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Frauke Brosius-Gersdorf widmet sich in ihrer Arbeit den einfachgesetzlichen und den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen der juristische Vater eines Kindes berechtigt ist, seine leibliche Vaterschaft untersuchen zu lassen. Sie zeigt, dass der rechtliche Kindesvater unter bestimmten Voraussetzungen einen grundrechtlich verbürgten Anspruch hat festzustellen, ob zu "seinem" Kind eine biologisch-genetische Beziehung besteht.
Nach geltendem Zivilrecht kann der juristische Vater eines Kindes nur durch eine Vaterschaftsanfechtungsklage herausfinden, ob er der leibliche Kindesvater
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Produktbeschreibung
Frauke Brosius-Gersdorf widmet sich in ihrer Arbeit den einfachgesetzlichen und den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen der juristische Vater eines Kindes berechtigt ist, seine leibliche Vaterschaft untersuchen zu lassen. Sie zeigt, dass der rechtliche Kindesvater unter bestimmten Voraussetzungen einen grundrechtlich verbürgten Anspruch hat festzustellen, ob zu "seinem" Kind eine biologisch-genetische Beziehung besteht.

Nach geltendem Zivilrecht kann der juristische Vater eines Kindes nur durch eine Vaterschaftsanfechtungsklage herausfinden, ob er der leibliche Kindesvater ist. Die Autorin arbeitet heraus, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen ein Verfahren vorsehen muss, das es dem juristischen Kindesvater erlaubt, seine leibliche Vaterschaft festzustellen, ohne seine Vaterschaft anfechten zu müssen. Bei der Ausgestaltung eines isolierten Vaterschaftsfeststellungsverfahrens sind jeweils unterschiedliche Verfahrensregelungen vorzusehen für eine Vaterschaftsuntersuchung unmittelbar nach der Geburt des Kindes und für eine Vaterschaftsfeststellung in einem späteren Lebensalter des Kindes.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.10.2006

Das Haar in der Familiensuppe
Das Recht auf Wissen, der Preis der Wahrheit - und wie geht es dann den enttarnten Kuckuckskindern? Frauke Brosius-Gersdorf prüft die Vaterschaftstests juristisch

Rechtlicher und leiblicher Vater müssen nicht identisch sein. Auch unabhängig von biologischen Zuordnungen können wirtschaftliche und soziale Bindungen bestehen. Was aber nicht heißt, daß die Beteiligten gleich auf den Willen zum Wissen verzichten. Im Gegenteil: Wenig anderes ist für die menschliche Identität so prägend wie die Frage der Abstammung, und die Biologie gehört dazu. Seitdem die Labors den DNA-Test erschwinglich anbieten, stellen sich zentrale Fragen des Familienrechts mit neuer Schärfe. Eine von ihnen, nämlich die nach der Vaterschaftsuntersuchung, löst Frauke Brosius-Gersdorf ebenso überlegt wie radikal.

Brosius-Gersdorf analysiert den Konflikt um das Wissen des Vaters vom Grundgesetz her. Das geltende Recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs verwirft sie als verfassungswidrig; für das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Januar 2005 hat sie nur Kopfschütteln übrig. Sie hält es dabei mit der Bevölkerungsmehrheit, der auch unklar war, warum ein Vater, der das negative Ergebnis seines heimlichen Vaterschaftstest in den Händen hält, dieses nicht zur Anfechtung verwerten darf. Immerhin: Man könnte sagen, der BGH war besonders konsequent. Aus der verbotenen Beweisbeschaffung folgte die Unzulässigkeit der Verwertung.

Mit diesem Verwertungsverbot hielt es der Senat so streng, daß er das Testergebnis nicht einmal zur Begründung eines Anfangsverdachts zuließ. Der Vater, der den Laborbefund Schwarz auf Weiß hatte, mußte demnach - auf erlaubtem Wege - neue Tatsachen beschaffen, die den Zweifel wecken, das Kind stamme nicht von ihm. Die damalige Justizministerin setzte noch eins drauf und kündigte gleich einen Gesetzentwurf zur Strafbarkeit heimlicher Tests an. Im Gegensatz zur Bevölkerungsmehrheit fanden die meisten Juristen die Argumentation des BGH richtig, was für eine erfolgreiche Sozialisation in der Ausbildung spricht.

Im Kern des damaligen Urteils stand ein verfassungsrechtliches Argument, das Brosius-Gersdorf aufgreift, auf seine Stichhaltigkeit prüft und gegen die Entscheidung wendet. Denn das Verbot rechtfertigte sich über vielfache Grundrechtseingriffe. Daß sie in dieser Konstellation tatsächlich drohen, ist auch für einen Laien einsichtig: Wer etwas über die Abstammungsverhältnisse erfahren will, zieht alle Beteiligten in einen Abgrund von Offenbarungen hinein: Das Kind erfährt unwiderruflich etwas, worüber es sich vielleicht noch nicht einmal Gedanken gemacht hat. Die Mutter sieht möglicherweise ihre Untreue und Lügen offengelegt, verliert wirtschaftliche Absicherung und am Ende zumindest einen Teil ihrer Familienbande.

Das sind die möglichen Konsequenzen, und deswegen hat sich der BGH in die "negative informationelle Selbstbestimmung" geflüchtet. Das Recht auf Nicht-Wissen überstrahlte den Willen zur Wahrheit. Brosius-Gersdorf meint zu Recht, das greife zu kurz und werde einseitig zu Lasten der Väter gelöst. Sie schlägt deshalb verschiedene Rechtsänderungen vor. Ihre Prämisse ist dabei, daß der Vater ein Recht auf Wissen der Abstammung hat, das nicht in undurchsichtigen juristischen Grundrechtsabwägungen beiseite geschoben werden darf. Daher versucht Brosius-Gersdorf, die Interessen miteinander in Einklang zu bringen, indem sie die Gewichtung zu Lasten der Mütter verschiebt und die Verfahrensrechte des Kindes schmälert.

