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Dreimal sind in Deutschland im zwanzigsten Jahrhundert Presseanweisungen eingesetzt worden, um Journalisten zu einer amtlich gewünschten Berichterstattung zu veranlassen. Zum ersten Mal war dies im Ersten Weltkrieg der Fall, wozu die Initiative von den Militärs ausging. Das Forum dafür waren Pressebesprechungen in Berlin. Nach der »Machtergreifung« 1933 nutzten die Nationalsozialisten das gleiche Mittel. Auf Pressekonferenzen im Propagandaministerium wurden die Journalisten mit einer wachsenden Zahl solcher Anweisungen angeleitet. Und nach 1945 wurde diese Form der Presselenkung mittels…mehr

Produktbeschreibung
Dreimal sind in Deutschland im zwanzigsten Jahrhundert Presseanweisungen eingesetzt worden, um Journalisten zu einer amtlich gewünschten Berichterstattung zu veranlassen. Zum ersten Mal war dies im Ersten Weltkrieg der Fall, wozu die Initiative von den Militärs ausging. Das Forum dafür waren Pressebesprechungen in Berlin. Nach der »Machtergreifung« 1933 nutzten die Nationalsozialisten das gleiche Mittel. Auf Pressekonferenzen im Propagandaministerium wurden die Journalisten mit einer wachsenden Zahl solcher Anweisungen angeleitet. Und nach 1945 wurde diese Form der Presselenkung mittels verschiedener Instrumente auch in der DDR praktiziert. Eines davon waren die »Donnerstag-Argus«.Untersucht wird im vorliegenden Band die Tradition direkter Presseanweisungen in drei politischen Systemen. Welche Ähnlichkeiten und welche Unterschiede bestanden hier? Dies geschieht, was das Organisatorische anbelangt, auch auf der Basis bisher nicht ausgewerteter Archivquellen. Darüber hinaus werden die Presseanweisungen nach Zahl, Umfang, Themen und Formen analysiert. Insbesondere interessiert, von welchen Arten von Sprechakten dabei Gebrauch gemacht wurde. Obwohl schon viel über Presselenkung im zwanzigsten Jahrhundert geschrieben worden ist, füllt dieser Band inhaltlich und methodisch eine Lücke.
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Autorenporträt
Jürgen Wilke, geboren 1943 im ostpreußischen Goldap, ist seit 1988 Professor für Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.04.2008

Von Scheren und Feilen
Deutsche Presseanweisungen vom Ersten Weltkrieg über das "Dritte Reich" bis zur DDR: Abfassung, Einsatz und Wirkung

In Diktaturen, aber auch in freien Gesellschaften während eines politischen und gesellschaftlichen Ausnahmezustands wird das öffentliche Leben weitgehend von zivilen und militärischen Zensurmaßnahmen, von direkten schriftlichen oder von auf subtilerem Weg angewandten Reglementierungen mit bestimmt. Staatlich kontrollierte Agenturen beeinflussen dabei die Informations- und Nachrichtenverbreitung, Gesetze und Verordnungen steuern die journalistische und publizistische Arbeit und dienen der moralischen und ideologischen Legitimierung der Regierungspolitik. Die Anordnungen unterscheiden sich in Form, Frequenz und Quantität, im Umfang, Grad ihrer Verbindlichkeit und Strafwürdigkeit. Da sich autoritäre Regime generell misstrauisch gegenüber Intellektuellen und einer freien Publizistik verhalten, knüpfen sie ein möglichst engmaschiges Netz von Überwachungs- und Verfolgungsorganisationen und verschärfen den Zugriff durch immer strengere und kleinteiligere Anordnungen.

Das von Jürgen Wilke vorgelegte Buch beschränkt sich auf einen Teilbereich dieser Problematik und verfolgt ausschließlich jene Fragen, die mit Abfassung, Einsatz und Wirkung der vorrangig schriftlichen Reglementierung der Presse zusammenhängen. Mit dem hohen Anspruch eines Systemvergleichs werden die Ergebnisse eines Publizistikseminars der Universität Mainz ausführlich und in anschaulich gestalteten Grafiken präsentiert. Die Beteiligten werteten etliche der bisher veröffentlichten pressegeschichtlichen Untersuchungen zu drei Zeitabschnitten der jüngeren deutschen Geschichte aus und ergänzten sie durch eigenes Aktenstudium. Sie waren bestrebt, die entsprechenden Forderungen der Politiker und Militärs im Weltkrieg 1914/18, in der nationalsozialistischen Diktatur und in der DDR so genau wie möglich zu erfahren und differenziert darzustellen, um durch einen multiperspektivisch angelegten Vergleich tiefere Aufschlüsse über die Presselenkung unterschiedlicher deutscher Regierungssysteme zu gewinnen.

