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Die anhaltende Debatte um die NS-Vergangenheit deutscher Unternehmen und der Streit um die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter sind eine Herausforderung für die deutsche Geschichtswissenschaft und für die Justiz. Aber auch im Ausland - und nicht nur im Blick auf den Zweiten Weltkrieg - sind Historiker und Richter in wachsendem Maße mit der Forderung konfrontiert, politisches Unrecht aufzuklären, so weit wie möglich "wiedergutzumachen".
An einer Fülle von Beispielen erörtern ausgewiesene Experten in diesem Band, welche Möglichkeiten dafür bestehen, was die spezifischen Probleme sind -
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Produktbeschreibung
Die anhaltende Debatte um die NS-Vergangenheit deutscher Unternehmen und der Streit um die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter sind eine Herausforderung für die deutsche Geschichtswissenschaft und für die Justiz. Aber auch im Ausland - und nicht nur im Blick auf den Zweiten Weltkrieg - sind Historiker und Richter in wachsendem Maße mit der Forderung konfrontiert, politisches Unrecht aufzuklären, so weit wie möglich "wiedergutzumachen".

An einer Fülle von Beispielen erörtern ausgewiesene Experten in diesem Band, welche Möglichkeiten dafür bestehen, was die spezifischen Probleme sind - und wo die Grenzen dieser Suche nach historischer Gerechtigkeit liegen.

Rezension:
- "Man sollte das Buch kaufen und lesen. Es ist interessant und informativ und enthält auf nicht einmal 200 Seiten neben den hier erwähnten eine Fülle von Gedanken und Einsichten, die ansonsten nur mit einem höheren Leseaufwand und einem größeren finanziellen Engagement zu bekommen sind." (Gerd Hankel, Mittelweg, Oktober/November 2000)
- "Eine fundierte Aufsatzsammlung." (BuchJournal 2000)

Autorenporträt
Norbert Frei, geboren 1955, ist Inhaber des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Leiter des Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts und Ordentliches Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften. Zahlreiche Veröffentlichungen zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.09.2000

