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Der Band präsentiert die Ergebnisse der zeithistorischen Elitenforschung über die sowjetische Besatzungszone und die DDR. Die Beiträge beleuchten eine breites Themenspektrum, das den Elitenwechsel nach 1945, die Konstituierung neuer Macht- und Funktionseliten, ihren Wandel und die Auswirkungen des 1989/90 einsetzenden Transformationsprozesses umfasst. Die Autoren beschreiben die Kontinuitäten und Brüche in der Entwicklung der DDR-Eliten und untersuchen die Rolle von Tradition und Mentalität im Elitenwandel. Anhand detaillierter Studien zu einzelnen Führungsgruppen des SED-Regimes, zu den…mehr

Produktbeschreibung
Der Band präsentiert die Ergebnisse der zeithistorischen Elitenforschung über die sowjetische Besatzungszone und die DDR. Die Beiträge beleuchten eine breites Themenspektrum, das den Elitenwechsel nach 1945, die Konstituierung neuer Macht- und Funktionseliten, ihren Wandel und die Auswirkungen des 1989/90 einsetzenden Transformationsprozesses umfasst. Die Autoren beschreiben die Kontinuitäten und Brüche in der Entwicklung der DDR-Eliten und untersuchen die Rolle von Tradition und Mentalität im Elitenwandel. Anhand detaillierter Studien zu einzelnen Führungsgruppen des SED-Regimes, zu den verschiedenen Segmenten der Macht- und Verwaltungsapparate, zu Expertenkreisen in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur entsteht ein differenziertes Bild von Karrierebedingungen und politischen Haltungen dieser Personengruppen.
Autorenporträt
Peter Hübner, geb. 1944, Dr. sc. phil., war von 1972 bis 1991 wiss. Mitarbeiter am Institut für deutsche Geschichte (Akademie der Wissenschaften der DDR und KAI AdW), 1992 bis 2009 wiss. Mitarbeiter und Projektleiter am Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.07.2000

Aufstieg und Fall der Antifaschisten
Wie SBZ und DDR Eliten rekrutierten

Peter Hübner (Herausgeber): Eliten im Sozialismus. Beiträge zur Sozialgeschichte der DDR. Zeithistorische Studien, Band 15. Böhlau Verlag, Köln, Weimar und Wien 1999. 476 Seiten, 98,- Mark.

Wie kommt ein der Egalität verpflichteter Staat zu seinen Eliten? Kann ein Staat, der unter der Alleinherrschaft einer Partei steht und der die Anpassung an die Parteidoktrin bedingungslos fordert, erfolgreich Personalpolitik betreiben? Zur Beantwortung dieser Grundfragen hat sich in der zeithistorische Forschung über Eliten in der SBZ und der DDR eine ausdifferenzierte Forschungsrichtung entwickelt. Die insgesamt 18 Beiträge des Bandes "Eliten im Sozialismus" sind für diese Entwicklung ein Beispiel. In vier Themenblöcken, die sich mit "allgemeinen Aspekten des realsozialistischen Elitenproblems", den Führungsgruppen im Staatsapparat, in der Wirtschaft und der Wissenschaft beschäftigen, werden Fragen der Elitenrekrutierung, des Elitenwandelns und der Einstellungen der Eliten untersucht. Neben Beiträgen, die sich auf die unmittelbare Nachkriegszeit konzentrieren, finden sich Aufsätze, die dem langfristigen Wandel nachspüren. Gegenüber diesen historischen Beiträgen fällt die Zusammenfassung der Ergebnisse der "Potsdamer Elitestudie", in der 1995 rund 2300 "Inhaber höchster Führungspositionen in Deutschland" befragt wurden, etwas aus dem Rahmen.

Zur Absicherung ihrer Herrschaft setzte die KPD/SED auf den radikalen Elitenwechsel nach 1945. Die damit verbundenen Probleme waren immens. Sebastian Simsch zeigt am Beispiel der Dresdner Region, wie schwierig es in den ersten Nachkriegsjahren war, fähige und linientreue FDGB-Funktionäre zu finden. Um die Positionen zu besetzen, griff man auf "Arbeiterveteranen" zurück, die vor 1933 zum Großteil in der SPD politisch sozialisiert worden waren. Zunehmend wurde vom FDGB die "Wehrmachtsgeneration" einbezogen. Die Grenze zwischen den Altersgruppen blieb fließend, ohne dass Simsch das thematisieren würde. Ein zentrales Moment, das in Partei und Staatsapparat prägend wirkte, war das Ideengebäude des Antifaschismus. Diente der Antifaschismus als Argument zur Vertreibung alter Eliten, war er gleichzeitig das Legitimationskriterium der SED-Führungsriege der ersten Generation. Der Neuanfang wurde heroisiert und mangelnde Kompetenz durch die antifaschistische Einstellung gerechtfertigt. Franz Dahlem, nach 1945 jahrelang Leiter der Kaderarbeit der KPD/SED, schrieb 1946 in einem Aufsatz über den neuen Typus des SED-Funktionärs: "Diese Antifaschisten haben sich in die Arbeit hineingekniet und haben oft in Monaten in der Praxis mehr gelernt, als früher die sogenannten Berufsbeamten in Jahren fertigbrachten." Jürgen Danyel macht in seinem Beitrag aber auch deutlich, dass der mehr und mehr in ritualisierten Formen erstarrte Antifaschismus schon von Mitte der fünfziger Jahre an an Bedeutung verlor. Auf eine bemerkenswerte Kontinuität verweist allerdings Peter Hübner in seiner Einleitung: "Antifaschismus und egalitär verstandene soziale Gleichheit" dienten vor allem der Selbstlegitimation der Führungs- und Funktionärsschicht der SED. Die Bevölkerung der SBZ/DDR erreichten sie damit "nur teilweise". Mit der Öffnung der "Warenlager" in Wandlitz wurde die Scheinlegitimation der propagierten Gleichheit nur allzu offenbar. Haften blieb in der Bevölkerung allerdings ein "Egalitarismus, der empfindlich auf soziale Ungleichheit reagierte und sie mit Ungerechtigkeit übersetzte".