Unbehagen bereitet Brosius-Gersdorf schon eine juristische Prämisse des BGB. Danach darf der Vater die Herkunft nur im Rahmen einer gerichtlichen Anfechtung klären lassen. Wie aber, wenn man nur wissen und sich nicht automatisch lösen will? Hier zeigt sich der Vorzug einer lebensnahen, differenzierenden und typisierenden Argumentation von Brosius-Gersdorf. Sie will den juristischen Vätern Klärungsrechte einräumen, ohne daß damit automatisch das rechtliche Band zu ihren enttarnten Kuckuckskindern zerschnitten wird. So weit war auch der Gesetzgeber 1997 fast schon, machte dann aber einen Rückzieher. Leider setzt sich Brosius-Gersdorf nicht mit den Argumenten von damals auseinander.

Originell sind die Vorschläge zur gesetzlichen Ausgestaltung legaler Vaterschaftstests. Brosius-Gersdorf verknüpft die rechtlichen Befugnisse mit den Altersstufen des Kindes: Unmittelbar nach der Geburt ist dem Vater der Test ohne weiteres erlaubt; kein Gericht muß entscheiden, Mutter und Kind haben weder ein Vetorecht, ja sie müssen nicht einmal informiert werden. Noch ist nicht die vielfach beschworene "sozial-familiäre Bindung" entstanden, gegen die sich das Zerstörungspotential eines negativen Testergebnisses richten würde. Ist das Kind größer, muß der Vater dem Richter darlegen, was ihn umtreibt, nun den Test anzustreben.

Nach Brosius-Gersdorf soll der Richter über die Abstammungsuntersuchung entscheiden dürfen, ohne zwingend Mutter und Kind rechtliches Gehör zu gewähren. Das Verfahren bleibt zunächst heimlich. Diese Konstruktion ist ebenso unkonventionell wie bedenkenswert. Denn gerade das Publikmachen eines Zweifels birgt die naheliegenden Folgen, erst recht, wenn Mutter und Kind davon erfahren, daß der Mann sogar damit vor Gericht gezogen ist. Für den nicht unwahrscheinlichen Fall, daß alles gutgeht - 80 Prozent der Tests bestätigen die Abstammung - , muß man die Betroffenen, so Brosius-Gersdorf, vor diesem Wissen schützen. Vaters Zweifel werden vertraulich geklärt, wenn er das will, sogar gegenüber den Getesteten.

Rechtsdogmatisch ist das heikel, denn rechtliches Gehör ist ein grundgesetzlich verankertes Prinzip unseres Rechtsstaats. Brosius-Gersdorf weiß das, aber sie stellt auf den Schutzzweck der Verfahrensgarantie ab. Den Betroffenen sei in diesem Fall besser durch Heimlichkeit gedient, und sie nennt Parallelkonstruktionen: Im strafgerichtlichen Verfahren kann der Angeklagte zu seinem Schutz aus der Hauptverhandlung entfernt werden, wenn sein geistiger oder körperlicher Zustand und dessen Behandlungsaussichten erörtert werden und dadurch "ein erheblicher Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist". Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, vor allem in Pressesachen, läuft es zunächst oft ohne Anhörung des Antragsgegners. Erst im anschließenden Hauptsacheverfahren kann jener sich zur Sache äußern. So könnte man es regeln. Brosius-Gersdorf legt ihre Vorschläge offen, ist manchmal entschieden, geriert sich im Ergebnis aber als zurückhaltende Beraterin des Gesetzgebers. Das Problem, zu dem sie beiträgt, ist nur ein Ausschnitt größerer Herausforderungen. Die Tests sind im Vergleich zu ihren Auskünften so billig und die Begehrlichkeiten so groß, daß noch andere Konstellationen auf die rechtspolitische Tagesordnung gelangt sind oder in absehbarer Zeit kommen werden. Wer will nicht alles DNA-Tests machen und an dieses Wissen weitreichende Konsequenzen knüpfen? Wie überschaubar waren da noch jene Verhältnisse, als die informationelle Selbstbestimmung aus der Taufe gehoben wurde! Brosius-Gersdorf zeigt, daß die juristische Kunst hier in der Vermeidung von kurzen Schlüssen und unvollkommenen Parallelen liegt.

MILOS VEC.

Frauke Brosius-Gersdorf: "Vaterschaftstests". Verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Direktiven für eine Reform der Vaterschaftsuntersuchung (Schriften zum Öffentlichen Recht, Band 1019). Duncker & Humblot, Berlin 2006. 210 S., br., 98.- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wohldurchdacht findet Rezensent Milos Vec diese juristische Auseinandersetzung mit den Vaterschaftstests, die Frauke Brosius-Gersdorf vorgelegt hat. Dass die Autorin mit der gegenwärtig geltenden Rechtslage, nach der DNA-Vaterschaftstests als verbotene Beweise gelten und vor Gericht nicht verwertet werden dürfen, nicht einverstanden ist, kann er gut nachvollziehen. Plausibel scheint ihm ihre Kritik am entsprechenden Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Januar 2005, das im Grunde auf einer fragwürdigen Grundrechtsabwägung basiere. Demgegenüber unterstreiche Brosius-Gersdorf das Recht des Vaters auf Wissen über die Abstammung seiner Kinder. Ihre Argumentation und ihre Vorschläge, die verschiedenen Interessen miteinander in Einklang zu bringen, lobt Vec als "lebensnah" und "differenzierend".

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