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Fest steht: Angesichts der fundamentalen gesellschaftlichen Veränderungen unserer Gegenwart ist die kritische Kompetenz der Geistes- und Kulturwissenschaften notwendiger denn je. Die Leistungen, die sie erbringen, müssen und können aber wesentlich entschiedener vertreten werden. So wirft dieser Band auch kritische Blicke auf die eigenen Disziplinen und schlägt neue Töne an. Die Autorinnen und Autoren sind allesamt Geistes- und Kulturwissenschaftler, die mitten im Leben und im Beruf stehen. Sie verkünden das Ende der intellektuellen, politischen und definitorischen Bescheidenheit und…mehr

Produktbeschreibung
Fest steht: Angesichts der fundamentalen gesellschaftlichen Veränderungen unserer Gegenwart ist die kritische Kompetenz der Geistes- und Kulturwissenschaften notwendiger denn je. Die Leistungen, die sie erbringen, müssen und können aber wesentlich entschiedener vertreten werden. So wirft dieser Band auch kritische Blicke auf die eigenen Disziplinen und schlägt neue Töne an. Die Autorinnen und Autoren sind allesamt Geistes- und Kulturwissenschaftler, die mitten im Leben und im Beruf stehen. Sie verkünden das Ende der intellektuellen, politischen und definitorischen Bescheidenheit und formulieren zentrale Kriterien einer Orientierung der Kulturwissenschaften entlang aktueller gesellschaftlicher Problemlagen. Mit Beiträgen von Josef Früchtl, Petra Gehring, Michael Jeismann, Albrecht Koschorke, Michael Pauen, Claudia Schmölders, Wolfgang Ullrich, Barbara Vinken, Cornelia Vismann, Elisabeth von Thadden, Uwe Justus Wenzel und anderen.
Autorenporträt
Prof. Dr. Ludger Heidbrink ist Direktor des Center for Responsibility Research am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen und Professor für Corporate Citizenship & Responsibility an der Universität Witten- Herdecke.

Harald Welzer, geboren 1958, ist Sozialpsychologe und Direktor von FUTURZWEI. Stiftung Zukunftsfähigkeit.
Seine Bücher sind in 15 Sprachen übersetzt worden.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.03.2007

