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Naura kennt sie alle und viele porträtiert er in diesem Band: Legenden wir Thelonious Monk und Cecil Taylor; die Großen im Hintergrund - die "Genies der Diskretion" und Heroen wie Albert Mangelsdorff. Aber es kommen auch Hilde Knef vor und Franz Sinatra, Miles Davis, der Magier Abdullah Ibrahim - und alle (fast alle) anderen. Das alles - verziert mit Naura-Graphiken und -Fotos, ergibt eine Cadenza, einen "Schluss", der mitreißt, auch wenn Sie eigentlich für Vivaldi schwärmen.

Produktbeschreibung
Naura kennt sie alle und viele porträtiert er in diesem Band: Legenden wir Thelonious Monk und Cecil Taylor; die Großen im Hintergrund - die "Genies der Diskretion" und Heroen wie Albert Mangelsdorff. Aber es kommen auch Hilde Knef vor und Franz Sinatra, Miles Davis, der Magier Abdullah Ibrahim - und alle (fast alle) anderen. Das alles - verziert mit Naura-Graphiken und -Fotos, ergibt eine Cadenza, einen "Schluss", der mitreißt, auch wenn Sie eigentlich für Vivaldi schwärmen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.12.2002

Trompetensolo für Hans Dampf
Gesammelte Jazzkritiken von Michael Naura und Werner Burkhardt

"Naughty by Naura" lautet, in nicht besonders glücklichem Englisch, die Überschrift einer Kolumne, die Michael Naura vor zwei Jahren eine Zeitlang in dem Magazin "Jazzthing" hatte. Jedenfalls "naughty". Der "ungezogene" Naura - diesen Ruf hat sich der Pianist, Komponist, Produzent und 1999 emeritierte Jazzredakteur des NDR schon lange erschrieben. Jetzt hat er ein Konzentrat von Artikeln aus den letzten zehn Jahren in einem Buch zusammengefaßt und es mit Cartoons und Fotos angereichert zu einem unerschöpflich unterhaltsamen Dokument launischer Jazzbetrachtung. Naura nimmt kein Blatt vor den Mund, schreibt aus dem Bauch und dem Augenblick heraus. Objektiv? Niemals! Die Leidenschaft für den Jazz als "wundervolle, unheilbare Infektion" führt die Feder, Nauras Geschmack ist unangreifbar, weil er sich sowieso stets als einmalig geriert und sein Herrschaftsanspruch lautstark und absichtsvoll verhallt.

Naura agiert vielfach als Haudrauf, der kein Kraftwort ausläßt. "Götterscheiße hängt an den Schuhen der Genies" heißt es da etwa, und den etwas yuppiehaften Aufsteiger Till Brönner bezeichnet er als "Vertreter der Gel-Generation" und attestiert ihm, daß seine Improvisationen dahinflögen wie "Nachtigallenfürze". Musiker, die nicht seinen Vorstellungen von Mut und individueller Ausdruckskraft entsprechen, bewirft er mit Ausdrücken wie "Pappnasen", "pomadige Figuren", "Hirnhunde" oder "Hinfällige vom Oldtime-Durchpausejazz". Der Erotomane Naura läßt es in der Musik ejakulieren und kopulieren, läßt Stile sich begatten und leblose Jungbassisten "hodenloses Flageolett-Gefiddel" produzieren. Und daß die Amerikaner den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben, weil sie die besseren Pin-ups in den Spinden hatten, vor allem eines von Betty Grable - diesen Gag hat Naura zwar nicht erfunden, aber erwähnen mußte er ihn unbedingt.

Sein beliebtestes Objekt der Verspottung ist die "Weltmusik". "Des Teufels Klangbrei", "Multikulti-Gepansche", "das eklige Schmarotzer-Schmatzen an den Musiktöpfen der Weltfolklore", "die Grippe Crossover", "Gemischwarenwahnsinn", "Mir ist, als würde ich das ranzige Fett dieses musikalischen Rühreis riechen" - das sind so die Formulierungen, in denen aber auch klar wird, daß Naura ein Poet ist, immer auf der Suche nach Metaebenen, die er durch seine enorme Belesenheit in einem Zitatendschungel von Seneca bis Rühmkorf phantasievoll abfedert. Ein Satz wie "Vater unser, der Du spielst Posaune, führe uns in ein lichterfülltes Festival" - zur Übernahme der künstlerischen Leitung des Jazzfests Berlin durch Albert Mangelsdorff - ist in seiner liebevoll-ironischen Prägnanz einfach unübertrefflich. Seine Beurteilung von Pat Metheny als Hans Dampf in zu vielen Gassen illustriert er mit der Kopie von dessen mit endlosen technischen Details angereicherter Auflistung seines Equipments - ein hinterhältiger Geniestreich.

