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Eine grandios erzählte Satire, die unserer heutigen Mediengesellschaft einen Zerrspiegel menschlicher Verrohung vorführt. Prix Rossel 2002
Irgendwo in Europa herrscht Krieg, seit langem schon, und er findet vor allem im Fernsehen statt. Es ist das Jahr 1978, als ein arbeitsloser Söldner, der für seinen leeren Magen und seinen alten Kumpel Moktar schon einmal gemordet hat, etwas erlebt, bei dem er fast draufgeht. Gelähmt und stumm liegt er im Krankenhaus. Wie er dahin gekommen ist, weiß er nicht mehr ...
Bei seiner Entlassung muss er eine große Enttäuschung verkraften. Ausgerechnet
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Produktbeschreibung
Eine grandios erzählte Satire, die unserer heutigen Mediengesellschaft einen Zerrspiegel menschlicher Verrohung vorführt. Prix Rossel 2002

Irgendwo in Europa herrscht Krieg, seit langem schon, und er findet vor allem im Fernsehen statt. Es ist das Jahr 1978, als ein arbeitsloser Söldner, der für seinen leeren Magen und seinen alten Kumpel Moktar schon einmal gemordet hat, etwas erlebt, bei dem er fast draufgeht. Gelähmt und stumm liegt er im Krankenhaus. Wie er dahin gekommen ist, weiß er nicht mehr ...

Bei seiner Entlassung muss er eine große Enttäuschung verkraften. Ausgerechnet Caroline, die er hätte umbringen sollen, es aber aus Liebe zu ihr nicht getan hat, lastet ihm ein grässliches Verbrechen an.

Thomas Gunzig in einem Interview mit der belgischen Zeitung 'Vers L'Avenir' über sein Buch:

»In meinem Buch wird der Krieg vom Fernsehen unterstützt, um die Einschaltquoten hochzutreiben, also aus purem finanziellem Interesse. Das Fernsehen ist ein ausgezeichnetes Forum für Werbekampagnen. Heutzutage wechselt das Fernsehprogramm ständig zwischen Information, Werbung und Film. Ich habe mir einfach vorgestellt, dass die Grenzen, die diese Bereiche heute noch voneinander trennen, fließend werden, und sie in einem großen Mixer miteinander vermengt. Letztlich habe ich also nur ein karikierendes Licht auf unsere Realität geworfen.«
Autorenporträt
Gunzig, Thomas
Thomas Gunzig, geboren 1970 in Brüssel, studierte Politikwissenschaften und arbeitet heute in einer Brüsseler Buchhandlung. Er hat bereits zahlreiche Erzählungen veröffentlicht, von denen bisher eine auf Deutsch erschien ('Gut organisiert' in: 'Nur wenn ich lache. Neue jüdische Prosa.' Hrsg. von Olga Mannheimer und Ellen Presser; dtv 12955). 'Tod eines Zweisprachigen' ist sein erster Roman, der in Belgien mit dem bedeutendsten Literaturpreis, dem Prix Rossel, ausgezeichnet wurde.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.02.2005

