Marktplatzangebote
5 Angebote ab € 5,55 €
  • Gebundenes Buch

In diesem Buch darf, ja muss, gefragt werden. Nicht nach Gott, dem Herrn, sondern nach einer Dame Gott. Keine Frau, kein Bild, sondern ein unvorstellbares weibliches Wesen, dessen Erscheinen begleitet wird von Frauenfiguren aus vielen Mythologien und Zeiten. Die Poesie Paul Wührs bringt deren Rollen zwischen höchster Obszönität und tiefster Hingabe ins Spiel, und sie liefert damit den Entwurf eines göttlichen Gegenübers, der weit über jede Theologie hinausgeht. Wenn wir sterben müssen, weil wir leben, darf es keine Untertanen geben. Ein grandioser poetischer Entwurf gegen alle Hierarchien.

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
In diesem Buch darf, ja muss, gefragt werden. Nicht nach Gott, dem Herrn, sondern nach einer Dame Gott. Keine Frau, kein Bild, sondern ein unvorstellbares weibliches Wesen, dessen Erscheinen begleitet wird von Frauenfiguren aus vielen Mythologien und Zeiten. Die Poesie Paul Wührs bringt deren Rollen zwischen höchster Obszönität und tiefster Hingabe ins Spiel, und sie liefert damit den Entwurf eines göttlichen Gegenübers, der weit über jede Theologie hinausgeht. Wenn wir sterben müssen, weil wir leben, darf es keine Untertanen geben. Ein grandioser poetischer Entwurf gegen alle Hierarchien.
Autorenporträt
Paul Wühr, 1927 in München geboren, machte nach Kriegsende das Abitur und eine Ausbildung zum Volksschullehrer. 1949-1983 war er als Volksschullehrer in München-Gräfelfing tätig. Wühr, der zuletzt in Passignano in Italien lebte, starb 2016. Seine Werke wurden mit diversen Preisen ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.08.2007

