Marktplatzangebote
11 Angebote ab € 2,25 €
  • Gebundenes Buch

Zweimal mißlingt der Abschied vom Vater. So muß sie ihn sich schreibend erfinden, ihn im Roman seines Lebens Gestalt gewinnen lassen. Dagmar Leupolds Roman über ihren Vater Rudolf Leupold (1913-1986) geht, dicht, anschaulich, zugleich fragend und deutend, den Spuren eines Lebens nach, das sich, hinter einem Wall familiärer Legenden verborgen, erst nachträglich fassen läßt. Dabei wird die alles entscheidende Dynamik dieses Lebens erkenntlich, der geradezu verzweifelte Geltungsdrang, der sich mal im Deutschnationalismus, mal in der Mathematik den ersehnten Erfolg verspricht, zuletzt aber in dem…mehr

Produktbeschreibung
Zweimal mißlingt der Abschied vom Vater. So muß sie ihn sich schreibend erfinden, ihn im Roman seines Lebens Gestalt gewinnen lassen. Dagmar Leupolds Roman über ihren Vater Rudolf Leupold (1913-1986) geht, dicht, anschaulich, zugleich fragend und deutend, den Spuren eines Lebens nach, das sich, hinter einem Wall familiärer Legenden verborgen, erst nachträglich fassen läßt. Dabei wird die alles entscheidende Dynamik dieses Lebens erkenntlich, der geradezu verzweifelte Geltungsdrang, der sich mal im Deutschnationalismus, mal in der Mathematik den ersehnten Erfolg verspricht, zuletzt aber in dem - unerfüllten - Wunsch gipfelt: zu schreiben. Der Vater, in der deutschen Enklave Bielitz geboren, die 1918 polnisch wurde, spricht beide Sprachen fließend und ist mathematisch hochbegabt. Vom Gefühl nationaler Kränkung und der Hoffnung auf Karriere getragen, hat er sich im NS-System dabei mehr engagiert, als die Tochter zu seinen Lebzeiten ahnte. Der im Krieg versehrte, von Schlaflosigkeit gequälte, manchmal genialisch-charismatische, oft aber auch die Familie mit Tiraden und Wutausbrüchen strapazierende Vater ist nach dem Krieg eher ein Liberaler.
Dagmar Leupolds literarische Recherche bietet nicht den alle Lücken schließenden, alle Wunden heilenden Familienroman, sondern ist eine kluge, poetisch aufgeladene, tief in die Konkretion versenkte Erkundung einer Generation.
Autorenporträt
Dagmar Leupold, geb. 1955, lebt in Kirchseeon bei München. Für ihre Werke erhielt sie u. a. den Aspekte-Literaturpreis, den Montblanc-Literaturpreis und den Förderungspreis der Bayerischen Akademie der Künste.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.08.2004