Doktor Gemeinheit lässt bitten
Thomas Gunzigs Debütroman „Tod eines Zweisprachigen”
Der junge belgische Autor und Buchhändler Thomas Gunzig hat seinem ersten Roman den Titel „Tod eines Zweisprachigen” gegeben. Doch handelt das Buch weder von einem Zweisprachigen noch von dessen Tod. Ähnlich wie sein Vorbild Boris Vian wandelt Gunzig auf dem schmalen Pfad des Grotesken. Mit sehr viel Phantasie und dunkelschwarzem Zynismus entwirft der Roman die Lebenschronik eines Scheusals. Schon auf der ersten Seite lässt er keinen Zweifel daran, dass sein Ich-Erzähler ein Widerling ist: „Ich hatte in meinem Leben noch nichts besonders Aufregendes gemacht, aber ich hätte einen Doktorgrad in Sachen Gemeinheiten erlangen können. Ich wusste, wie man Geld abzweigt, Kokain mit Waschpulver streckt, ich konnte den anspruchvollsten Touristen mit dem Mädchentyp in Verbindung bringen, den er suchte.”
Die Handlung spielt zugleich in der Vergangenheit und in der Zukunft. Sie lässt sich wage in Europa lokalisieren. Es herrscht ein durch und durch kommerzialisierter Krieg. Privatsender schließen Exklusivverträge mit Söldnertruppen, die für Einschaltquoten sorgen. Werbeleute inszenieren militärische Operationen als Army-Soaps. Soldaten werden für ihren Einsatz geschminkt und tragen Kampfjacken mit gut sichtbaren Werbeslogans auf dem Rücken. Es ist eine heruntergekommene Kriegskulisse, die der Autor auf das Jahr 1978 datiert. Dass es zu dieser Zeit noch kein Privat- oder Satellitenfernsehen gab und auch japanische Comics noch nicht modern waren und im Fernsehen gezeigt wurden, schert den Autor nicht. Ihn interessiert der kühne Entwurf eines monströsen Sitten- und Seelenpanoramas. Da sind Zeitgeist-Accessoires zweitrangig.
Widerstandsfähig wie eine Kakerlake, die, in einer dunklen Ritze zusammengekauert, noch den heimtückischsten Giftanschlag unbeschadet übersteht, erwacht der Ich-Erzähler im Krankenhaus aus dem Koma. Er ist ein Anspruchsloser, Menschenmaterial, das den Mächtigen klaglos zu Diensten ist, um seine eigene Haut zu retten. Stumm und unbeweglich im Bett liegend, rekonstruiert er in Gedanken die Geschehnisse, die ihn zum Patienten gemacht haben. Aus dem Verhalten des Pflegepersonals schließt er, dass er ein ungeheures Verbrechen begangen haben muss, das aus ihm unbekannten Gründen zum Staatsgeheimnis erklärt wurde. Mit harten Schnitten montiert Gunzig abwechselnd Krankenhauskapitel an Passagen, die die Vorgeschichte erzählen. So entsteht ein absurder Krimi, dessen Szenen in körniger Super-8-Filmästhetik vor dem inneren Auge des Lesers erscheinen.
Haarbürsten im Winter
Der Roman schwelgt in den gröbsten, rohsten und brutalsten Metaphern, als seien es feinste Pralinés, und scheut auch vor abstrusen Vergleichen nicht zurück. Es ist entweder brüllend heiß („Im Hochsommer glich die Stadt einem Bratapfel”) oder klirrend kalt (mitten im Winter erinnert ein Wäldchen an eine „alte Haarbürste”). Er spurtet durch einen Fabulierparcours der Superlative, der in seiner karikaturhaften Überspitzung an das französische Gruseltheater Grand Guignol erinnert.
Der Ich-Erzähler, ein arbeitsloser Söldner und Mörder trifft sich in einem schmierigen vietnamesischen Restaurant mit dubiosen Mafiagestalten. Das Mädchen, für das er so etwas wie Gefühle entwickelt, heißt Minitrip und ist die Freundin des Popstars Jim Jim Slater. Als es zum Streit kommt, schlägt er ihr mitten ins Gesicht: „Ihre Zähne gingen zu Bruch, ihr Gesicht war blutüberstömt. Sie sah aus wie ein kleines Auto, das von einem Bus überrollt worden war.” Als Wiedergutmachung verlangt Jim Jim Slater von ihm, seine Konkurrentin, die Sängerin Caroline Lemonseed, die bei Soldaten sehr beliebt ist, umzubringen. Also verdingt er sich zusammen mit dem slowenischen Kriegsveteranen Moktar, dessen Augen „so dick wie genmanipulierte Litschis” sind, bei der Söldnerdivision „Herbstregen”, um die Sängerin bei einem Frontkonzert zu ermorden. Doch er verliebt sich in das Mädchen und versieht tatenlos seinen Söldnerdienst. Voll gepumpt mit Amphetaminen saugen die Schergen 60 Kindern das Blut aus den Adern, um einigen verletzten Werbe- und Fernseh-Leuten das Leben zu retten.
Auf dem Höhepunkt dieses Grusel-Panoptikums konstatiert der Erzähler: „Die Kinder um uns herum, die kreuz und quer durch die Gegend rannten, ließen mich an ein reifes Feld denken. Wir würden die Ernte einholen.” Im Angesicht des Leichenberges wird er poetisch: „Und der ganze Haufen war von seltsamen, äußerst langsamen und äußerst schönen Bewegungen geprägt. Zarte blasse Glieder auf weißem Grund. Der Haufen Kinder ähnelte einer Seeanemone in der Brandung.”
Thomas Gunzig, der 1970 in Brüssel geboren wurde, gilt in Belgien als große literarische Hoffung. Er hat mit dem Roman „Tod eines Zweisprachigen”, für den er 2001 den renommierten „Prix Rossel” erhielt, eine Groteske über den Zustand der Mediengesellschaft geschrieben, die es an blutigen Horroreffekten mit jedem Manga-Comic aufnehmen kann. Sie hat nur einen Mangel: man hat sie recht schnell vergessen.
JENNY HOCH
THOMAS GUNZIG: Tod eines Zweisprachigen. Aus dem Französischen von Ina Kronenberger. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2004. 217 Seiten, 14,50 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Jenny Hoch stellt den Debütroman des belgischen Autors Thomas Gunzig als "absurden Krimi" vor, der sich auf dem "schmalen Grad der Groteske" bewegt. Die Geschichte spielt irgendwo in Europa und entwirft das Bild eines für kommerzielle Zwecke ausgeschlachteten Krieges, erklärt die Rezensentin. Der Ich-Erzähler ist ein ausgemachtes "Scheusal, der als Söldner den Auftrag bekommt, eine Sängerin zu ermorden, fasst Hoch weiter zusammen. Gunzig schwelge in den "gröbsten, rohsten und brutalsten Metaphern, die in ihrer Überspitzung an das "französische Gruseltheater Grand Guignol" erinnerten, so Hoch fasziniert. Alles in allem ein durchaus "kühner Entwurf" für ein "monströses Sitten- und Seelenpanorama" der Mediengesellschaft, meint Hoch anerkennend, und sie weist auch auf den renommierten "Prix Rossel" hin, den Gunzig für sein Debüt eingeheimst hat. Trotzdem kann sich die Rezensentin des Gefühls nicht erwehren, dass man dieses mit "blutigen Horroreffekten" durchsetze Buch nach dem Lesen "recht schnell vergessen" haben wird.

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