Gesucht: ein Gehilfe für den Staatsanwalt
Immer häufiger müssen Historiker Grundlagen für die juristische Aufarbeitung der Vergangenheit sammeln
NORBERT FREI, DIRK VAN LAAK, MICHAEL STOLLEIS (Hrsg. ): Geschichte vor Gericht. Historiker, Richter und die Suche nach Gerechtigkeit. Beck Verlag, München 2000. 187 Seiten, 24 Mark.
Mitte der sechziger Jahre drohte die strafrechtliche Aufarbeitung von NS-Massenverbrechen vorzeitig zu scheitern. Am 8.  Mai 1965 lief die damals zwanzigjährige Verjährungsfrist für Morddelikte ab, die meisten Beweisdokumente befanden sich jenseits des „Eisernen Vorhangs”, und die Bundesregierung hielt nach wie vor an ihrem Kontaktverbot für Ostblockländer fest. Da kam als Notlösung die Idee auf, Historiker könnten doch nach Polen fahren und dort das Archivmaterial für Strafverfolgungszwecke sichern. Als Martin Broszat, der spätere Leiter des Münchner Instituts für Zeitgeschichte, im März 1964 von einem Fernsehjournalisten befragt wurde, ob er sich zu einer derartigen Mission bereit finden würde, war seine Antwort ein entschiedenes Nein: „Prinzipiell unterscheiden sich doch”, so Broszat, „staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und Durchsuchungen von denen des Historikers, das heißt konkret, dass ein Historiker, der auf zeitgeschichtlichem Gebiet arbeitet, Zeugen befragen muss, welche die Vorgänge miterlebt haben. Und er kann es nur mit Erfolg tun, wenn er das Vertrauen genießt, dass die Ergebnisse solcher Befragungen nicht für staatsanwaltschaftliche Ermittlungen oder dergleichen gebraucht werden, dass also sozusagen der Historiker nicht hilfsweise Ermittlungsbeamter ist. ”
Anders als die Polizei
Im Spannungsfeld von Politik, Recht und Geschichte, die bei der Bewältigung einer vordemokratischen Vergangenheit in unmittelbarer Weise aufeinander prallen, zog der historische Experte also für sich die Trennlinie dort, wo es um Wahrung seiner methodischen und ethischen Grundsätze ging. Zwar wollte er, dass seine wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Feststellung einer juristischen Wahrheit genutzt würden. Eine Vermischung der Methoden juristischer und historischer Wahrheitsfindung lehnte er jedoch ab.
Heute, knapp vierzig Jahre nach dem ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess, ist der beschriebene Grundkonflikt aktueller denn je. Denn wie nie zuvor in der Nachkriegsgeschichte wird der historische Berufsstand zurzeit mit Fragen konfrontiert, die sich aus den gesellschaftlichen Forderungen nach historischer, juristischer und materieller Gerechtigkeit ergeben. Im Zuge der Sammelklagen ehemaliger NS-Zwangsarbeiter werden Historiker von Unternehmensleitungen und Anwälten beauftragt, die Unternehmensgeschichte im „Dritten Reich” zu untersuchen oder prozessrelevante Dokumente aufzuspüren. In den letzten Strafprozessen gegen die Täter und Kollaborateure der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik erstellen sie Gutachten für die Gerichte. In der Schweiz und in Frankreich sitzen sie in staatlichen Expertenkommissionen und versuchen, die verschlungenen Wege von arisiertem Vermögen, Raubgold, Versicherungspolicen und Kunstgegenständen zu rekonstruieren. Vor wenigen Wochen hat das höchste griechische Gericht entschieden, dass Deutschland den Hinterbliebenen der griechischen Kriegsopfer Entschädigungen zahlen muss. Die finanzielle Kompensation für NS-Zwangsarbeiter ist noch nicht einmal ansatzweise geregelt, da steht der Bundesregierung womöglich schon die nächste Zivilklage vor dem Europäischen Gerichtshof ins Haus. Auch hier wird es voraussichtlich wieder Bedarf nach historischem Expertenwissen geben, sind doch die Verbrechen deutscher Besatzungsbehörden in Griechenland wissenschaftlich noch immer „terra incognita”.