Das Ende der schönen Asozialität
Kulturwissenschaftler als Berater
Die Kulturwissenschaften zählen heute zum akademischen Establishment. Nur manchmal noch klingen aus weiter Ferne die heroischen Geschichten ihrer Anfänge herüber. Vorbei sind die Zeiten, als die jungen Wilden – die heute an der Emeritierungsgrenze stehen – mit der strukturalistischen Schmuggelware aus Paris kamen – und von den etablierten Zunftmatadoren mit Bannformeln belegt wurden.
Heute erinnert nur noch wenig an die Gründung der Kulturwissenschaften aus dem Geist der Rebellion. Wie keine andere Richtung wurden sie in den letzten Jahren gehätschelt und gemästet. Mit der „Interdisziplinarität” – die noch immer den sichersten Griff zu den Geldtöpfen verspricht – scheint die Kulturwissenschaft natürlich verwachsen zu sein. Was sie auch sonst wissenschaftlich geleistet hat – die „Drittmittel-Kultur” hat die Kulturwissenschaft ohne Frage den Weg bereitet.
Zu einem ganz „unbescheiden” anderen Ergebnis kommen die Herausgeber Ludger Heidbrink und Harald Welzer in ihrem Sammelbändchen zur Lage der Kultur- und Geisteswissenschaften. Sie flüchten sich in die Offensive und läuten das „Ende der Bescheidenheit” erst einmal ein. All zuviel Kleinmut und Larmoyanz beherrschten die Szene. Anstatt die ewigen bösen Schurken, die dominanten Naturwissenschaften und den ökonomischen „Terror des Nutzens” wortreich zu beklagen, sollen die Kulturwissenschaften nach dem Willen der Herausgeber – „Schluss mit nutzlos!” (Welzer) – auch endlich nützlich sein. Ausdrücklich versteht das Bändchen sich als Mutmacher.
Aber es überrascht dann doch zu sehen, worin die Herausgeber vor allem das Heil der Kulturwissenschaften erblicken – in jener „Gesellschaftsorientierung”, der das Fach vor zwanzig Jahren mit der Umstellung des Paradigmas von Gesellschaft auf Kultur doch so großspurig entsagte. Gehörte es einst zum stolzen theoretischen Proprium der Kulturwissenschaften, auf konstruktivistischen Abstand zur Wirklichkeit zu halten – so sollen die Kulturwissenschaften sich heute gesellschaftlich einmischen und an vorderster Front auf die aktuellen politischen „Problemlagen” reagieren. Die Zeiten, in denen die Kulturwissenschaften aus ihrer Asozialität eine akademische Tugend machten, scheinen sich dem Ende zuzuneigen.
Zu den Stärken des vielstimmigen Buches gehört, dass sich nicht alle Beiträger den großsprecherischen Parolen der Herausgeber beugen. An die Bescheidenheit einer wirklichen Geistesgröße wie Niklas Luhmann, dem ein Bleistift und Papierzettel für seine Theorie der Gesellschaft noch vollauf genügten, wird erinnert. Mit wenigen Ausreißern meldet sich hier noch einmal der Jahrgang um 1960 zur Wort, dessen akademische Sozialisation eng mit dem Aufstieg der Kulturwissenschaften in den Achtziger Jahren verbunden ist – und der nun ein wenig ratlos und bedrückt auf das flügellahme Fach schaut. Die vielen kleinen akademischen Häppchen verstärken wieder einmal den Eindruck: Die Kulturwissenschaften sind reich an Absichtserklärungen, Programmatiken und Antragsskizzen – aber arm an Maßstab setzenden Monographien und gelehrten Studien.
Am Anfang aller kulturwissenschaftlichen Manifeste stand die „Austreibung des Geistes aus den Geisteswissenschaften”. Heute dagegen scheinen, wie selbst der kulturwissenschaftliche Exponent, der Literaturwissenschaftler Albrecht Koschorke ernüchtert feststellt, „so fundamentale und weitsichtige Unternehmungen” wie Joachim Ritters „Historisches Wörterbuch der Philosophie”, Reinhart Kosellecks „Geschichtliche Grundbegriffe” oder auch die Forschungsgruppe „Poetik und Hermeneutik” kaum mehr möglich zu sein. Man muss sicher nicht gleich mit einem schwarzen pädagogischen Bestseller des vergangenen Herbstes wieder das „Lob der Disziplin” singen – aber eine Re-Disziplinierung der Kulturwissenschaften, die allzu lange zügellos dem Abseitigen und Spekulativen gefrönt haben, wäre vielleicht auch im Jahr der Geisteswissenschaften eine erlaubte bescheidene Hoffnung. STEPHAN SCHLAK
Viele Absichten und Programme – wenige große Monographien und Studien
Ludger Heidbrink, Harald Welzer (Hrsg.):
Das Ende der Bescheidenheit
Zur Verbesserung der Geistes- und Kulturwissenschaften.
Verlag C.H. Beck, München 2007.
192 Seiten, 12,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nicht immer einverstanden ist Stephan Schalk mit diesem Band zur Lage der Geistes- und Kulturwissenschaften. In der offensiven Haltung der Herausgeber Ludger Heidbrink und Harald Welzer, die ein "Ende der Bescheidenheit" fordern, sieht er eher eine Flucht als einen Angriff. Auch das Plädoyer, die Geistes- und Kulturwissenschaften sollten sich in Sachen "Gesellschaftsorientierung" gesellschaftlich nützlich machen, hält er für fragwürdig. Zu seiner Freude bietet der Band aber auch Stimmen, die sich nicht den "großsprecherischen Parolen" der Herausgeber beugen, wie der Beitrag über Niklas Luhmann. Insgesamt vermitteln die zahlreichen "akademischen Häppchen" bei Schalk allerdings einmal mehr den Eindruck, die Kulturwissenschaften seien zwar reich an Ansichtserklärungen, Programmatiken und Antragsskizzen, aber arm an großen Studien und Monografien. Statt des "Endes der Bescheidenheit" votiert Schalk erst mal für eine gewisse Disziplinierung der Kulturwissenschaften, haben sie in einen Augen doch "allzu lange zügellos" dem "Abseitigen und Spekulativen" gefrönt.

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