Das unausstehlich Richtige
Paul Wühr stellt auch in seinen neuen Gedichten Ob-Fragen
Der Dichter Paul Wühr hat, seiner nunmehr achtzig Jahre zum Trotz, immer noch Großes vor: „Ich will, dass alles, was gesagt wird, ins Wackeln kommt”, sagte er neulich in einem Interview. Dennoch riskiert er am Ende seines neuen großen philosophisch-theologisch-poetischen Kompendiums „Dame Gott” so etwas wie ein letztes Wort: „Gott wie er uns in dieser Dame / begegnet in sein Glied mit / dem unseren // dringen wir ein das Fleisch / kann gelesen werden ein / jedes Stück // erklärt uns das Ganze ist / Glück”. Gott ist bei ihm weiblich geworden, weil es eine andere metaphysische Großmacht, die Erotik, braucht, um ihn ins Wackeln zu bringen. Denn gegen Gott hilft nur wieder Gott, als „Dame Gott” durch die Jahrtausende immer wieder neu inkarniert in Fleisch und Bein. Paul Wührs jüngster Gedichtband mit eben diesem Titel ist ein grund-erotisches Buch.
Warum muss alles wackeln? Weil das Richtige unausstehlich werden kann. Diese Erfahrung ist bei Paul Wühr zur Altersweisheit mutiert und hält seine Dichtung jung. Daher verwendet er gerne Ob-Sätze. In einem Ob-Satz kann nichts Richtiges, aber auch nichts Falsches gesagt werden. Aber die Spannung zwischen beidem bleibt ungelöst. So ist das „Ob. . .” sein Emblem geworden. Wie kaum einen andern treibt ihn die Ungewissheit um, die Ungewissheit des Wahren und die Ungewissheit des Falschen. Mit Händen und Füßen wehrt er sich dagegen, ein „richtiger Falscher” zu werden, denn da wäre er denn doch etwas Richtiges! Dieses „Ob. . .”, das in ungezählten Gedichten Paul Wührs gleichzeitig als Titel und als erstes Wort fungiert, trifft so genau seinen innersten Antrieb zum Dichten, dass man es als geniale poetische Entdeckung rühmen muss. Es leitet eine indirekte Frage ein – aber die fragende Instanz, die sich in einem Hauptsatz zu identifizieren hätte, glänzt durch Abwesenheit. Indirekte Fragen verlangen scheinbar nichts vom Hörer oder Leser. Aber sie beunruhigen ihn, und nicht selten stimulieren und provozieren sie bei ihm umso direktere Antworten.
Vor ein paar Jahren hat Paul Wühr unter dem Titel „An und Für” einen Strauß von Gelegenheitsgedichten veröffentlicht. Der Titel arbeitet so ähnlich wie das „ob. . .”. Er evoziert mit seiner Leerstelle am Schluss die aus hohen philosophischen Sphären abgestürzte Redensart „an und für (sich)” – darf man sie ins Wackeln bringen und maliziös verstehen, dass der Dichter diese Texte schließlich auch „an und für sich” selbst geschrieben hat? Die Adressaten, die da in alphabetischer Reihenfolge vor unser inneres Auge treten, bilden so etwas wie eine virtuelle Geburtstagsparty. In etwa der Hälfte der Gedichte obwaltet auch hier dieses „ob. . .”. Wenige Namen der geladenen Gäste gehören Kollegen und einer Kollegin aus ferner Vergangenheit: die Günderode und Hamann, Kafka, Lessing, Mörike, Nietzsche, Novalis, Thoma; die anderen sechsundzwanzig sind oder waren des Dichters und unsere Zeitgenossen.
Die Musterung dieser kleinen Gesellschaft lässt vor dem Auge der Leser ein poetisches Netz von Beziehungen, eine gesellschaftliche Realität erstehen. Es ist dabei gar nicht zu vermeiden, dass alle diese Gedichte an, für, über andere an einem Denkmal des einen bauen, der sie geschrieben und veröffentlicht hat. Paul Wühr sagt nicht ohne Emphase: „Der Mensch ist am wenigsten er selbst, wenn er in eigener Person spricht.” Ist er es mehr, wenn er für andere Personen spricht? „Alles Identische scheut die Poesie”, führt er aus, und das scheint sich manchmal zu erweisen, wenn der freundliche Dichter nicht nur auf die Poesie, sondern auch auf die Menschen Rücksicht nehmen möchte: „gut ist wenn / Wissenschaft und / die Poesie sich so nahe / kommen wie / es bei uns der Fall ist.” Täuschen wir uns, wenn wir den Eindruck haben, dass uns die Poesie hier jedenfalls einmal nicht nahegekommen ist? Der Gemeinte ist der Germanist Volker Hoffmann. Das erste kleine Gedicht über denselben ist dagegen wohl gerade deswegen so gelungen, weil der Dichter, selbstbewusst und schüchtern zugleich, tatsächlich ganz in eigener Person spricht: „Ob / ich vielleicht deshalb / so aufmerksam / zuhörte . . . wenn Volker / Hoffmann / zu mir kam weil ich / immer wieder / einmal fragen werde ob er / da eine Mitschuld / an meinem hier darf ich doch / Werk sagen / tragen will wer weiß das / so genau”.
Mehrere der hier zusammengestellten Gedichte wurden bereits früher gedruckt, besonders in den „Paul Wühr Jahrbüchern”. Sie wirken dort als eben das, was sie zuerst einmal sind: Gelegenheitsproduktionen „aus gegebenem Anlass”. Die Zusammenstellung in einem Bändchen mit dem Untertitel „Gedichte” ändert die Perspektive. Manches hübsche Aperçu, manche humorvolle Skizze verliert in einem gediegenen Einband ihre Flüchtigkeit und damit eine wesentliche Qualität: dass Peter Handke ihm Wein über seinen neuen Anzug gegossen hat („Für Hubert Burda”), dass aus dem Konditor Paul Buchner ein Buchhändler Tortner („An den Salvatorplatz”) und aus „Reinlichkeit” dank Jörg Drews, des Germanisten und Kritikers, „Peinlichkeit” gekalauert wird, geht schon nahe an die Grenze eben dieser.
Die „An und Für”-Gedichte weisen notwendig hinaus aus dem poetischen Raum in eine reale Welt, die Umwelt des Autors. Dass diese Umwelt anscheinend ganz und gar in den unwiderstehlichen Sog eines literarischen Betriebs gerät, hat für die Leser etwas Irritierendes. Da sind beispielsweise Passignano und der Lago Trasimeno, auf der Realebene Wohnort und Wahlheimat des Dichters, auf der literaturbetrieblichen Ebene aber auch der Ort eines jährlich abgehaltenen Kolloquiums unter akademischer Flagge. Hinter und neben den Bedichteten erscheint da ein „Freundeskreis”, dem man überdies mit einem Beitrag von dreißig Euro beitreten kann, samt einer eifrigen Mannschaft von jungen und älteren Literaturwissenschaftlern mit einer schnell wachsenden Masse von Sekundärliteratur. Diesem Dichter und Arbeitgeber Paul Wühr ist es bisher nicht schlecht gelungen, seine rabiate selbstgesetzte poetologische Deontologie zu respektieren. Vielleicht hat er aber zu viele Freunde. Über das Gelesenwerden darf er sich wie jeder Autor freuen, aber wie erträgt er das Gesprochenwerden?
Diesbezüglich weht ein Hauch von Unbehagen aus den Gedichten für Michael Titzmann („der Professor” oder öfter „dieser Professor”), der für den Dichter rastlos eine akademische Infrastruktur aufgebaut hat. Acht Gedichte für ihn enthält das Bändchen, keines davon ist ein „Ob-Gedicht”. Sie sind Muster feinster Ironie: „Nach / Gründung im Georgiritter München / Schwabing // sammelte dieser Professor seine / Magister oder / schon Doktoranden in Passignano / wo mir in // einem Colloquium vorgestellt / wurde wie / die Wissenschaft mit den Zeilen / meiner / Gedichte zu ihrer Poesie kommt”.HANS-HERBERT RÄKEL
PAUL WÜHR: An und Für. Gedichte. Carl Hanser Verlag, München 2004. 136 Seiten, 14,90 Euro.
PAUL WÜHR: Dame Gott. Gedichte. Carl Hanser Verlag, München 2007. 336 Seiten, 27,90 Euro.
Paul Wühr Foto: Anita Schiffer-Fuchs
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Hans-Herbert Räkel bespricht zwei Gedichtbände von Peter Wühr, wobei er sich des einen Bandes kurz und begeistert und des anderen ausführlicher aber auch kritischer widmet. Der jüngste Band des Lyrikers begeistert den Rezensenten wegen der Jugendlichkeit, die die Gedichte des Achtzigjährigen an den Tag legen und er schreibt ihm sogar eine brillante poetische "Entdeckung" zu. Häufig überschreibt Wühr seine Texte mit dem Wort "Ob" oder lässt sie so beginnen und damit hält er das Gesagte in einer Schwebe, die man als Motor seiner Dichtung verstehen kann, erklärt der Rezensent. Für die Leser gehe von der so evozierten "Ungewissheit" eine Beunruhigung aus, die oft zu umso bestimmteren Antworten anrege, so Räkel eingenommen.

© Perlentaucher Medien GmbH