In einem abgelegenen Waldstück wird die Leiche eines ausländischen Jungen gefunden. Gibt es ein rechtsradikales Motiv für die Tat? Oder war das Opfer in Drogengeschäfte verwickelt und kam anderen Dealern in die Quere? Als dann noch die Kirche eines kleinen Städtchens abbrennt, ist die Verwirrung komplett. Hat die eine Tat etwas mit der anderen zu tun? Der zweite spannende Kriminalfall für Kommissar Fors.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.03.2004Mord ist in dieser Gegend nicht gerade üblich
Mats Wahls neuer Krimi: „Kaltes Schweigen”
Mit Sirr legt man sich nicht an, so einer ist er nicht. Und doch muss es jemand getan haben. Denn Sirr ist tot. Mit einem Einschussloch am linken Auge, Austritt beim rechten Ohr, liegt er im Schnee, an einem Schuppen direkt am Viklången-See, mit heruntergezogener Hose. Unfall? Totschlag? Oder Mord. Dabei ist laut Gunilla Strömholm, die immerhin schon drei Jahre bei der Polizei ist, „Mord in dieser Gegend nicht gerade üblich. Morde kommen meist nur in Büchern vor.”
Kaltes Schweigen heißt das Buch, in dem es um den Mord an Ahmed Sirr geht.
Zudem um Ausländerfeindlichkeit, Drogen, um den Frühherbst 1992 und um Neonazis, um brennende Kirchen und um Gott. Glaubt man dem auf Gotland geborenen Autor Mats Wahl, der als Lehrer für schwer erziehbare Jugendliche gearbeitet hat, ehe er anfing, Romane, Sachbücher, Theaterstücke und Drehbücher zu schreiben, dann ist selbst im vorweihnachtlichen, nach Pfefferkuchen duftenden Schweden nichts so, wie es sein sollte. Nicht einmal die vier Mädchen mit langen blonden Lucia-Haaren. Düster geht es zu, in Wahls Roman. So düster wie bei seinen schwedischen Landsleuten Henning Mankell oder Liza Marklund. Literarisch besehen scheint es in
dem kleinen Land im Norden in letzter Zeit in erster Linie ums Morden zu gehen.
Dabei ist der Tod von Ahmed Sirr, den Kriminalinspektor Harald Fors mit seiner wunderbar beharrlich-behäbigen Art ermittelt und aufklärt, dann doch eigentlich nur ein Versehen, ein tragisches
Unglück: Ein Junge stirbt, der auf der Suche nach seiner Identität die falschen Vorbilder wählte. Während seine jungen Mörder sich nur nach ein wenig Gerechtigkeit sehnen – und unglücklich scheitern. Jugendliche und Erwachsene, Opfer, Täter und Ermittler, sie alle suchen in diesem lakonischen Krimi, der für Heranwachsende ebenso spannend ist wie für ihre Eltern: Sie suchen nach einem Ort, an den sie gehören, nach einer Rolle, die zu ihnen passt, nach etwas oder jemandem, der ihrem Leben Sinn gibt – und das nicht nur zur Weihnachtszeit. Am Ende singt Frank Sinatra „I did it my way” und Billie Holiday„ These foolish things”. In der mittelschwedischen Stadt, in der Fors arbeitet, geht ein Jahr zu Ende, in dem 1652 Fälle von Körperverletzung, 60 Vergewaltigungen, 2148 Autodiebstähle, 454 Einbrüche und 250 Raubüberfälle angezeigt wurden. Zuzüglich einiger Totschläge und Morde. Heiter und besinnlich ist das nicht. Zumal viele dieser Verbrechen nie aufgeklärt wurden. Was, so Fors, manchmal auch das Beste ist. „Ich sehe es nicht als meine Aufgabe, hoffnungsvolle Geschichten zu
schreiben, ich sehe es als meine Aufgabe, gute Geschichten zu schreiben. Und das ist nicht dasselbe”, sagt Mats Wahl dazu. Fors jedenfalls macht erst einmal Ferien. In einem anderen Land? Auch das bleibt am Ende offen. Und das ist gut. (ab 14 Jahre).
KATHARINA MÜTTER
MATS WAHL: Kaltes Schweigen. Aus dem Schwedischen von Angelika Kutsch. Hanser Verlag 2004. 272 Seiten, 14,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Mats Wahls neuer Krimi: „Kaltes Schweigen”
Mit Sirr legt man sich nicht an, so einer ist er nicht. Und doch muss es jemand getan haben. Denn Sirr ist tot. Mit einem Einschussloch am linken Auge, Austritt beim rechten Ohr, liegt er im Schnee, an einem Schuppen direkt am Viklången-See, mit heruntergezogener Hose. Unfall? Totschlag? Oder Mord. Dabei ist laut Gunilla Strömholm, die immerhin schon drei Jahre bei der Polizei ist, „Mord in dieser Gegend nicht gerade üblich. Morde kommen meist nur in Büchern vor.”
Kaltes Schweigen heißt das Buch, in dem es um den Mord an Ahmed Sirr geht.