Drei Finger und ein Esel
Versuchte Vaterschlachtung: Dagmar Leupolds Roman „Zwischen den Kriegen”
Es hört nicht auf. Immer neue Filme, Fernsehserien, Bücher. Die Wehrmachtsausstellung und Christopher Brownings Recherche lösten nach sechzig Jahren Bedenkzeit eine neue Bekenntniswelle aus. Auf Uwe Timm, Wibke Bruhns und Ulla Hahn folgt Dagmar Leupold. Der Krieg, schreibt sie, teilte die Familie wie ein Graben, in diejenigen, die an ihm teilgenommen haben und in die Nachgeborenen. Ihr Roman zeigt die Idiosynkrasien Nachkriegsdeutschlands an der Figur des eigenen Vaters, 1913 in der deutschsprachigen Enklave Bielitz in der Nähe Krakaus geboren, Student in Lemberg, Kriegsteilnehmer, Parteimitglied, Obergefreiter, heimatvertrieben, ein Flüchtling, der sich als Deutscher zweiter Klasse empfand. Die unterdrückte Wut reagiert sich am Ehrgeiz ab. So kann das Wirtschaftswunder auch erklärt werden.
Die Tochter schreibt das Buch, das der Vater schreiben wollte. Doch kein Satz würde ihm gefallen. Sein Zeugnis fällt schlecht aus, es ist eine Totalvernichtung. Der Mathematik- und Physiklehrer Dr. Rudolf Leupold, starker Raucher, fanatischer Skat- und Bridgespieler, standesbewusst, liegt seit 1988 auf dem Mainzer Friedhof. Im gleichen Jahr erschien Dagmar Leupolds erste Gedichtveröffentlichung, 2002 folgte der Roman, der sie bekannt machte: „Edmond: Geschichte einer Sehnsucht”, vor zwei Jahren „Eden Plaza”, der Roman einer Liebes- und Gesprächsnacht. Dagmar Leupold ist eine distanzierte Autorin, sehr reflektiert. Reinhard Baumgart sah ihre Prosa auf dem Hochseil zwischen Schreiben und Leben, aber das stimmt nicht. Dagmar Leupold schwebt nicht. Sie geht zehn Schritte vor und mindestens zwei zurück, um sich selbst zu interpretieren.
„Nach den Kriegen” ist eine Erinnerungsvermischung der erwachsenen Tochter. Auf die Befragung der Kindheit folgt die zeitgeschichtliche Recherche, die Rudolf Leupolds Leben in den Zusammenhang seiner Herkunft, prägender Jugenderfahrungen, seiner Kriegsverwundungen und seiner Lektüre (Benn, Jünger, Thomas Mann) stellt. Kurze Auszüge aus seinem Kriegstagebuch und Verweise auf im Anhang genannte Literatur unterstützen den teildokumentarischen Charakter. Beobachtung, Erinnerung, Mutmaßungen und Unterstellungen sind zeitgeschichtlich eingeordnet.
„Nach den Kriegen” beginnt im Krankenzimmer. Der Patient besteht aus Haut und Schläuchen, empfängt die aus Amerika herbeigeeilte Tochter mit der Bitte: „eine rauchen”, und der Frage: „was macht die Logik?” Eine Konversation zum Fürchten. Da liegt, macht- und wehrlos, ein Studienrat, der Perserteppiche, Goldmünzen und Zinnbecher sammelte, seine Hilfe im Haushalt auf die Reinigung des eigenen Schildpatt-Kamms und seiner Schuhspitzen beschränkte (die Absätze putzte seine Frau) und im späteren Leben Jagd auf Wolfsmilch im eigenen und auf Gartenzwerge in Nachbars Garten machte. Das hat Züge des Grotesken. Dagmar Leupold erkennt die trostlose Komik, sonst hätte sie solche Episoden nicht beschrieben, aber sie kann sie nicht auskosten.
Der Kreisschulrat und Goebbels
