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Gabriel Lightfoot ist Koch mit Leib und Seele. Für ihn zählt nur, dass seine Hotelküche perfekt funktioniert. Als in den Katakomben des Londoner Hotels Imperial ein Toter gefunden wird, nimmt Gabriel seine Mitarbeiter und ihr Leben zum ersten Mal richtig wahr. Hilflos registriert er Streit, Betrügereien und Ausbeutung - Gabriel schaut weg. Verzweifelt hält er an seinen Plänen fest und verschweigt die junge Zeugin Lena ....

Produktbeschreibung
Gabriel Lightfoot ist Koch mit Leib und Seele. Für ihn zählt nur, dass seine Hotelküche perfekt funktioniert. Als in den Katakomben des Londoner Hotels Imperial ein Toter gefunden wird, nimmt Gabriel seine Mitarbeiter und ihr Leben zum ersten Mal richtig wahr. Hilflos registriert er Streit, Betrügereien und Ausbeutung - Gabriel schaut weg. Verzweifelt hält er an seinen Plänen fest und verschweigt die junge Zeugin Lena ....
Autorenporträt
Ali, Monica
Monica Ali wurde 1967 in Bangladesch geboren, lebt jedoch seit ihrem dritten Lebensjahr in England. Mit "Brick Lane", ihrem ersten Roman, landete sie nicht nur sofort auf der Granta-Liste der besten englischsprachigen Autoren, der Roman wurde auch ein riesiger Erfolg in England. "Brick Lane" wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt. 2006 erschien "Alentejo Blue", ein Band mit Erzählungen, 2009 der Roman "Hotel Imperial". Monica Ali zählt zu den wichtigsten und profiliertesten Schriftstellerinnen Englands. Sie ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in London.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.12.2009

Migration geht durch den Magen

Tote kochen keine Suppe: Monica Ali serviert Multikulturelles aus Londoner Küchen und lässt ein Günter-Wallraff-Double in der britischen Hotellerie Menschenhandel und Ausbeutung aufdecken.

Für Gabriel Lightfoot wird sich der Traum vom eigenen Restaurant in London nicht erfüllen. Das deutet seine geistige Mutter, die britische Schriftstellerin Monica Ali, gleich zu Beginn an: "Im Nachhinein meinte er, dass der Tod des Ukrainers der Zeitpunkt war, von dem an alles aus den Fugen zu geraten begann." So beginnt ihr neuer Roman "Hotel Imperial", dessen Originaltitel "In the Kitchen" noch direkter an den Ort des Geschehens führt: in die Katakomben des fiktiven, 1878 gegründeten Hotels mit der Adresse Piccadilly, also gleich neben dem realen, etwas jüngeren "Ritz". Seit das ehemals noble "Imperial" von der PanContinental Hotel Co., einer internationalen Heuschrecke, übernommen wurde, stehen alle Beschäftigten unter Druck, besonders die in der Küche. Gute Bilanzen sind gefragt, nicht Skandale und schon gar nicht Tote in der Küche.

Es ist aber nicht nur die Vision vom eigenen Restaurant, die sich für Gabe, wie alle den Koch nennen, auflöst wie Zucker im Wasser. Auf der Strecke bleibt auch der Wunsch nach einer eigenen Familie, die der Zweiundvierzigjährige mit seiner Freundin Charlie endlich gründen will. Der Tod seines Mitarbeiters zwingt ihn, seine Untergebenen zum ersten Mal als Mitmenschen wahrzunehmen. Und er rafft sich sogar auf, seinen todkranken Vater Ted daheim, in einer sterbenden Arbeiterstadt in Nordengland, zu besuchen. Beides bringt seine Lebensplanung ziemlich durcheinander.

Der Ukrainer aus dem ersten Satz - das ist der Nachtportier Juri, der tot aufgefunden wird, nackt und in einer Blutlache liegend. Des Lesers Anfangsverdacht, nun würde die Klärung der Todesursache - Mord? - im Vordergrund stehen, verfliegt mit dem Ergebnis der Obduktion. Demnach war Juri bloß betrunken und auf dem Weg zu seiner geheimen Unterkunft gestürzt. Den Toten benötigt die Autorin nicht aus Gründen der Spannung, und doch hat sein Ableben einen kriminellen Hintergrund, wie sich zeigen wird.

Wie "Brick Lane" (F.A.Z. vom 6. März 2004), ihr international gefeiertes und bei der Verfilmung angefeindetes Romandebüt von 2003, trägt auch diese Geschichte aus dem Bauch des Königreichs Züge einer Sozialreportage. Hatte die 1967 in Bangladesch geborene und wegen des dortigen Bürgerkriegs mit ihren Eltern nach England ausgewanderte Autorin in ihrem Erstling den von Bengalen dominierten Straßenzug im Londoner East End als Kulisse für die Wandlung ihrer Heldin Nazneen vom zwangsverheirateten Mädchen aus Bangladesch zur selbstbewussten Frau gewählt, so hat sie den Fokus hier noch etwas enger gestellt - und zugleich weiter. Für die kulinarischen Köstlichkeiten aus der Küche des "Imperial" sorgt nämlich eine bunte Truppe Immigranten aus aller Herren Ländern, die ganz gut die Vielvölker-Metropole London abbildet.