Die wachsende Verknüpfung zwischen Historie und Justiz war Anlass für eine Gruppe von Zeit- und Rechtshistorikern, an sich selbst die Frage zu richten, was dieser Wandel für das eigene disziplinäre Selbstverständnis bedeutet. Herausgekommen ist eine lesenswerte Sammlung von Einzelaufsätzen unter dem Titel „Geschichte vor Gericht”. Wie der Bochumer Historiker Norbert Frei, einer der Mitherausgeber des Bandes, in seiner Einleitung hervorhebt, hat es gerade während der letzten zehn Jahre eine Vielzahl von Versuchen gegeben, „historisch-politischem Unrecht mit den Erkenntnismöglichkeiten des Historikers und den Sanktionsmitteln des Richters” zu begegnen. Die letzte Generation der Opfer verschafft sich vor den Gerichten Gehör und hat dabei, anders als noch zu Beginn der sechziger Jahre, die Sympathie der Öffentlichkeit auf ihrer Seite. Beide Hauptforderungen – die Aufdeckung des „konkret begangenen Unrechts” und „materielle Gerechtigkeit” – erscheinen uns heute als selbstverständlich, wurden den Betroffenen aber aus verschiedenen Gründen über Jahrzehnte hinweg verwehrt. Die Rolle, die die Zeitgeschichte in diesem voraussichtlich letzten Akt der Vergangenheitsbewältigung spielt, ist nicht unumstritten, ja sie ist sogar außerordentlich heikel.
Weil sich Zivilklagen und Strafprozesse zumeist auf rechtlich unsicherem Grund bewegen, sind die gesellschaftlichen Erwartungen an die Historiker umso größer. Keineswegs wird nur von ihnen verlangt, dass sie das tun, wozu sie eigentlich ausgebildet sind – nämlich einzelne Vorgänge in ihren größeren historischen Zusammenhängen zu erklären. Vielmehr geraten die historischen Experten im Zuge einer sich etablierenden „Raison der Moral” zunehmend in die Versuchung, für die Justiz in die Bresche zu springen, indem sie den Strafprozessen geschichtliche Legitimität verleihen oder moralische Wertungen vornehmen, die den Nachweis einer juristischen Zurechenbarkeit ersetzen sollen. Die meisten der in dem Band versammelten Autoren sehen deshalb auch die neuen Aufgaben, die ihrer Disziplin während der letzten Jahre zugewachsen sind, mit zwiespältigen Gefühlen: Auf der einen Seite wollen die Historiker heute ihrer Verantwortung gerecht werden und begrüßen es daher, wenn sich staatliche Institutionen und Behörden mit ihrer Vergangenheit auseinander setzen, damit den Opfern Genugtuung widerfahren kann. Viele Unternehmen haben sich erst aufgrund des gewachsenen politischen Drucks dazu entschlossen, ihre Firmenarchive zu öffnen. Dies musste der sich selbst überschätzenden Zunft wieder einmal die eigene Bedeutungslosigkeit vor Augen führen, hatte man doch zuvor stets die These verfochten, dieses Ziel am besten durch diskrete Gespräche erreichen zu können.
Auch sind Forschungsmittel bekanntlich immer rar und nicht wenige Wissenschaftler machen in diesen Tagen zum ersten Mal die verblüffende Erfahrung, dass ihr Wissen nicht nur gebraucht, sondern obendrein auch bezahlt wird. Auf der anderen Seite wächst aber mit der Inanspruchnahme auch die Gefahr, dass es zu einer Vereinnahmung kommt und wissenschaftliche Standards preisgegeben werden. Der beste Schutz dagegen ist jedoch nicht der Rückzug in den Elfenbeinturm, sondern eine regelmäßige Überprüfung der methodischen und ethischen Grundlagen. Dazu gehört auch, sich von Zeit zu Zeit selbstkritisch mit den eigenen Traditionen zu befassen und deren Zeitgebundenheit zu hinterfragen.
Merkwürdigerweise ist es aber gerade diese Vergangenheitsaufarbeitung in eigener Sache, die in dem vorliegenden Buch zu kurz kommt: War es nicht die traditionelle Fixierung auf die Staatsraison, die dazu führte, dass die Geschichtswissenschaft nach 1945 die Aufklärung der politischen Verbrechen fast völlig der Justiz überließ? War es etwa keine Anpassung an den Zeitgeist, wenn sich deutsche Historiker in endlosen Theoriedebatten festbissen, während im Ausland die ersten Standardwerke zum Holocaust erschienen? Inzwischen hat sich der Zeitgeist grundlegend gewandelt – und mit ihm das Selbstverständnis der deutschen Geschichtswissenschaft. Unverhofft ist ihr durch den Zusammenbruch des Ostblocks eine wichtige öffentliche Aufgabe zugewachsen, die ihr in beschränktem Maße die Chance gibt, den Überlebenden zu ein wenig später Gerechtigkeit zu verhelfen. Diese Chance sollte sie wahrnehmen – ohne Selbstverleugnung, aber möglichst auch ohne übertriebene Selbstzweifel.
ANNETTE WEINKE
Die Rezensentin ist Historikerin an der Universität Potsdam.
Akten und Zeugen, Zeugen und Akten – Vorbereitung auf einen Tag bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen.
SZ
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.06.2000