Sie zeigt einen gottserbärmlich autoritären, dünkelhaften und familienresistenten Mann, der tut, was ihm gefällt, seine Frau und seine drei Töchter folgen schweigend und in gehörigem Abstand. Die Passiven hören dem Alleinunterhalter zu, bis das Fernsehen die dominante Rolle übernimmt. R.L. sprach, so behauptet die Tochter, immer über den Krieg. Was er sprach, interessiert sie nicht. An Kritik oder Distanzierung von den Verbrechen kann sie sich nicht erinnern. Im Gedächtnis geblieben ist nur der Esel, hinter dem der Obergefreite in Deckung ging. Der Vater verlor dreieinhalb Finger, der Esel sein Leben.
Das war die Poesie des Familienlebens in den bedrückenden frühen sechziger Jahren, bestimmt von den Kriegsheimkehrern, die in der friedlichen Gegenwart nicht angekommen waren. Rudolf Leupold ist der vertriebene Überlebende, der aus dem Verlust einen Lebensvorwurf macht, ruhe- und schlaflos durch die Oberlahnsteiner Etagenwohnung und später durch das Haus in Mainz tigert, erfüllt von jenen „Unlustmotiven”, die Freud als das universale Motiv hinter den Reflexen des Vergessens und Verdrängens vermutete. Die junge Frau am Krankenbett fragt sich, was ihn freute und ängstigte. Ihr aufrichtiges Resümee: „Ich weiß fast nichts.”
Dagmar Leupold sieht für die prekäre Charaktermischung aus Härte und Sentimentalität Ansätze in der Armut der Kindheit, die den Ehrgeiz wachruft. Weshalb der in beschlagnahmte Wohnungen einquartierte Kreisschulrat im Distrikt Krakau keine Fragen stellt, warum er 1941 in die NSDAP eintritt, seinem Tagebuch „Zwiegespräche mit Goebbels” anvertraut und sich nach der Führung „über Menschen” sehnt, hat sie den Vater nie gefragt. Vater und Tochter haben wenigstens zwei Gemeinsamkeiten, sie wollten berühmt und Schriftsteller werden! Und keine Biografie ohne Anpfiff für leibliche Mütter. R.L.’s Mutter hatte dem Sohn eingeredet, für „Höheres” bestimmt zu sein.
In den Diensttagebüchern des Hans Frank, polnischer Generalgouverneur, Hauptkriegsverbrecher und R.L.’s Chef, findet Dagmar Leupold Worte zur Vernichtung der Juden, die Frank, der promovierte Jurist und Max-Weber-Verehrer, als „außerordentlich schädliche Fresser” bezeichnete. So etwas schreibt Rudolf Leupold nicht. Seine Tagebücher erscheinen der Tochter geradezu „buddhistisch”. Benn und Jünger sind die Paten, er schreibt ihnen hinterher, nicht geläutert, sondern „angepasst”. Das ist der stärkste Vorwurf, den Dagmar Leupold ihrem Vater macht. Für sie war er ein Opportunist, der dem Nationalsozialismus nur so lange ideologisch nah war, „wie es ihm zum Vorteil gereichte”. Damit nimmt sie ihn, vielleicht unbewusst, in Schutz. Deutschsein, räsoniert sie, hatte nach dem Krieg für ihn nichts Auszeichnendes. Persönlich hat sie den Vater denunziert, politisch nicht. Die Tochter steht mit Mimosen am Grab. Weshalb liebte er diese empfindlichen Blumen?
Dagmar Leupolds versuchte Vaterschlachtung ist ein Zwitter aus subjektiv leicht erzähltem Stoff und Recherche. Sechzehn Jahre hat sie das Buch wie eine Mutprobe hinausgezögert und es nun geschafft, das Portrait eines verstörten, zu kurz gekommenen, kriegsversehrten autoritären Überlebenden zu zeigen. So hinterlässt R.L. der Nachwelt doch etwas: Die verallgemeinerbare Erklärung, weshalb für ihn der Krieg nie aufhörte und der Graben zwischen den Lebenden und den Toten unüberwindlich war.
VERENA AUFFERMANN
DAGMAR LEUPOLD: Nach den Kriegen. Roman eines Lebens. C.H. Beck Verlag, München 2004. 221 Seiten, 17,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.02.2005

