht sich von selbst, sich selbst und seiner Schwester gegenüber aufrichtig ist er im Angesicht des Todes jedoch allemal.

So erzählt Janek von seiner Verschleppung und der Gefangenschaft, wie er sich verbotenerweise in die Bauerntochter Paula verliebte und spät eine Tochter namens Hannah fand, die seine Augen hatte und doch nichts von ihm wusste. Marita, die Hilfsschwester im Hospiz, stellt zwar selten die richtigen Fragen, wie Janek ihr einmal vorwirft, versteht sich dafür aber umso besser auf die Kunst des Zuhörens. Wenn ihre Nachtschicht beginnt, erzählt der alte Mann am Tropf, der immer stärkere Schmerzmittel braucht, immer mehr, um sich die Angst und die Schmerzen zu vertreiben. Wenn gar nichts mehr hilft, greift er zu seinem Blumenbuch, blättert in den Pflanzenkarten und liest die Blütenpflanzen-Enzyklopädie.

Das Pflanzenbuch hat ihn schon über die Gefangenschaft gerettet. "Er denkt die Pflanzen", heißt es an einer Stelle, "er sieht sie nicht, er kennt das, es sind Wörter gegen die Angst, es ist eine ganze Stoffsammlung." Was Janek fehlen wird, wenn er tot ist, weiß er also schon ziemlich genau: die Stimme der Schwester mit dem wippenden Pferdeschwanz, die Kondensstreifen am Himmel, bestrahlt von der Sonne, und die Farben der Blumen, ihre filigranen Blüten und Blätter. Womöglich weiß er das, weil er den Moment des Sterbens schon so oft geprobt hat.

SANDRA KEGEL

Sandra Hoffmann: "Was ihm fehlen wird, wenn er tot ist". Roman.

Hanser Berlin Verlag, Berlin 2012. 176 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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