Verbunden mit dem Elitenaustausch auf Grund der antifaschistischen Einstellung war eine Deprofessionalisierung in weiten Teilen des Staatsapparats. Helga A. Welsh zeigt mit Blick auf die Kaderpolitik bei der Auswahl der Bezirkssekretäre, dass das "Spannungsverhältnis zwischen Professionalisierung und autokratischer Herrschaft" während der gesamten SED-Diktatur vorhanden war. Der von allen Autoren beobachtete Elitewechsel Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre, der den fachlich Qualifizierten in verantwortungsvolle Positionen verhalf, brachte zwar Verbesserungen, konnte aber an dem Grundproblem der DDR-Wirtschaft wenig ändern. Das zeigt sich auch am Leitungspersonal der Volkseigenen Güter zwischen 1945 und 1970. Zwar kommt Christel Nehrig zu dem Ergebnis, dass nach dem Mauerbau eine hohe Elitenkontinuität unter den VEG-Managern zu verzeichnen war und sehr gut ausgebildetes Personal eingesetzt wurde. Aber wenn sie Vorschläge zur effektiveren Arbeit unterbreiteten, stießen sie schnell an die Flexibilitätsgrenzen der Planwirtschaft. Ein offensives Auftreten oder gar ein widerständiges Handeln zur Durchsetzung ihrer Ideen war ihnen fremd, hatte sich doch ein "Direktoren-Stamm" herausgebildet, "der sich mit der Machtelite zu arrangieren wusste". Die nahe liegende Frage, wie dieses Wirtschaftssystem bis 1989 funktionsfähig blieb, beantwortet Peter Hübner mit einer gewissen Ehrenrettung für die Funktionseliten: Nicht "im politischen Geschick der Machteliten" lag der Grund für die "Zählebigkeit", sondern "in einer Mischung technokratieähnlicher und improvisatorischer Handlungsmuster der Funktionseliten".

Hatten in Staat und Wirtschaft das nach sowjetischem Vorbild praktizierte Auswahlkonzept der Kaderpolitik und der durch den Antifaschismus legitimierte Elitenaustausch ähnliche Ergebnisse gezeitigt, so galten in der Wissenschaft und Forschung andere Vorbedingungen. "Langsam und widersprüchlicher" - so Arnd Bauernkämper über "Kaderdiktatur und Kadergesellschaft" - verlief der Prozess der Ablösung des Bildungsbürgertums. Ralph Jessen zeigt, wie "erhebliche Teile der Professorenschaft" versuchten, "ihre Handlungsautonomie durch Rückzug in eine apolitische Expertenrolle abzuschirmen". Aber auch hier war das Ergebnis ambivalent: Einerseits vertrug sich dieser "neutrale Expertengestus ... aufs beste mit intensiven Kooperations- und Kollaborationsbeziehungen zum politischen Apparat", andererseits konnten "im Rückzugsgebiet der Institute manchmal auch politikfreie Räume in der durchherrschten Gesellschaft offengehalten werden".

Peter Hübner macht deutlich, wie schnell sich die Führungsschicht der DDR von der "Aufsteiger- zur Etabliertengesellschaft" wandelte. Auffällig an dem Band ist, dass der vergleichende deutsch-deutsche Blick bis auf Jessens Beitrag nicht vorkommt. Auf das größte Manko weist Hübner selbst hin. Studien "zum Kulturbereich, zu den kirchlichen Amtsträgern oder auch zum Entstehen von Gegeneliten kamen nicht zustande. Hier trafen die Wünsche des Herausgebers auf Engpässe im Angebot." Es bleibt also noch einiges zu tun in der Erforschung der DDR-Eliten.

JÜRGEN SCHMIDT

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das Problem der Elitenauswahl werde in den 18 Beiträgen, so Rezensent Jürgen Schmidt, für den Staatsapparat, die Wirtschaft und die Wissenschaft gründlich beleuchtet. Nur die empirische "Potsdamer Elitestudie" falle "etwas aus dem Rahmen". Sehr interessant findet er allerdings, was nicht in den Blick kommt: so fehle der deutsch-deutsche Vergleich mit wenigen Ausnahmen ebenso wie die Entstehung von Eliten und Gegeneliten im Bereich von Kultur und Kirche. Dazu stelle allerdings schon der Herausgeber entschuldigend fest, dass sich dafür keine Experten gefunden hätten. Daher sei, so Jürgen Schmidts Resümee, der vorliegende Band zwar aufschlussreich, aber ergänzungsbedürftig.

© Perlentaucher Medien GmbH