Nachdenken über Rudolf L.
Vater, philologisch betrachtet: Dagmar Leupolds Familiengeschichte

"Er hat alles, was Sie vom Rauchen haben können", erklärt die Krankenschwester der jungen Frau, die aus Amerika gekommen ist, um von ihrem sterbenden Vater Abschied zu nehmen. Beim Kauf ihres Tickets mußte sie sich auf ein festes Datum für den Rückflug festlegen, doch der Tod hält sich nicht an Termine. Nur wenige Tage nach ihrer Rückkehr bucht sie darum einen zweiten Flug nach Deutschland, zur Beerdigung. Später wird sie sich an die großen Erwartungen erinnern, die mit dieser Reise verbunden waren: "Ich hatte mir Klarheit vom Ende erhofft."

In ihrem autobiographisch gefärbten Roman "Nach den Kriegen" macht sich die Schriftstellerin Dagmar Leupold fast zwanzig Jahre nach dem Tod ihres Vaters auf die Suche nach seiner Vergangenheit. Rudolf Leupold, der 1986 als pensionierter Studienrat für Mathematik und Physik in Mainz verstarb, war 1913 im schlesischen Bielitz zur Welt gekommen, und sowohl sein Geburtsort als auch die "Narben der Einschüsse", die die Tochter im Krankenhaus zum letzten Mal betrachtet, führen zurück in die Nazi-Zeit. Ähnlich wie Wibke Bruhns' großer Erfolg "Meines Vaters Land" gehört also auch "Nach den Kriegen" zu den derzeit beliebten Familienrecherchen, die den Verstrickungen der Eltern und Großeltern gewidmet sind.

Zunächst geht es in diesem "Roman eines Lebens" allerdings um den Alltag der Familie in den fünfziger und sechziger Jahren. In knapper und angenehm distanzierter Prosa erinnert sich die 1955 geborene Dagmar Leupold an das "heikle Zusammenleben", das vor allem durch die Wutausbrüche des Vaters bestimmt ist. Während der gemeinsamen Mahlzeiten schimpft er auf unfähige Kollegen und Vorgesetzte, zieht sich am Nachmittag stundenlang zurück, um der Mutter durch einen dichten Schleier von Zigarettenrauch hindurch Briefe, Beschwerden und ganze Bücher zu diktieren, und verbringt seine schlaflosen Nächte damit, die knarrenden Treppen auf und ab zu laufen, bis er schließlich erschöpft am Küchentisch zusammenbricht: "Die Finger nikotingelb, vor ihm der volle Aschenbecher, die Schachtel HB, die Tasse Kaffee, Zuckerreste am Boden."

Die Jahre des Wirtschaftswunders vergehen in einer Mischung aus "Bausparen und schlechter Laune". Weder das Eigenheim noch die teuren, auf Raten gekauften Möbel können die Verletzungen aufwiegen, die der Vater als Invalide und Heimatvertriebener glaubt erfahren zu haben. "Angriffe, Lazarette, Schußwunden und Schlesien" stehen darum immer wieder im Mittelpunkt seiner endlosen, verbitterten Monologe, und dieses Übermaß der väterlichen Erinnerung läßt die Tochter Jahre später mißtrauisch werden: "Es gibt ein Erzählen, das darauf abzielt, den Zuhörer von der berichteten Erfahrung auszuschließen, statt ihn daran teilnehmen zu lassen." Mit diesem Satz leitet Dagmar Leupold den zweiten Teil ihres Romans ein, in dem sie sich nach der Beerdigung als "nachgelassene Tochter" den Tagebüchern des Vaters widmet: Klarheit, vom Ende her.

Es warten unangenehme Entdeckungen auf sie. Der Vater, der sich in den sechziger Jahren als notorischer Querulant mit seinen Sympathien für die studentische Linke brüstete und Willy Brandt wählte, war 1935 in seiner Heimatstadt Bielsko in die völkisch ausgerichtete "Jungdeutsche Partei für Polen" eingetreten. Nach dem Überfall auf Polen tritt er in den Dienst der Verwaltung und nimmt im Generalgouvernement die Stelle eines "kommissarischen Kreisschulrates" an. "Ich sehne mich nach der Führung über Menschen", vertraut er kurz vor seiner Einberufung in die Wehrmacht seinem Tagebuch an. "Wie kann ein kluger, gebildeter Mann so verblendet sein", fragt sich Dagmar Leupold bei der Lektüre, "daß er Krieg und Völkermord nicht mit einem einzigen kritischen Wort kommentiert, sondern diese als eine Wegbereitung wahrnimmt, die ihm das Erreichen seiner ehrgeizigen Ziele wesentlich erleichtert?"