Neben Gabe hat nur noch ein anderer einen britischen Pass, die meisten sind Leiharbeiter oder haben ein noch dubioseres Arbeitsverhältnis. So wie Lena, die spindeldürre Weißrussin, die einer Zuhälterbande entkommen konnte und illegal im "Imperial" arbeitet. Als Gabe ihr in seiner Wohnung Asyl gewährt, riskiert er damit wissentlich seine Heiratspläne - und natürlich steigt der Koch mit der Abwäscherin ins Bett.

Alis Schilderungen aus der Küche des "Imperial" sind ein Angriff auf das von Kochshows und der ganzen "Essenspornographie" vermittelte Bild von gestärkten Schürzen, scharfen Messern und sauberem Benehmen. Ihre durch Recherchen vor Ort fundierte Darstellung des Küchenalltags dagegen zeigt: Kochen ist Schwerstarbeit, in den Katakomben des "Imperial" herrschen Enge, unerträgliche Hitze und Hektik. Durchgeschwitzte Kittel und Unfälle sind ebenso Teil der Realität zwischen Herd und Spüle wie grobe Späße und Intrigen unter der Belegschaft. Und der Chef, nach dessen Ansicht Küchen "zu gleichen Teilen Gefängnis, Irrenanstalt und Gemeindesaal" sind, leidet mit: Der Papierkram, die Besprechungen und Vorschriften haben ihm die Leidenschaft fürs Zubereiten von Speisen verdorben.

Im letzten Drittel bekommt die Geschichte von einem Mann in der Lebensmitte, der an die Chemie von Proteinen glaubt und sein Leben mit To-do-Listen zu organisieren versucht, einen noch aufklärerischen Impetus. Nun lässt Gabe alle seine Pläne sausen, um wie ein Günter Wallraff der britischen Hotellerie Menschenhandel und Ausbeutung aufzudecken. Weniger erstaunlich als diese Wendung ist die Tatsache, dass Ali als Hauptfigur einen Mann gewählt hat. Diesen Rollentausch hat sie bereits in "Alentejo Blue" (2006) erprobt, ihrem verhalten aufgenommenen zweiten Buch, einer Sammlung miteinander verwobener Geschichten über das Leben zwischen Tradition und Moderne in dem südportugiesischen Dorf Mamarrosa (F.A.Z. vom 9. Februar 2007).

Im Großen und Ganzen hat sich Ali gut in die männliche Psyche versetzt, kleine Entgleisungen nicht ausgeschlossen: "Iwan rückte sein Stirnband zurecht, fasste sich in den Schritt und hob seine Eier an, als wären sie Bleigewichte." Auch wenn sie in Vergleichen und Dialogen dem Deftigen zuneigt, bleibt sie handwerklich exakt. Aber bei der Charakterisierung der Küchenmannschaft, die Gabe sein "Einsatzkommando Vereinter Nationen" nennt, vertraut Ali eindeutig zu sehr auf physiognomische Besonderheiten wie das "Blumenkohlohr" von Iwan, den slawischen Mann am Grill oder die "mandelförmigen Augen" von Oona, der jamaikanischen Sous-Chefin. Den Pâtissier Albert dagegen zeichnet sie ganz über seine französische Herkunft. Also spricht er in Anette Grubes Übersetzung notgedrungen so: "Nein, isch glaube nischt." Hat die Autorin ein bezeichnendes Detail gefunden, setzt sie es leider immer wieder ein. Der Detailkritik zum Trotz - mit diesem pulsierenden Roman ist die Immigrantin und Oxford-Absolventin Monica Ali erzählerisch in London angekommen.

REINHARD HELLING

Monica Ali: "Hotel Imperial". Roman. Aus dem Englischen von Anette Grube. Verlag Droemer Knaur, München 2009. 559 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit ihrem Roman "Hotel Imperial" begibt sich Monika Ali in die Küche eines fiktiven, gleichwohl realitätsnahen Londoner Hotels, in dem eine multikulturelle Immigrantentruppe unter schwersten Bedingungen schuftet, lässt Rezensent Reinhard Helling wissen. Das hat Sozialreportage-Charakter und gerät im letzten Drittel des Buches mit den Nachforschungen des Kochs Gabriel Lightfoot zu Menschenhandel und ausbeuterischen Arbeitsbedingungen sogar unversehens zu einer Günter Wallraff alle Ehre machenden Ermittlung, erklärt der Rezensent gefesselt. Im Vordergrund steht allerdings der Koch Gabriel, in den sich die Autorin, wie Helling versichert, durchaus überzeugend hineinversetzen kann, auch wenn ihr mal kleinere sprachliche "Entgleisungen" unterlaufen. Sehr gestört hat den Rezensenten hingegen, dass sich Ali bei der Charakterisierung ihrer Figuren immer wieder an Details festbeißt, die, obwohl im Einzelfall durchaus sprechend, den Rezensenten in der Wiederholung nervten. Trotzdem findet er, dass der 1967 geborenen Autorin, die als Kind mit ihrer Familie aus Bangladesh nach England emigrierte, mit diesem Roman ein überzeugendes Stück multikulturelles London gezeichnet hat.

© Perlentaucher Medien GmbH