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Die tragikomische Odyssee einer griechischen Brigade, die sich im Sommer 1922 auf der Flucht vor den Türken in der anatolischen Wüste verirrt. Nach drei Jahren des Versuchs, die Mittelmeer-Region des türkisch-osmanischen Reichs zu besetzen, zieht sichdie griechische Armee im Sommer 1922 geschlagen aus Kleinasien zurück. Tausende von Soldaten fliehen Richtung Küste, um von dort aus zurück in die Heimat zu gelangen. Eine Brigade jedoch hat sich verirrt, mitten in der anatolischen Wüste und ohne jeden Funkkontakt nach außen. General Nestor scheint seine Truppen im Kreis zu führen, chancenlos und…mehr

Produktbeschreibung
Die tragikomische Odyssee einer griechischen Brigade, die sich im Sommer 1922 auf der Flucht vor den Türken in der anatolischen Wüste verirrt.
Nach drei Jahren des Versuchs, die Mittelmeer-Region des türkisch-osmanischen Reichs zu besetzen, zieht sichdie griechische Armee im Sommer 1922 geschlagen aus Kleinasien zurück. Tausende von Soldaten fliehen Richtung Küste, um von dort aus zurück in die Heimat zu gelangen. Eine Brigade jedoch hat sich verirrt, mitten in der anatolischen Wüste und ohne jeden Funkkontakt nach außen.
General Nestor scheint seine Truppen im Kreis zu führen, chancenlos und ohne Aussicht auf Rettung. Abhängig von immer größeren Mengen an Morphium, gibt er sich seiner Leidenschaft für die griechische Mythologie hin, während die Moral seiner Offiziere langsam im Wüstensand versinkt: eine Reihe von Diebstählen gibt ebensolche Rätsel auf wie die kommunistischen Pamphlete, die seit geraumer Zeit allmorgendlich im Lager entdeckt werden. Die Erinnerung an ein gemeinsam
Autorenporträt
Panos Karnezis, geboren 1967 in Griechenland, zog 1992 nach England und studierte zunächst Ingenieurwesen und im Anschluss Creative Writing an der Unsiversität of East Anglia. Er lebt in Oxford.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.07.2005

Furien zu Krähen
Ausschlafen in der Mythologie: Ein Roman von Panos Karnezis

Ein heruntergekommener Haufen griechischer Soldaten irrt durch die Wüste Kleinasiens. Der Krieg ist verloren, die Armee auf dem Rückmarsch und die Moral am Boden. Mühsam schleppt sich der Heerzug unter der gleißenden Sonne Anatoliens dahin, es kommt zu Streit und Aufbegehren, die Anführer suchen verzweifelt nach einem Ausweg aus dem Labyrinth. Als die zerschlissene Truppe schließlich nach langen Entbehrungen auf einem Bergrücken ankommt, geschieht es: Ein Ruf geht durch die Menge: "Das Meer, das Meer!", und mit einem Mal rennt das ganze Heer dem Strand entgegen. Die Odyssee der Kriegsheimkehrer hat ein Ende, sie haben die Küste des Schwarzen Meers und den Weg in die Heimat gefunden.

Es ist eine packende Geschichte von Niederlage und Rettung, Irrfahrt und Heimkehr, von der die "Anabasis" des Xenophon berichtet, der als Heerführer selbst um 401 vor Christus am griechischen Rückzug aus Persien teilgenommen hatte. Auch der in London lebende griechische Autor Panos Karnezis hat sich ein historisches Vorbild für seinen Roman "Der Irrgarten" gewählt. Er verlegt seine Anabasis in die Zeit des untergehenden Osmanischen Reichs und schildert das Schicksal einer versprengten griechischen Brigade, die im Sommer 1922 durch die anatolische Wüste irrt und das Meer sucht, bis sie schließlich auf eine vom Krieg verschonte griechische Siedlung stößt.

Geführt wird die Truppe von dem unfähigen General Nestor, der dem Morphium ebenso zugeneigt ist wie der antiken Mythologie und die Gewohnheit hat, sein müdes Haupt allnächtlich auf einer Geschichte der griechischen und römischen Mythologie zu betten. Der Autor, denkt man bisweilen, muß es wohl ebenso machen. Denn er nutzt jede Gelegenheit, seine mythologischen Kenntnisse durch bedeutungsvolle Anspielungen auszubreiten und seine Geschichte so in den Koordinaten einer griechischen Tragödie zu verorten.