Zudem um Ausländerfeindlichkeit, Drogen, um den Frühherbst 1992 und um Neonazis, um brennende Kirchen und um Gott. Glaubt man dem auf Gotland geborenen Autor Mats Wahl, der als Lehrer für schwer erziehbare Jugendliche gearbeitet hat, ehe er anfing, Romane, Sachbücher, Theaterstücke und Drehbücher zu schreiben, dann ist selbst im vorweihnachtlichen, nach Pfefferkuchen duftenden Schweden nichts so, wie es sein sollte. Nicht einmal die vier Mädchen mit langen blonden Lucia-Haaren. Düster geht es zu, in Wahls Roman. So düster wie bei seinen schwedischen Landsleuten Henning Mankell oder Liza Marklund. Literarisch besehen scheint es in
dem kleinen Land im Norden in letzter Zeit in erster Linie ums Morden zu gehen.
Dabei ist der Tod von Ahmed Sirr, den Kriminalinspektor Harald Fors mit seiner wunderbar beharrlich-behäbigen Art ermittelt und aufklärt, dann doch eigentlich nur ein Versehen, ein tragisches
Unglück: Ein Junge stirbt, der auf der Suche nach seiner Identität die falschen Vorbilder wählte. Während seine jungen Mörder sich nur nach ein wenig Gerechtigkeit sehnen – und unglücklich scheitern. Jugendliche und Erwachsene, Opfer, Täter und Ermittler, sie alle suchen in diesem lakonischen Krimi, der für Heranwachsende ebenso spannend ist wie für ihre Eltern: Sie suchen nach einem Ort, an den sie gehören, nach einer Rolle, die zu ihnen passt, nach etwas oder jemandem, der ihrem Leben Sinn gibt – und das nicht nur zur Weihnachtszeit. Am Ende singt Frank Sinatra „I did it my way” und Billie Holiday„ These foolish things”. In der mittelschwedischen Stadt, in der Fors arbeitet, geht ein Jahr zu Ende, in dem 1652 Fälle von Körperverletzung, 60 Vergewaltigungen, 2148 Autodiebstähle, 454 Einbrüche und 250 Raubüberfälle angezeigt wurden. Zuzüglich einiger Totschläge und Morde. Heiter und besinnlich ist das nicht. Zumal viele dieser Verbrechen nie aufgeklärt wurden. Was, so Fors, manchmal auch das Beste ist. „Ich sehe es nicht als meine Aufgabe, hoffnungsvolle Geschichten zu
schreiben, ich sehe es als meine Aufgabe, gute Geschichten zu schreiben. Und das ist nicht dasselbe”, sagt Mats Wahl dazu. Fors jedenfalls macht erst einmal Ferien. In einem anderen Land? Auch das bleibt am Ende offen. Und das ist gut. (ab 14 Jahre).
KATHARINA MÜTTER
MATS WAHL: Kaltes Schweigen. Aus dem Schwedischen von Angelika Kutsch. Hanser Verlag 2004. 272 Seiten, 14,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Beglückt annonciert Reinhard Osteroth den neuen Jugendkrimi von Mats Wahl, der, wie es sich für schwedische Krimis gehört, natürlich mit "Melancholie und Resignation grundiert" ist. Doch hat den Rezensenten vor allem beeindruckt, wie beiläufig und doch meisterlich Mats Wahl "ein Mosaik der schwedischen Gesellschaft" entstehen lässt. Diesmal geht es um den Tod des siebzehnjährigen Ahmed Sirr, der an seiner Schule den schlechten Ruf eines Drogendealers genoss. Kommissar Harald Fors und seine Kollegin Gunilla Strömholm müssen fortan Aufklärungsarbeit in zweierlei Hinsicht leisten. "Beunruhigung geht von Präzision aus, nicht von Schock", hält Osteroth noch fest, um dann gemeiner Weise das in seinen Augen nicht geglückte Ende des Krimis zu verraten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Das Beste an Wahls Romanen ist, dass er das Genre Jugendkrimi endgültig befreit von jenen superschlauen Kinderhelden, die aus quasipädagogischen Gründen immer noch einen erwachsenen Helfer brauchen. Als ausgewachsener Kommissar, ernsthaft wie seine Kolleginnen und Kollegen aus skandinavischen Krimis, ist der eher düstere Fors eine Lichtgestalt für die Jugendliteratur." Hans ten Doornkaat, Neue Zürcher Zeitung am Sonntag, März 2004 "Ein Krimi, der nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene fesseln wird." Neue Zürcher Zeitung, 27./28. März 2004 "Wahl spinnt seine Geschichte so spannend und voller überraschender Wendungen aus, dass man das Buch wirklich erst am Ende aus der Hand legt." Fritz Wolf, Frankfurter Rundschau, 23.04.04 "Kaltes Schweigen" zieht schon auf den erssten Seiten in seinen Bann." Reinhard Osteroth, Die Zeit, 07.04.04 "... der Roman eines Autors, der souverän Probleme von Jugedlichen wie von Erwachsenen auf den Punkt bringt ... er hat das Vermögen, seine Leserzu fesseln." Hiltrud Baier, Eselsohr, Juni 2004