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Ein großer Regisseur zwischen Subversion und Anpassung Konrad Wolf, der Sohn des Schriftstellers und Arztes Friedrich Wolf, wurde mit Filmen wie "Der geteilte Himmel" (1964), "Ich war neunzehn" (1968) und "Solo Sunny" (1980) international bekannt. Seine ungewöhnliche Biographie, die hier erstmals auf der Grundlage intensiver Archivrecherchen sowie Gesprächen u. a. mit Günter Grass, Eberhard Esche, Christa Wolf, Günter Kunert und Markus Wolf vorgelegt wird, ist ein Spiegel deutsch-deutscher Geschichte. Kindheit im Württembergischen, Jugend im Moskauer Exil, Rückkehr als Soldat der Roten Armee,…mehr

Produktbeschreibung
Ein großer Regisseur zwischen Subversion und Anpassung
Konrad Wolf, der Sohn des Schriftstellers und Arztes Friedrich Wolf, wurde mit Filmen wie "Der geteilte Himmel" (1964), "Ich war neunzehn" (1968) und "Solo Sunny" (1980) international bekannt. Seine ungewöhnliche Biographie, die hier erstmals auf der Grundlage intensiver Archivrecherchen sowie Gesprächen u. a. mit Günter Grass, Eberhard Esche, Christa Wolf, Günter Kunert und Markus Wolf vorgelegt wird, ist ein Spiegel deutsch-deutscher Geschichte.
Kindheit im Württembergischen, Jugend im Moskauer Exil, Rückkehr als Soldat der Roten Armee, Aufstieg zu einem der bedeutendsten deutschen Filmregisseure - wahrlich kein gewöhnlicher Weg. Als langjähriger Präsident der Akademie der Künste (1965 - 1982) prägte Konrad Wolf das Kulturgeschehen der DDR und pflegte Freundschaften u. a. zu Christa Wolf,
Peter Weiß, Luigi Nono und Jorge Semprun. Seine Filme erregten nicht nur wegen ihrer formalen Qualität, sondern auch aufgrund ihrer politischen Fragestellungen international Aufmerksamkeit. So thematisierte er sowohl in seinem "Goya"-Film als auch in seinem größten Publikumserfolg in Ost- und Westdeutschland "Solo Sunny" das schwierige Verhältnis von Künstler und Gesellschaft, das auch sein eigener Lebenszwiespalt war. Er starb 1982, bevor er seinen Film "Die Troika" realisieren konnte - sein Bruder, Stasigeneral Markus Wolf, trat 1989 mit seinem Buch über die Geschichte dieses nichtgedrehten Films erstmals an die Öffentlichkeit.
Autorenporträt
Wolfgang Jacobsen, geb. 1953, verantwortet den Bereich Publikationen und Forschung an der Deutschen Kinemathek in Berlin, zahlreiche Veröffentlichungen zu Film und Literatur.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.10.2005

Die zerrissene Troika
Eine ausschweifende Biographie des Filmregisseurs Konrad Wolf

Als Konrad Wolf im März 1982 im Alter von gerade einmal sechsundfünfzig Jahren in einem Ost-Berliner Krankenhaus starb, folgten viele Menschen betroffen seinem Sarg. Als Präsident der Akademie seit 1965 hätte Wolf Anspruch auf eine Grabstelle auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin-Mitte gehabt. Statt dessen fand er in der Gedenkstätte der Sozialisten in Friedrichsfelde, nicht weit von den Gräbern Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts, die letzte Ruhe. Das paßte zu seinen Überzeugungen, aber noch lieber wäre ihm wohl ein Friedhof in Moskau gewesen. Denn von Moskau ist Konrad Wolf, Sohn des Schriftstellers Friedrich Wolf, in seiner Kindheit und frühen Jugend mehr geprägt worden als vom württembergischen Hechingen, wo er 1925 zur Welt kam, oder von Stuttgart, wo er von 1932 bis 1934 die Reformschule von Friedrich Schieker besuchte. In Moskau folgte er 1942 dem Einberufungsbefehl der Roten Armee, hier studierte er von 1949 bis 1952 Filmregie. Erst danach erwarb er die deutsche Staatsbürgerschaft zurück.

In Moskau war aber auch eine Jungenfreundschaft, der Dreierbund zwischen ihm, dem Emigrantensohn Lothar Wloch aus Deutschland und dem jungen Amerikaner Victor Fischer, 1937, auf dem Höhepunkt des Stalinschen Terrors, auseinandergerissen worden. Wlochs Vater verschwand spurlos in einem Lager, woraufhin die Mutter mit dem Sohn nach Deutschland zurückkehrte. Im Krieg hätte es geschehen können, daß die Freunde aufeinander schossen.