Tiefe verleiht er dem Erzählten dadurch nicht, im Gegenteil: Vieles wirkt aufgesetzt in diesem Roman, schlecht konstruiert und ohne innere Notwendigkeit. Immer wieder wird zum Beispiel ein ominöses Massaker beschworen, das Nestors Truppe verübt haben soll. Ist das der Grund für das düstere Schicksal der umherirrenden Brigade? Man erfährt es nicht. Die schuldhafte Verstrickung der Handelnden wird nie plausibel gemacht und verläuft sich auch nach einer weiteren Katastrophe in dumpfen Gewissensqualen einzelner Figuren.

Die Furien, die Panos Karnezis den umherirrenden Soldaten auf den Hals hetzt, gleichen ausgestopften Krähen. In jedem Soldatenzelt, Kirchenhaus oder Krämerladen wimmelt es derart bedeutungsvoll von Motten, Mücken und Ratten, daß man den literarischen Kammerjäger rufen will. Statt eine Tragödie zu erzählen, hat der Autor mit beiden Händen in den Kostümfundus orientalischer Dekadenz gegriffen und Xenophons "Rückkehr der Zehntausend" zur Operette ausstaffiert.

Die Vorgänge in der griechischen Siedlung geben ihm Gelegenheit für einige hübsche Reisepassepartouts und orientalistische Vignetten zwischen Hamam und Harem. Auch eine französisch parlierende Puffmutter darf nicht fehlen, die mit dem Bürgermeister das Kamasutra durchprobiert, während sich die Dorfhonoratioren über die Vorzüge der Einsteinschen Relativitätstheorie auslassen. Madam Violetta hatte einst ihren Liebhaber mit einer Voltaire-Büste erschlagen und dann die Flucht aus Paris an die Levante angetreten.

Der Feldgeistliche hingegen, ein glühender Widersacher sowohl der Naturwissenschaft wie der Sünde, finanziert seine Mission, "Apostel aller Anatolier" zu werden, mit Gelegenheitsdiebstählen. Er scheitert, denn sobald die Griechen gehen, nimmt der Untergang des Abendlands seinen Lauf. Am Ende erweisen sich die Araber als zivilisationsunfähige Barbaren, die in einer wilden Orgie der Zerstörung die Bibliothek samt einer "unschätzbar wertvollen Gutenberg-Bibel" verwüsten.

Der Autor will mit der Fabulierlust eines Gabriel García Márquez aufwarten, doch sein Roman gleicht oft einem mit Klischees vollgestopften Sack. Duelle sind unweigerlich "blutig", Geishas lehren "die Lust an der Poesie oder die Poesie der Lust", und Paris ist das "Babylon der belle époque".

Das ist um so enttäuschender, als dem Erzähler Karnezis das Episodenhafte und die Charakterzeichnung durchaus liegen, wie er mit seiner vielversprechenden Sammlung "Kleine Gemeinheiten" bewiesen hat. Auch in "Der Irrgarten" gibt es bisweilen Höhenflüge an Sprachwitz und Einfallsreichtum.

Aber die große epische Bühne des Romans ist kein Kammerspiel. Karnezis hat sie derart mit Requisiten überfrachtet, daß seine Figuren nur noch als Statisten auftreten können. Sie machen den Mund auf und zu, und manchmal sagen sie etwas Schönes oder Gescheites oder Witziges. Doch meist ähneln sie den Schneiderpuppen in einem der Bilder de Chiricos, wie sie so dastehen, bunt und beziehungslos in klassischer Kulisse.

MALTE HERWIG

Panos Karnezis: "Der Irrgarten". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Sky Nonhoff. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2005. 359 S., br., 14,50 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensent Andreas Breitenstein leistet sich einen Totalverriss - und das, obwohl das Buch eigentlich vieles von dem enthält, was einen guten Roman ausmacht. Es wird eine fiktive militärische Episode erzählt, angesiedelt in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts, als der Traum von einem großgriechischen Reich sich als gescheitert entpuppte. Es gibt "äußere Dramatik" und "interessantes Personal", doch der Autor Panos Karnezis macht nach Breitensteins Meinung nichts daraus. Den fortschreitenden geistigen Verfall seiner Protagonisten zu vermitteln gelingt dem Autor beispielsweise nicht - dazu weist das Buch eine zu "brave auktoriale Konstruktion" und "biedere Psychologie" auf, nie jedoch die "dämonische Tiefe", die dem Thema angemessen wäre. Und so kann Breitenstein sich nur seufzend ausmalen, was ein anderer Autor aus diesem Stoff hätte machen können: Ismail Kadare zum Beispiel.

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