Vor 50 Jahren eröffneten die Akzente, damals noch eine Zeitschrift für Dichtung, mit einem Gedicht von Oskar Loerke ihr erstes Heft. "Längst ist Akzente zum literarischen Gedächtnis des lyrikliebenden, literaturbessenen Teils der Republik geworden." (Felicitas von Lovenberg, Frankfurter Allgemeine Zeitung). Der vorliegende Band enthält die wichtigsten Texte der Hefte und ist damit ein Reader aus 50 Jahren Literatur und Lyrik.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.09.2004Glutumzüngelt
Die Zeitschrift „Akzente” analysiert Franz Josef Czernin
Lange Zeit hatte sich der Dichter Franz Josef Czernin in den Blasen der Sprachreflexion verfangen: „Mein Wort, so mächtig, gross gesetzt, von sich besessen/umschlingt mich ganz.” Jetzt umschlingt es ihn zwar weiter, doch es verschlingt ihn nicht mehr, denn dem reinigenden Feuer Wittgensteinscher Sprachkritik hat sich Czernin vor zwei Jahren glutumzüngelt entwunden, als er mit „Elemente, Sonette” einen Gedichtband vorlegte, der zu Welthaltigkeit und elementarer Sprachgewalt zurückfand.
Die jüngste Ausgabe der Literaturzeitschrift „Akzente” nähert sich Czernins wütender Poesie vor allem mit einer brillanten Analyse von Martin Mosebach, der hinter der formsprengenden Dynamik strenge Sinnnotwendigkeit vermutet: Nicht aus lässigem Spieltrieb oder Lust an der Anarchie betreibt Czernin eine konsequente Vermischung der Sprachebenen, ballt, staucht, dehnt die Rhythmen und lässt sie sich wieder entladen. Nein, erschaffend und errichtend will er sein. Es geht ihm darum, die Sphären des Sakralen und Mystischen freizulegen, die noch immer unser Selbstverständnis beherrschen. Von der Sprache des Marktplatzes arbeitet sich Czernin daher mit ausschweifender Assoziationskraft und formalem Rigorismus zu einem hymnischen Ton hervor. Er vermengt die Sprachstile nicht, um eine postmoderne Collage zu schaffen, sondern um sie einander organisch einzuverleiben. Nicht zufällig legt er seiner Lyrik eine profunde ausgearbeitete, doch wenig bekannte Theorie der Organik zugrunde, die in aphoristischer Form die Grundregeln seines sprachlichen Schaffens offen legt.
„So heiss die Sache, unter all den Nägeln schmerzend.” Poesie ist bei Czernin eine peinvolle Angelegenheit, aber das muss er in Kauf nehmen, denn er will Großes schaffen, und er tut es auch: Ohne peinliche Anmaßung kann seine Lyrik sich dem Pathos, dem Feierlichen und Erhabenen nähern, weil seine Sprache dieses Pathos trägt.
THOMAS THIEL
MICHAEL KRÜGER (Hrsg): Akzente. Zeitschrift für Literatur. Heft 4/August 2004. 96 Seiten. 7,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Die Zeitschrift „Akzente” analysiert Franz Josef Czernin
Lange Zeit hatte sich der Dichter Franz Josef Czernin in den Blasen der Sprachreflexion verfangen: „Mein Wort, so mächtig, gross gesetzt, von sich besessen/umschlingt mich ganz.” Jetzt umschlingt es ihn zwar weiter, doch es verschlingt ihn nicht mehr, denn dem reinigenden Feuer Wittgensteinscher Sprachkritik hat sich Czernin vor zwei Jahren glutumzüngelt entwunden, als er mit „Elemente, Sonette” einen Gedichtband vorlegte, der zu Welthaltigkeit und elementarer Sprachgewalt zurückfand.
Die jüngste Ausgabe der Literaturzeitschrift „Akzente” nähert sich Czernins wütender Poesie vor allem mit einer brillanten Analyse von Martin Mosebach, der hinter der formsprengenden Dynamik strenge Sinnnotwendigkeit vermutet: Nicht aus lässigem Spieltrieb oder Lust an der Anarchie betreibt Czernin eine konsequente Vermischung der Sprachebenen, ballt, staucht, dehnt die Rhythmen und lässt sie sich wieder entladen. Nein, erschaffend und errichtend will er sein. Es geht ihm darum, die Sphären des Sakralen und Mystischen freizulegen, die noch immer unser Selbstverständnis beherrschen. Von der Sprache des Marktplatzes arbeitet sich Czernin daher mit ausschweifender Assoziationskraft und formalem Rigorismus zu einem hymnischen Ton hervor. Er vermengt die Sprachstile nicht, um eine postmoderne Collage zu schaffen, sondern um sie einander organisch einzuverleiben. Nicht zufällig legt er seiner Lyrik eine profunde ausgearbeitete, doch wenig bekannte Theorie der Organik zugrunde, die in aphoristischer Form die Grundregeln seines sprachlichen Schaffens offen legt.
„So heiss die Sache, unter all den Nägeln schmerzend.” Poesie ist bei Czernin eine peinvolle Angelegenheit, aber das muss er in Kauf nehmen, denn er will Großes schaffen, und er tut es auch: Ohne peinliche Anmaßung kann seine Lyrik sich dem Pathos, dem Feierlichen und Erhabenen nähern, weil seine Sprache dieses Pathos trägt.
THOMAS THIEL
MICHAEL KRÜGER (Hrsg): Akzente. Zeitschrift für Literatur. Heft 4/August 2004. 96 Seiten. 7,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Fritz J. Raddatz bespricht voller Enthusiasmus den Band zum 50-jährigen Bestehen der Zeitschrift Akzente. Er lobt die Zusammenstellung von Gedichten, Prosa und Essays als ebenso "gelungen wie verblüffend". Dabei überbietet er sich geradezu in Preisungen des "großartigen Gedichts" von Ingeborg Bachmanns, dem "schlichtweg bewundernswerten Essay" von Kurt Drawert und der "allenthalben hell leuchtenden Prosa", die der Band enthält. Raddatz findet, dass der Band das Postulat der Zeitschrift, Schriftsteller müssten "Verantwortung" übernehmen, demonstriert. Es würden aber keine "hurtigen Antworten" a la Grass und Enzensberger gegeben, sondern vielmehr tastend und suchend vorgegangen, so der Rezensent einverstanden. Der Herausgeber Michael Krüger bekommt ein gesondertes Lob von ihm, für die "liebevolle" und dabei "sorgsam zusammengestellte" Anthologie. Als ein wahres "Schatzkästlein", preist Raddatz überwältigt diese Textsammlung.
© Perlentaucher Medien GmbH
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