Später, als er längst ein anerkannter Regisseur des Ufa-Nachfolgers Defa war und im Präsidentenamt über bessere Reisemöglichkeiten als andere verfügte, hat Wolf die Fäden zu den beiden Freunden wieder geknüpft und sich mit ihnen im April 1975 in Alaska getroffen. Die Begegnung verlief nicht ohne Mißstimmung. Danach trieb er das Filmprojekt "Troika" voran, fand dafür aber bei der Kulturbürokratie wenig Anklang. 1989 empfahl sich Konrad Wolfs Bruder Markus, ehemals Chef der Auslandsspionage der DDR, mit der Herausgabe des Fragment gebliebenen Drehbuchs für eine Führungsrolle in einer sozialistisch reformierten DDR.

Fünfzehn Filme hat Konrad Wolf hinterlassen, von denen viele die Zeit überdauern dürften. Seine Herkunft schützte ihn vor manchen erniedrigenden Prozeduren, die der Entstehung eines Films bei der Defa vorausgingen. Andererseits ruhte gerade auf ihm das wachsame Auge hoher Funktionsträger. Seine Person war von einer gewissen Aura umgeben, die ihn fast unantastbar machte, die er aber keineswegs nur zum eigenen Vorteil zu nutzen verstand.

Als Akademiepräsident hat Konrad Wolf sich für manchen geprellten Kollegen eingesetzt, nie jedoch, wenn jemand, wie er das bei Biermann glaubte, dem Sozialismus den Rücken kehrte. Die immer unheimlicheren Verbiegungen der von ihm bejahten Gesellschaft hat er mit zunehmender Enttäuschung wahrgenommen. In dem auch im Westen aufgeführten und auf der Berlinale ausgezeichnetem Gegenwartsfilm "Solo Sunny" von 1979 wird die Existenzkrise einer jungen Sängerin zum Spiegelbild einer alles andere als solidarischen, von ihren Idealen weit entfernten "Menschengemeinschaft".

Soll man, um dieses Erbe zu erschließen, die Filme selbst darstellen oder eher den Lebensweg ihres Autors? Wolfgang Jacobsen und Rolf Aurich, zwei bekannte Berliner Filmhistoriker und -publizisten, haben sich, vielleicht auch auf Wunsch des an Filmliteratur wenig interessierten Verlags, für eine ausführliche Biographie entschieden - und damit zuungunsten des Werks. Wer auf den fast sechshundert Seiten präzise Darstellungen der Filme Wolfs sucht, wird nicht fündig werden. Nicht einmal für eine Filmographie, auch nicht für eine biographische Übersicht wollten die Autoren Platz verschwenden. Kein einziges Foto erinnert an Atmosphäre und Stil von Wolfs Inszenierungsarbeit. Zuweilen muß der Leser zu einem Lexikon greifen, um das Entstehungsjahr eines Films zu erfahren. Wie kurz oder wie ausführlich sie einen Film abhandeln, verrät viel über die Vorliebe der Autoren, die sich vor allem eines zugestehen: Subjektivität. Das rückt ihr Buch in die Nähe einer Romanbiographie.

Ein strengeres Ordnungssystem hätte zum Beispiel verhindert, daß Wolfs Film "Sterne" von 1959, einer der wenigen bedeutenden deutschen Spielfilme zum Holocaust, mit derart geringem Interesse abgefertigt wurde. Leichter als Darstellung und Analyse fällt den Autoren das Urteilen, wobei sie sich nicht scheuen, zweifelhafte Quellen als Beweismittel zu nutzen. So wird der autobiographisch geprägte Film "Ich war neunzehn" aus dem Jahr 1968, worin Wolf seine Heimkehr als sowjetischer Soldat nach Deutschland auf fast lakonische Weise nachgestaltet, mit dem Verweis auf die Meinung eines NVA-Soldaten, der sich laut "Neues Deutschland" nach dem Sehen des Films bereit zeigte, im Krieg auf (West-)Deutsche zu schießen, disqualifiziert. Was hatte die von der DDR-Führung eingeforderte Wehrbereitschaft mit Wolfs nachdenklichem Antikriegsfilm zu tun? Wußten die Autoren nicht, daß das Zentralorgan der SED sich stets die "Stimmen aus dem Volke" zu beschaffen verstand, die es gerade haben wollte?

