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Elena Syssoeva befasst sich mit der Frage, ob und inwieweit Russland völkerrechtlich verpflichtet ist, die infolge des 2. Weltkrieges in die UdSSR verbrachten deutschen Kulturgüter zurückzugeben. Sie gelangt zu dem Ergebnis, dass die Wegnahme deutscher Kulturgüter nach dem 2. Weltkrieg nur im Rahmen der sogenannten kulturellen Substitution zulässig war, die ihrerseits formellen und materiellen Anforderungen unterliegt. Die formellen Voraussetzungen einer Substitution resultieren aus ihrer dogmatischen Einordnung als eine der Rechtsfolgen des völkerrechtlichen Wiedergutmachungsanspruchs. Sofern…mehr

Produktbeschreibung
Elena Syssoeva befasst sich mit der Frage, ob und inwieweit Russland völkerrechtlich verpflichtet ist, die infolge des 2. Weltkrieges in die UdSSR verbrachten deutschen Kulturgüter zurückzugeben. Sie gelangt zu dem Ergebnis, dass die Wegnahme deutscher Kulturgüter nach dem 2. Weltkrieg nur im Rahmen der sogenannten kulturellen Substitution zulässig war, die ihrerseits formellen und materiellen Anforderungen unterliegt. Die formellen Voraussetzungen einer Substitution resultieren aus ihrer dogmatischen Einordnung als eine der Rechtsfolgen des völkerrechtlichen Wiedergutmachungsanspruchs. Sofern man nicht von der Möglichkeit einer globalen Substitution Gebrauch macht, werden die materiellen Voraussetzungen durch das Äquivalenzprinzip bestimmt. Da eine Substitution im Gegensatz zur allgemeinen Reparation weniger dem wirtschaftlichen Wert als vielmehr dem Affektionsinteresse an verlorengegangenem Kulturgut Rechnung tragen soll, zielt sie auf Ersatz eines im Krieg verlorenen Kulturgutes durch ein äquivalentes Objekt. Allerdings räumt das Völkerrecht bestimmten Kulturgüterarten den Status von nicht substitutionsfähigen Kulturgütern ein und schützt sie daher auch im Rahmen einer Substitution gegen Wegnahme. Darunter fallen Kulturgüter mit enger traditioneller und historischer Verbundenheit zu dem substitutionspflichtigen Staat, Kulturgüter mit besonderem Symbolgehalt, religiöse Gegenstände, Archivalien sowie Kulturgüter aus Privatbesitz. Ferner wird der Substitutionsgrundsatz durch das Prinzip der Integrität historisch gewachsener Sammlungen eingeschränkt. Sofern Kulturgüter nicht im Einklang mit den substitutionsrechtlichen Grundsätzen in die UdSSR verbracht wurden, besteht ein Rückerstattungsanspruch gegen Russland.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.09.2005

Dritter Aderlaß
Das Beutekunstproblem aus beschönigender Perspektive

Elena Syssoeva: Kunst im Krieg. Eine völkerrechtliche Betrachtung der deutsch-russischen Kontroverse um kriegsbedingt verbrachte Kulturgüter. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2004. 431 Seiten, 92,- [Euro].

Nach den Arbeiten von Susanne Schoen (F.A.Z. vom 29. November 2004) und Christoff Jenschke (F.A.Z. vom 24. August 2005) ist dies innerhalb kürzester Zeit die dritte Dissertation, die sich dem Problem der russischen Beutekunst widmet; eine vierte ist bereits angekündigt. Das Thema ist bedrückend genug: Während und nach dem Zweiten Weltkrieg wurden von sowjetischen Spezialeinheiten rund drei Millionen deutsche Kunstobjekte in die Sowjetunion verschleppt. Nach dem Verkauf "entarteter Kunst" durch die Nationalsozialisten und den schweren Verlusten durch Bombenschäden war dies der dritte große Aderlaß an deutschen Kunstbeständen Mitte des letzten Jahrhunderts.

Die von der Friedrich-Ebert-Stiftung ermöglichte Arbeit von Elena Syssoeva bringt von den bisherigen Darstellungen den russischen Standpunkt am deutlichsten zum Ausdruck. Das zeigt sich schon an der von ihr verwendeten Terminologie. Während überwiegend von "Beutekunst", "verschleppten" oder "geraubten" Kunstwerken die Rede ist, spricht sie schon im Untertitel ihrer Arbeit von "kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern". Im Text wurden die deutschen Kunstobjekte "verlagert", "überführt", "weggeführt", "entnommen" oder "gelangten" in die Sowjetunion. Die sowjetischen "Trophäenbrigaden" werden zu "Restitutionskommissionen". Die Rückgabeaktionen an die DDR hätten "nicht alle" in die Sowjetunion verbrachten Kulturgüter erfaßt. Für die russische Seite bejaht sie eine "Rechtslage", für die deutsche nur eine "Rechtsposition".

Elena Syssoeva weist zwar in eingehenden Untersuchungen das Recht der Sowjetunion und Rußlands auf Kriegsbeute, Plünderung und Reparation in Form von Kunstwerken zurück. Auch gegenüber dem besetzten und regierungslosen Deutschland habe das Völkerrecht gegolten. Sie bejaht auch die Selbstbindung der Sowjetunion an die Haager Landkriegsordnung. Auch Verjährung, Ersitzung und deutscher Verzicht seien ausgeschlossen. Sie meint jedoch, im Völkergewohnheitsrecht den Grundsatz der Substitution oder restitution in kind, das heißt des Ersatzes gleichwertiger Kunstobjekte, erkennen zu können. Bei dieser Auffassung erweist sich auch die Vereinbarung der Rückgabe "unrechtmäßig verbrachter" Kunstschätze in den deutsch-russischen Verträgen von 1990 und 1992 als von der deutschen Seite allzu blauäugig akzeptiert.