Auf der Suche nach einer Antwort auf diese bereits etwas umständlich formulierte Frage verwandelt sich "Nach den Kriegen" von einem Roman mehr oder weniger in eine literaturwissenschaftliche Seminararbeit mit hohem Betroffenheitsfaktor. Die schockierende Erkenntnis, daß die endlosen Erzählungen am Eßtisch die Wirklichkeit nicht nur beschönigten, sondern "nahezu fiktiv" waren, hat die studierte Germanistin Dagmar Leupold dazu verführt, sich ihrem Vater mit den Mitteln der Textkritik und des historischen Kommentars zu nähern. So ist zwischen abstrakten akademischen Formulierungen und verschachtelten Sätzen schon bald nichts mehr von dem schlichten und schönen Tonfall zu hören, mit dem der Roman zunächst so vielversprechend begonnen hatte, und darüber hinaus finden sich nun auch so sonderbare Stilblüten wie die Bemerkung hinsichtlich der "Masterpoints", die der Vater während seines Fronteinsatzes im übertragenen Sinne gesammelt haben soll.

"Nach den Kriegen" scheitert jedoch nicht allein an den sprachlichen Ungeschicklichkeiten, sondern vor allem an seinen intellektuellen Anstrengungen. Akribisch spürt Dagmar Leupold in den Aufzeichnungen ihres Vaters unter anderem Zitate aus den Tagebüchern von Ernst Jünger und später auch aus Gottfried Benns Sammlung "Der Ptolemäer" auf und versucht nachzuweisen, daß auch "R. L.", wie sie ihn jetzt nur noch nennt, gegenüber dem "Dritten Reich" keine Stellung, sondern nur eine Pose eingenommen hat. Darüber hinaus hat sie die Forschungsliteratur gewälzt und führt unter anderem Christopher Brownings Wort vom "gedemütigten Nationalismus" an, um sich die "strukturell empfundene Zurücksetzung" der Deutschen zu erklären, für die der verlorene Krieg vor allem eine persönliche Niederlage war.

Nur ihren Vater, den sie in den ersten Kapiteln in so eindringlichen Bildern beschrieben hatte, verliert Dagmar Leupold bei diesen immer mehr ins Allgemeine gehenden Betrachtungen aus den Augen. Der verkrüppelte und vom Leben enttäuschte Rudolf Leupold, dem die Handgranate eines serbischen Partisanen nicht einmal genug Finger gelassen hatte, um seine Tochter bei einem Spaziergang an die Hand zu nehmen, wird von Seite zu Seite mehr zu einem blassen, körperlosen Diskurs: "radikal diskontinuierlich einerseits und erschreckend kontinuierlich andererseits". Mehr läßt sich über ihn zuletzt nicht sagen. Wenn das die Sprache der Erinnerung ist, wird noch vieles im verborgenen bleiben.

KOLJA MENSING

Dagmar Leupold "Nach den Kriegen. Roman eines Lebens". Verlag C. H. Beck, München 2004. 220 S. , geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Die Lektüre eines Buches beginnt mit dem Umschlag, der im Fall des neuen Romans von Damar Leupold schön und treffend zugleich ausgefallen ist, schwärmt Angelika Overath. Eine Collage, welche die Beziehung einer jüngeren Frau zu einem älteren Mann ins Bild setzt, der wie in einer anderen Zeit zu verschwinden droht, so Overath, womit die Rezensentin die Geschichte des Buches schon umrissen hätte: die Erzählerin Dagmar Leupold erstellt ein Suchbild ihres Vaters Rudolf Leupold, der stärker in den Nationalsozialismus verwickelt war, als die Tochter ahnte. Zugleich unternimmt sie es, seinen großen Traum eines autobiografischen "Roman eines Lebens" zu Ende zu führen. Als die literarisch eindrücklichsten Passagen sind bei Overath diejenigen aus Dagmar Leupolds Kindheit haften geblieben; später wird das Buch immer intellektueller, meint die Rezensentin keineswegs abfällig, da konzentriere sich Leupold auf ihre Rolle als Historikerin, die Wehrmachtsmaterialien auswertet, oder als Literaturkritikerin, die in den begonnenen Texten des Vaters Verwandtschaften zu Jünger, Benn und Thomas Mann aufspürt. Die Suche scheitere in allen Ehren, fasst Overath zusammen, statt der Wahrheit über den Vater zeige sich ein "mentalitätsgeschichtlicher Dunstkreis", den Dagmar Leupold möglichst akribisch und unsentimental erforsche.

© Perlentaucher Medien GmbH