Marktplatzangebote
11 Angebote ab € 2,61 €
  • Gebundenes Buch

Der 39-jährige Moser wird tot aufgefunden. Neben ihm findet sich ein leeres Tablettenfläschchen und ein Brief an seine Frau Vita, die bereits vor einigen Jahren starb. Philip, der engste Freund des Toten, beginnt nun sich intensiv mit dem Leben Mosers auseinander zu setzen. Ein unterhaltsames, intelligentes, stellenweise tieftrauriges, dann wieder sehr heiteres, vor allem aber ein kluges Buch über Freundschaft und über das Bild, das wir uns von den anderen machen.

Produktbeschreibung
Der 39-jährige Moser wird tot aufgefunden. Neben ihm findet sich ein leeres Tablettenfläschchen und ein Brief an seine Frau Vita, die bereits vor einigen Jahren starb. Philip, der engste Freund des Toten, beginnt nun sich intensiv mit dem Leben Mosers auseinander zu setzen. Ein unterhaltsames, intelligentes, stellenweise tieftrauriges, dann wieder sehr heiteres, vor allem aber ein kluges Buch über Freundschaft und über das Bild, das wir uns von den anderen machen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.01.2001

Ein Mann, ein Bund
Keith Ovendens Roman von Männern, die das Leben versäumen: „Eine Art Vermächtnis”
Männerbünde scheinen literarisch in Mode zu kommen. Nicht nur unter den 20- bis 30-Jährigen, die sich cliquenartig zusammentun, um Zigarren zu rauchen und über Herrenmode zu diskutieren – nein, auch die reifere Generation der 40- bis 50-Jährigen besinnt sich der Vorzüge der guten alten Männerfreundschaft. Der Franzose Bruno Bayen etwa erzählt in seinem Roman „Die Verärgerten” von den Freunden Jean und Osmer, die sich unentwegt gegenseitig bespiegeln und Frauen sozusagen als die schönste Nebensache der Welt betrachten; der Engländer Keith Ovenden macht seinen Ich-Erzähler Philip Leroux (der Mann ist, seinem Namen zum Trotz, very British) zum Propagandisten platonischer Männerliebe, deren geistiges Konzept Frauenliebe im Ernstfall empfindlich zu stören vermag: Denn wo zwei sich wirklich einig sind, da verfallen sie folgerichtig auch der nämlichen Frau.
Mit Homoerotik hat das demnach allenfalls latent zu tun, aber Männerbündnisse bilden doch offensichtlich ein Gegengewicht zur klassischen Familie, in der eher die Frau die Zügel in der Hand hält. Es ist also nur konsequent, dass in Ovendens Roman „Eine Art Vermächtnis” der Mann mit dem Mann zusammenlebt – nämlich im idyllischen Refugium der Universität Oxford –, während die dazugehörigen Frauen entweder aus Karrieregründen ständig auf Achse oder durch Tod frühzeitig zur Seite geschafft sind. Der Autor liebt die undurchsichtigen Konstruktionen und teilt die Zusammenhänge sehr zögernd mit. Alles beginnt mit Reginald Mosers Tod im Dezember 1996, kurz vor dem 40. Geburtstag des Biochemikers. Selbstmord vermutet man voreilig, bis sich einige Tage später herausstellt: Es war ein simpler Herzinfarkt. Mosers Freund Leroux, ein Philosoph, der gerade eine Monographie über den russischen Historiker und Politologen Alexander Herzen abgeschlossen hat, macht sich an die Trauerarbeit. In sechs Tagen bringt er alles Wesentliche über Moser, sich selbst, Oxford und die Damen zu Papier. Herzen, so zeigen die eingestreuten Zitate, liefert auch hierzu reichlich Munition. „Vergesst nicht, dass dem Menschen Gehorsam über alles geht”, hat er zum Beispiel notiert: „Immer sucht er irgendwo Halt, ist bestrebt, sich hinter irgendetwas zu verstecken. Ihm fehlt das stolze Selbstbewusstsein des Raubtieres. ”
Verstecken kann er sich in einer Familie, im Beruf, hinter Oxford und der Oxford-Etikette, aber eben auch in einem soliden Männerbündnis, das vielleicht krisenfester ist, als alles andere. Und während der Ich-Erzähler über solche Herzen-Sentenzen nachsinnt, kann es passieren, dass „Alice erneut aus Singapur” anruft, wo sie im noblen „Raffles” abgestiegen ist und, die clevere Salonmarxistin in Diensten einer großen Bank, den Kapitalismus von innen her zersetzt. Philip Leroux wickelt seine Ehe in der Regel übers Telefon ab, das kostet Gebühren, spart aber Nerven. Die Frau im Haus wird durch eine zünftige Zugehfrau ersetzt, wie man sie aus Fünfziger-Jahre-Filmen kennt: zungenfertige Damen, die resolut die Betten schütteln, wie Frau Holle und den weltfremden Männern nebenbei die Leviten lesen.
Kein Platz für Gefühle