Die sprunghafte Erzählung, vollgestopft mit prädikatlosen Kurzsätzen, die wie aus dem Zettelkasten geworfen wirken, braucht mehr als zweihundert Seiten, bis sie immerhin beim Regiestudenten Wolf angekommen ist. Die Person des Vaters, Friedrich Wolf, Arzt und Schriftsteller, mit seiner Lust an Freikörperkultur und vegetarischer Ernährung, den Liebesabenteuern und kämpferischer kommunistischer Ausrichtung ("Kunst ist Waffe"), dazu die couragierte Mutter scheinen die Autoren besonders zu faszinieren. Wo Dokumente fehlen, hilft Phantasie die Lücke zu füllen. "Sie haben geschwatzt und geschlafen, gedöst und gelesen, aus dem Fenster geschaut", liest man beispielsweise über die Reise der Mutter mit den zwei Söhnen Anfang März 1934 via Warschau nach Moskau. Der Satz ist banal genug, um auf alle Schlafwagenreisen der Welt zuzutreffen. "Noch ging der Krieg weiter, eine riesige Zerreißmaschine", heißt es später nicht minder blumig über Wolfs Soldatenzeit. Wo Distanz angebracht ist, suggerieren die Autoren Nähe.

Wolf habe "den Deutschen nie ganz vertraut", zitiert das Buch den Politiker Lothar Bisky, ein Satz, der weiterführt als die Behauptung der Autoren, Wolf sei "eine staatstragende Persönlichkeit" gewesen, und doch der Erörterung bedürfte. Trauten denn die kritischen Köpfe des neuen deutschen Films im Westen oder die Autoren der "Gruppe 47" etwa "den Deutschen"? Auch als ehemaliger Wehrmachtssoldat konnte man, wie Heinrich Böll bewies, mit tiefer Skepsis den Wiederaufbau beobachten. Außerdem neigte Wolf zwar zur Skepsis, aber in ihm steckte auch ein Traum von Brüderlichkeit, wie er sie als Jungenfreundschaft in Moskau selbst erlebt hatte. Er träumte sich immer wieder in eine Kindheit zurück, die es so wohl nur in seinen Erinnerungen gegeben hatte. Nachhaltiger als die trockene marxistische Lehre hatte ihn die russische Gefühlsinnigkeit geprägt, und gerade diese hielt ihn zur preußischen DDR von Anfang an bis zum Ende in vorsichtiger Distanz.

"Einen tragischen Fall", aber einen "durch und durch anständigen Menschen" nennt Christa Wolf den Namensvetter, der ihre Erzählung "Der geteilte Himmel" 1964 in gewagt moderner Manier verfilmt hatte. Manche Illusionen des zwanzigsten Jahrhunderts, von denen nur die Besserwisser frei blieben, haben Konrad Wolf wie so viele andere geleitet und gequält, aber nicht dies ist inzwischen von besonderem Interesse, sondern vielmehr, welche Filme von ihm uns heute noch etwas zu sagen haben - und was das ist. Auch beim Filmerbe aus der DDR sollte man, wie es bei der Betrachtung der bedeutenden Maler längst geschieht, vor allem auf das Werk schauen. Die Irrtümer sind hinlänglich beschrieben. Es gilt, das Bleibende zu finden.

HANS-JÖRG ROTHER.

Wolfgang Jacobsen, Rolf Aurich: "Der Sonnensucher Konrad Wolf". Biographie. Aufbau-Verlag, Berlin 2005. 589 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Enttäuscht zeigt sich Rezensent Hans-Jörg Rother von dieser Biografie des bedeutenden DDR-Filmregisseurs. Zwar lobt er sie als "ausführlich", doch fällt das Buch aus seiner Sicht eher in die Kategorie "Romanbiografie" und kann ihn selbst als solche nicht überzeugen. Die beiden Autoren, "bekannte" Berliner Filmhistoriker und -publizisten, interessierten sich kaum für das filmische Werk von Konrad Wolf. Kein einziges Foto erinnerte den Rezensenten "an Atmosphäre und Stil von Wolfs Inszenierungsarbeit". Nicht einmal eine Filmografie hat Rother im Anhang des Sechshundert-Seiten-Buchs gefunden. Beim Lesen habe er daher oft zum Filmlexikon greifen müssen, um das Entstehungsjahr eines Films zu erfahren. Bei der Lebensbeschreibung Wolfs stößt sich der Rezensent dann an zuviel Subjektivität der Autoren, die aus seiner Sicht gelegentlich sogar dazu führt, dass auch "zweifelhafte Quellen" als Beweismittel herangezogen werden, und einen Sachverhalt in Folge eher verfälschen. Wo Dokumente fehlen, sieht er die Lücken manchmal auch gänzlich mit Autorenfantasie gestopft. Ihm missfällt außerdem, dass die Autoren Nähe zu Wolfs Leben und Erleben suggerieren, wo aus seiner Sicht eher Distanz angebracht gewesen wäre. Im übrigen stört ihn der sprachliche Duktus des Buches, die "sprunghafte Erzählung, vollgestopft mit prädikatlosen Kurzsätzen".

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