Frau Syssoevas eingehende völkerrechtshistorische Ausführungen gehen allerdings an dem Problem vorbei, indem sie nur und gerade die Pflicht zur Rückerstattung im Kriege entführter Kunstgegenstände belegen. Zur Substitution gibt es bisher nur einen Präzedenzfall, und zwar die im Versailler Vertrag vorgesehene Verpflichtung Deutschlands, Bücher im Wert von zwei Millionen Goldmark an die Universitätsbibliothek von Löwen sowie zwei Kunstwerke als Ersatz für Kriegsverluste an Belgien zu leisten. Zwar gibt es noch ähnliche Bestimmungen in den Friedensverträgen der Vereinten Nationen mit den ehemaligen Verbündeten Deutschlands Italien, Ungarn und Bulgarien, doch bezogen sich diese nur auf von diesen Staaten mit Gewalt entfernte, nicht aber durch Kriegseinwirkung zerstörte Kunstgegenstände. Im übrigen erkennt auch Frau Syssoeva an, daß viele Kunstgegenstände eine enge traditionelle und historische Verbundenheit mit dem Belegenheitsstaat aufweisen und ihre Wegnahme eine kulturelle Demütigung darstellt. Dies muß auch für Werke ausländischer Künstler gelten, soweit sie seit langem zum nationalen Kulturbestand gehören wie etwa die Sixtinische Madonna in Dresden. Aber auch der Schatz des Priamos ist angesichts der Repräsentativität seines Entdeckers Schliemann für die deutsche Kulturgeschichte als Teil der deutschen kulturellen Identität anzusehen. Im übrigen erscheint es fraglich, welchem russischen Verlust der Schatz des Priamos gleichwertig sein soll. Überhaupt hat Rußland es bisher versäumt, seine Verluste darzulegen, so daß überhaupt an einen konkreten Ausgleich herangegangen werden könnte.

Die Wegnahme von Kunstwerken im Gefolge von Kriegshandlungen gilt international weitgehend als anstößig; die Kunstwerke werden dadurch aus ihrem nationalen und historischen Kontext gerissen und zu bloßen Eigentumsobjekten degradiert. Leisetreterei hilft hier nicht mehr weiter; auf Geheimdiplomatie oder Auswirkungen der Freundschaft zwischen Bundeskanzler Schröder und dem russischen Präsidenten Putin hofft man seit langem vergebens. Es muß der russischen Seite klargemacht werden, daß der Schatz des Priamos der russischen Kultur auch als Objekt der "Substitution" für eigene Verluste international kein Ansehen verschaffen kann. Seine Präsentation würde Rußlands Ansehen als Kulturstaat beschädigen und es als reinen Machtstaat erscheinen lassen. Deutsche Museen sollten sich nicht scheuen, Abbildungen der nach Rußland verbrachten Kunstobjekte auszustellen und darauf hinzuweisen, daß diese sich "noch" in Rußland befinden.

FRIEDRICH-CHRISTIAN SCHROEDER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eine "beschönigende Perspektive" hält Rezensent Friedrich-Christian Schroeder dieser Dissertation Elena Syssoevas zum Beutekunstproblem vor. Im Verhältnis zu den neueren Arbeiten zum Thema sieht er bei Syssoeva den russischen Standpunkt am deutlichsten zum Ausdruck gebracht. Schroeder veranschaulicht dies an der verwendeten Terminologie: statt von "Beutekunst", "verschleppten" oder "geraubten" Kunstwerken spreche die Autorin von "kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern" und davon, dass die deutschen Kunstobjekte "verlagert", "überführt", "weggeführt", "entnommen" wurden oder in die Sowjetunion "gelangten" usw. Zwar weise Syssoeva das Recht der Sowjetunion und Rußlands auf Kriegsbeute, Plünderung und Reparation in Form von Kunstwerken zurück. Sie meine aber, im Völkergewohnheitsrecht den Grundsatz der Substitution oder "restitution in kind", d.h. des Ersatzes gleichwertiger Kunstobjekte, erkennen zu können. Eine Auffassung, die Schroeder nicht überzeugen kann - zumal die völkerrechtshistorischen Ausführungen Syssoevas seines Erachtens am Problem vorbei gehen, indem sie nur die Pflicht zur Rückerstattung im Kriege entwendeter Kunstgegenstände belegen.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Die sorgfältige wissenschaftliche Vorgehensweise der Autorin erweist sich auch an dem mehr als dreißig Seiten umfassenden Literaturverzeichnis, das neben der einschlägigen deutschen und englischen auch die russische Literatur einbezieht. Ein Vorteil der Untersuchung liegt gewiss in dem Umstand, dass die Autorin die deutsche und die russische Sprache gleichermaßen beherrscht und demnach nicht nur deutschsprachige Dokumente, sondern auch solche in russischer Sprache versteht und in die Untersuchung einbeziehen konnte. Dies war sicherlich eine Voraussetzung, um zu einem ausgewogenen Lösungsvorschlag zu kommen, wie es der Verfasserin gelang. Mein Gesamturteil: eine beeindruckende, fakten- und argumentationsreiche Studie, die in die Tiefe der Auseinandersetzung über die 'Beutekunst' führt und einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion (und hoffentlich auch der bilateralen Verhandlungen) leistet.«
Prof. Dr. Franz Thedieck, in: Archiv für Urheber- und Medienrecht, 1/2007