Selbst die Toten läßt Naura nicht ruhen: Einen Brief von Joachim Ernst Berendt druckt er ab, der sich über üble Nachrede seitens Nauras beschwert und in fürchterlichem Ausmaß den berüchtigten Egozentrismus des letztes Jahr gestorbenen "deutschen Jazzpapstes" entlarvt. Diese Pietätlosigkeit wäre nicht nötig gewesen, Naura!

Ist diese besondere Art des Verzichts auf kritische Analysen nun die einzige Möglichkeit, dem Bastard Jazz schriftlich nahe zu kommen? Die feine hanseatische Art ist es also nicht, was uns der in Litauen geborene Berliner Wahlhamburger Naura da vorsetzt. Doch zufällig hat der andere über Jazz schreibende Charakterkopf des Nordens, Werner Burkhardt, gerade auch eine Anthologie seiner Kritiken vorgelegt, fast doppelt so dick und ein volles halbes Jahrhundert übergreifend, ebenfalls mit vielen hervorragenden Fotos. Burkhardt, der auch über Oper und Theater schreibt, ist ein umfassend gebildeter, feinsinniger Literat, der mit Naura allerdings zweierlei gemeinsam hat: die leidenschaftliche Liebe zum Jazz und die Nähe zu seinen Musikern, deren Gesellschaft er immer sucht.

Seine Artikel haben oft eine essayistische Weite, nicht Weitschweifigkeit. Sie sind aufwendig recherchiert, mit Gesprächen und Geschichten gespickt und heben mit soziologisch-philosophischen Betrachtungen zum Flug über die Niederungen der Fakten an. Er liebt die Künstler, "die aus der Geheimwissenschaft ein öffentliches und populäres Vergnügen machen", also die großen, volkstümlichen und berühmten, denen er aber nicht affirmativ um den Bart geht. Porträts von Billie Holiday ("nachtschwarze Verstörungen ihrer Biographie"; "Identifikationsfigur für Desperados und Depressionen"), des Schlitzohrs Erroll Garner ("Alle impressionistischen Wasserspiele und Gnomenporträts sind ihm vertraut"), von Chet Baker ("Diese Aura von Verlorenheit machte ihn zur wohlerzogenen Präfiguration eines Beatniks") oder von Miles Davis ("Er nimmt einem jede Chance, abwägend und vernünftig die künstlerische Leistung vom betäubenden Nebel der Aura zu trennen") sind einige der zahllosen Perlen. Das Buch hat ein Personenregister und eignet sich in der Fülle der Themen und Gestalten deshalb auch als Nachschlagewerk ohne lexikalische Vertrocknungen.

ULRICH OLSHAUSEN

Michael Naura: "Cadenza - Ein Jazzpanorama". Europäische Verlagsanstalt, Sabine Groenewald Verlage, Hamburg 2002. 176 S., geb., 30,- [Euro].

Werner Burkhardt: "Klänge, Zeiten, Musikanten". Oreos Verlag, Waakirchen 2002. 318 S., geb., 29,50 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Stephan Hentz bespricht zwei Sammelbände mit Texten über Jazz, die ein Bild über die Verbreitung des Jazz in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zeichnen. Das Buch von Michael Naura, der vor seiner Karriere als Musikjournalist selbst Jazzpianist gewesen ist, überzeugt ihn durch seinen "ausschweifend bebilderten, angriffigen und nicht eben stubenreinen Stil", als dem Gegenstand angemessen. Den Autor charakterisiert er als "Stilist der großen Geste", und er betont, dass Naura stets klare und leidenschaftliche Urteile über die Musik fällt, was die "rhetorische Sahne" seiner Ausführungen ausmacht, wie der Rezensent angetan meint. Dass die Argumente nicht immer "Konturenschärfe" haben, stört Hentz dabei überhaupt nicht.

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