Niemand sage, dass wir kleinlich sind

Moral stoppt Reflexion. Da das Erbe der NS-Vergangenheit inzwischen zu einer vorwiegend moralischen Frage geworden ist, ist das Band der Argumente im Streit um Entschädigungen und dergleichen nicht sehr breit. Ein Sammelband (Norbert Frei, Dirk van Laak und Michael Stolleis : "Geschichte vor Gericht". Historiker, Richter und die Suche nach Gerechtigkeit. C.H. Beck Verlag, München 2000. 187 S., br., 24,- DM) lockert die Fronten insofern ein wenig auf, als die Beiträge nicht nur die deutsche Vergangenheit betreffen. Man kann ihm immerhin entnehmen, dass in Russland trotz des "Schwarzbuches des Kommunismus" eine Vergangenheitsbewältigung praktisch nicht stattfindet. Ob Russland im Falle der Vergangenheits-Vergessenheit die gleichen Konsequenzen drohen wie Deutschland, erfährt man allerdings nicht. Die Autoren sind meist jüngere Historiker mit einschlägigen Vorarbeiten. Einige sitzen in Kommissionen zur Erforschung der Geschichte der Deutschen Bank in der NS-Zeit, des Hauses Bertelsmann im Dritten Reich sowie der Schweiz im Zweiten Weltkrieg. Sie berichten über ihre Probleme und halten ihre jeweilige Kommission für so unerlässlich wie Pfarrer Gauck die nach ihm benannte Behörde. Am Schluss des Bandes bringt der Jurist Michael Stolleis den Unterschied zwischen Richtern und Historikern auf den Begriff. Der Richter nimmt teil, der Historiker beobachtet von außen. Hinzufügen ist nur, dass auch moderne Prozesse noch etwas von einer Steinigung haben. Michael Wildt sieht, dass Historiker in Gerichtsverfahren eher stören als helfen, weil sie keine Gründe haben, Tatsachen außer Acht zu lassen.

Der Band enthält einen Beitrag, der den Kauf bereits lohnt, Henry Roussos Überlegungen zum Papon-Prozess in Frankreich. Maurice Papon hatte es nach dem Kriege zum französischen Finanzminister gebracht, ehe er 1998 wegen im Krieg begangener Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt wurde. Rousso macht Ernst mit der Einsicht, dass "historische Wahrheiten" im kollektiven Gedächtnis wohnen, und zeigt, wie sich das kollektive Gedächtnis nach dem Krieg in Frankreich gewandelt hat. Vor Gericht sollten die Historiker nur verdeutlichen, "dass ein so verspäteter Prozess nicht nur auf einer ethischen, sondern auch auf einer praktischen Ebene noch möglich war".

Die deutschen Beiträge entsprechen durchweg den Erwartungen. Sie empören sich darüber, dass die bundesdeutsche Justiz das Justiz-Unrecht im Dritten Reich kaum geahndet und sogar früheren NS-Richtern wieder zu Amt und Brot verholfen hat. Dieter Gosewinkel regt sich darüber auf, dass der Gesetzgeber die NS-belasteten Richter 1961 nicht einfach aus dem Amt entfernen konnte. So stand und steht es aber nun einmal in den meisten Verfassungen des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts. Die Frage, ob es nicht dem Wohl des Volkes gedient hat, bei der Rekrutierung des Justizpersonals mehr Wert auf fachliche Qualifikation als auf weiße Westen zu legen, wird nicht gestellt. Die DDR hat mehr Wert auf weiße Westen gelegt, aber die Entscheidungen ihrer Volksrichter können sich heute nicht mehr sehen lassen. Merkwürdigerweise kommt die Bewältigung der DDR-Vergangenheit praktisch nicht vor, obwohl sie die Justiz stark beschäftigt. Anders als Richter können sich Historiker ihre Fälle eben aussuchen. Den gesetzlichen Historiker gibt es nicht.