Für die drei höchst verschiedenen historischen Zeitabschnitte setzen die Bearbeiter nahezu durchgehend die gleichen formalen und publizistischen politischen Untersuchungskategorien ein. Es sind neben den historischen Rahmenbedingungen die bestimmenden lnstitutionen und Organisationen, die Themen (Außen- und Innenpolitik, Militärisches, Wirtschaft, Kultur et cetera) und Formen, die lntentionen und konkreten Inhalte, die Frage nach den Journalisten und ihrer Positionierung sowie dem Wirkungspotential der Presseanweisungen. Weshalb sich ein viel zu knapp geratener Exkurs auch noch mit den Überwachungsmaßnahmen in der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn befasst, wird nicht recht klar, doch vermittelt er zumindest erste Einsichten und die Erkenntnis, dass sich ein gründlicher Zugriff lohnte.

Eindeutig im Mittelpunkt des Bandes steht die nationalsozialistische Diktatur. Hier bereichern die Ergebnisse das bisherige Bild eher in den Details der alltäglichen Anwendung, als dass sie mit weiterreichenden Erkenntnissen aufwarten könnten. Die Tendenz, die Übermacht eines nationalsozialistischen "Propagandaapparats ohnegleichen" zu betonen, dürfte in dieser Uneingeschränktheit wohl dem begrenzten Quellenmaterial geschuldet sein und somit der historischen medialen Wirklichkeit nicht sehr nahe kommen. Wie rigoros ideologisch und parteinah die Ausbildung der Journalisten in der DDR angelegt und wie gering die Bewegungsfreiheit für alle Publizisten aufgrund eines ausgefeilten Systems der starren Gängelung, aber auch der Belobigung und Förderung war, wird nicht zuletzt durch die Fülle der aussagekräftigen Zitate belegt.

Bewusst ausgespart blieb übrigens die Frage, wie sich die Anweisungen auf die Gestaltung und die öffentliche Rezeption der Presse ausgewirkt haben. Es ist zwar ehrlich, aber nicht recht verständlich, warum die am Ende des Buches formulierte Selbsterkenntnis, die sich jedem Leser aber bereits früh aufdrängt haben dürfte, dass der hier praktizierte Rückgriff auf die Sprechakttheorie von J. L. Austin und J. R. Searle sich wenig für eine anspruchsvolle kommunikationshistorische Analyse eigne, nicht zur rechtzeitigen Änderung des methodischen Konzepts geführt hat. Denn dass die weitaus größte Anzahl aller Presseanweisungen unter "Direktiven" einzuordnen und noch etliche andere unter ihnen wenigstens befehlenden Charakters beziehungsweise klar anordnend intendiert waren, bedurfte doch eigentlich nicht einer aufwendigen Untersuchung, weil die handlungsorientierte und strafbewehrte Dimension die Eigenart jeder entschiedenen Anweisung ausmacht.

Die Verdienste dieses Werkes, in dem die Schwierigkeiten eines Systemvergleichs unterschätzt, gleiche und ähnliche Zustände, Absichten und Entwicklungen stärker betont werden als das Divergierende und historisch Einmalig-Originelle, liegen nicht vorrangig in dem vergleichenden Verfahren, sondern zum einen in den erstmals intensiver aus den Akten gearbeiteten Studien zu den Presseanweisungen im Ersten Weltkrieg und in der DDR und zum anderen in den mit großer Akribie erstellten Übersichten und Statistiken zu allen vier Zeitabschnitten.

BERND SÖSEMANN

Jürgen Wilke: Presseanweisungen im zwanzigsten Jahrhundert. Erster Weltkrieg - Drittes Reich - DDR. Böhlau Verlag, Köln 2007. 348 S., 42,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Einen nüchternen Blick wirft Bernd Sösemann auf diese Untersuchung der Presseanweisungen vom Ersten Weltkrieg über das "Dritte Reich" bis zur DDR, die Jürgen Wilke vorgelegt hat. Er attestiert dem Autor, neben der Auswertung von pressegeschichtlichen Abhandlungen auch ein intensives eigenes Aktenstudium. Im Blick auf die vergleichende Perspektive hält er ihm vor, die Schwierigkeiten eines Systemvergleichs zu unterschätzen. Insbesondere moniert er, dass die Ähnlichkeiten stärker betont werden als die Unterschiede und das historisch Einmalige. Die Stärke des Bands sieht er dann auch nicht im vergleichenden Ansatz, sondern in der eingehenden, aus den Akten gearbeiteten Darstellung der Presseanweisungen im Ersten Weltkrieg und in der DDR sowie in den sorgfältigen Übersichten und Statistiken zu den verschiedenen Zeitabschnitten.

© Perlentaucher Medien GmbH