Wie aber steht es bei all den karrierefördernden Maßnahmen um die Liebe? Denn das interessiert uns Leser doch bei weitem mehr, als das traurige Schicksal des Alexander Herzen und die Oxford-Etikette, obwohl wir, soweit wir Männer und Deutsche sind, immerhin zugeben müssen, dass uns und unserem Selbstwertgefühl eines wirklich elementar fehlt: dass jemand „Sir” zu uns sagt. Die Höflichkeit wohlerzogener Briten ist Honig fürs Ego, durch nichts Deutsches auch nur annähernd aufzuwiegen, auch wenn wir natürlich wissen, dass jemand sehr wohl „Sir” sagen und „Arschloch” denken kann. Wie die dünne Kruste der akademischen Konvention mit Karacho einbricht, zeigt Keith Ovenden anlässlich eines gaudy, eines Galadiners, bei dem Leroux sich aus Kummer über den Tod seines Freundes betrinkt, seine (ausländischen) Tischnachbarn hemmungslos anpöbelt und schließlich sogar einen Widersacher ins eiskalte Wasser wirft – was nicht etwa metaphorisch zu verstehen ist. Wirklich sympathisch erscheint der Ich-Erzähler in diesem Stadium der Selbstentblößung keineswegs: Er wirkt vielmehr überaus empfindlich und recht überheblich. Mosers Tod hat einen Stützpunkt aufgelöst, in dem Leroux’ Existenz Halt und Sicherheit gefunden hatte. Natürlich würde der Erzähler das niemals zugeben: Gefühle haben in seinen Aufzeichnungen nichts zu suchen. Wahrscheinlich sind sie nicht präzise genug.
Zurück also zur Frage nach den Frauen, die in der Welt der Männerbünde nur phantom- und silhouettenhaft auftauchen, ephebisch herumschwirren wie Vita Margolis, die erfolgreiche Konzertpianistin, die Moser geheiratet hat, obwohl es, wie sie kurz vor ihrem frühen Tod gestand, eine gewisse „Clara” war, ihr Alter ego, das Moser geliebt hat. Die echte Vita, die Humoristin, die es fertig brachte, während eines Brahms-Konzertes ein Notenpult vom Podium zu fegen und sich darüber vor Lachen auszuschütten (Sir Colin Davis zog nur eine Augenbraue hoch) – diese Vita hat in Wahrheit nicht den armen Moser geliebt, sondern immer nur Philip Leroux; und da sie Vita heißt, sei es auch so interpretiert, dass Leroux mit ihr nicht weniger als sein Leben verfehlt hat. Wenn aber Moser der „Bocuse der Biochemie” ist (ein Darwinist, der den Darwinismus über Bord wirft), und mit dem Teufel ist er offenbar auch ein wenig im Bunde, dann ist Leroux so etwas, wie der Zeitblom der britischen Gegenwartsliteratur: will sagen, als Mann nicht gerade übermäßig attraktiv. Womit das Motiv auf etwas wackligen psychologischen Füßen Stünde.
Um es in ganz andere Worte zu fassen: Der Schriftsteller Keith Ovenden hätte seine Geschichte getrost ein bisschen weniger spleenig, eitel, akademisch erzählen dürfen – ein neuer „Doktor Faustus” ist dieser Nachruf auf ein Genie, bei aller Liebe zur gehobenen Ausdrucksweise, denn doch nicht geworden. Und allemal schade ist es, dass Vita, die liebenswerte Figur, eine buchstäblich flüchtige Randerscheinung bleibt. Obwohl es andererseits symptomatisch ist für unsere schöne neue Welt, in der die Frauen anscheinend das Leben leben und die Männer sich in Bündnissen verschanzen, um es kenntnisreich zu reflektieren.
MARTIN KRUMBHOLZ
KEITH OVENDEN: Eine Art Vermächtnis. Roman. Aus dem Englischen von Christa E. Seibicke. Verlag C. H. Beck, München 2000. 275 Seiten, 38 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Männerbündnisse hätten Konjunktur, meint Martin Krumbholz, und mittlerweile seien auch die älteren Jahrgänge von dieser modischen Welle erfasst. In Ovendens Roman ist das Bündnis enger gefasst: es handelt sich um eine Männerfreundschaft, zu zweit, angesiedelt im akademischen Milieu. Das Männerbündnis, so vermutet Krumbholz, bilde das Gegengewicht zur klassischen Familie, wo doch eigentlich die Frau die Zügel in der Hand halte. Beim Männerbündnis sei die Frau hingegen praktischerweise meist abwesend: jagt ihrer Karriere nach oder verstirbt einfach. Während die einen also ihr Leben leben, reflektieren die anderen dieses kenntnisreich in ihrem Bündnis, weshalb sie darüber ihr Leben verpassen, fasst Krumbholz etwas entnervt am Ende zusammen. Für ihn hätte die Geschichte ruhig etwas "weniger spleenig, eitel, akademisch" erzählt werden dürfen. Ein neuer "Doktor Faustus" der britischen Gegenwartsliteratur sei dabei nicht herausgekommen.

© Perlentaucher Medien GmbH