Wenn man den Beitrag des Amerikaners Gerald D. Feldmann über Raubgold und Versicherungen, Arisierung und Zwangsarbeit gelesen hat, beginnt man zu zweifeln, ob die Beteiligung von Historikern an den Auseinandersetzungen um die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter der Gerechtigkeit dient. Gerechtigkeit hat etwas mit Gleichbehandlung zu tun. Das Problem der Gleichbehandlung glaubt Feldmann dadurch erledigen zu können, dass er über fast vier Seiten das in der Tat empörende und elende Schicksal des Dr. Jakob Rosenberg aus Duisburg schildert. Aber wie im Falle Rosenberg zu entscheiden ist, hängt davon ab, wie viele ähnliche Fälle es gibt. Gibt es keinen, kann und muss Rosenberg voll entschädigt werden. Leider gibt es jedoch Millionen ähnlicher Fälle. Deshalb kann es nach Kriegen und Revolutionen höchstens eine amputierte Gerechtigkeit in Form von Konkursen geben, und deshalb war es eine gute Sitte, dass früher in Friedensverträgen die Entschädigungsfragen geregelt und weitergehende Ansprüche Einzelner ausgeschlossen wurden. Wenn heute Forderungen wegen kriegs- und verfolgungsbedingter Schäden von Einzelnen an Einzelne anerkannt werden, geht ein großer Teil der Geschädigten höchstwahrscheinlich leer aus, mit Sicherheit die deutschen Vertriebenen. Das fördert weder Zufriedenheit noch Gerechtigkeit.

Allerdings kann man von Historikern nicht verlangen, dass sie ernsthaft über Gerechtigkeit nachdenken. Das ist nicht ihre Aufgabe. Aber dann sollten sie auch nicht behaupten, nach Gerechtigkeit zu suchen, zumal sich sagen lässt, warum es gegenüber dem NS-Unrecht keine Gerechtigkeit geben kann. Das NS-Unrecht verstieß gegen grundlegende und allgemeine Normen der westlichen Kultur, besonders gegen die Menschenrechte. Die allgemeinen Normen werden aber in räumlicher Hinsicht von der Staatssouveränität und in zeitlicher Hinsicht vom Rückwirkungsverbot und von der Verjährung eingeschränkt. Bei einer Wiedergutmachung des NS-Unrechts müssen beide Einschränkungen durchbrochen werden. Inhaltlich ist das richtig und angemessen. Aber Gerechtigkeit auch im Sinne einer einfachen Widerspruchsfreiheit ist dann nicht mehr herzustellen.

GERD ROELLECKE

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Annette Weinke erläutert zunächst die Problematik, die dieser Studie zu Grunde liegt. So erklärt sie den Zwiespalt, mit dem sich Historiker sich bereits in den sechziger Jahren, aber auch heute bei der Frage der Zwangsarbeiter-Entschädigung, konfrontiert sehen: Einerseits wollen sie unabhängig forschen, wofür auch Vertrauen von Zeitzeugen ein wichtiger Aspekt ist. Andererseits werden ihre Erkenntnisse häufig für Strafprozesse verwendet, ja angefordert. In der "lesenswerten Sammlung von Einzelaufsätzen" wird nach Weinke nun der Frage nachgegangen, was diese Situation für das "eigene disziplinäre Selbstverständnis" von Historikern bedeutet. Deutlich werde dabei, welch "zwiespältige Gefühle" die meisten Historiker empfinden. Denn einerseits spüren sie die Verantwortung bei der Aufklärung von NS-Verbrechen, andererseits sehen sie die Gefahr einer Funktionalisierung. Dagegen hilft nur eine "regelmäßige Überprüfung der methodischen und ethischen Grundlagen", so Weinke, allerdings bleibt offen, ob das ihre persönliche Meinung ist, oder die der Autoren. Bedauerlich findet die Rezensentin, dass in dem Band kaum etwas über die "Vergangenheitsaufarbeitung in eigener Sache" gesagt wird.

© Perlentaucher Medien GmbH