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taz-Kolumnist Robert Misik über kritisches Denken von Marx bis Michael Moore Den »Che« am Revers, Marx im Regal und »Wir sind Helden« auf dem Plattenteller: Robert Misik, einer der streitbarsten linken Publizisten der jüngeren Generation, beschreibt, wieso Gesellschaftskritik wieder hip ist. Mit Witz, Ironie und Überzeugungskraft verdeutlicht er, warum es in der Ära des Entertainment so schwierig ist, auf kluge Weise links zu sein, und warum Linkssein doch die einzige Weise ist, klug zu sein. Wer heute etwas Rebellisches tut, produziert oft die nächste Schlagzeile, wenn nicht gleich einen…mehr

Produktbeschreibung
taz-Kolumnist Robert Misik über kritisches Denken von Marx bis Michael Moore
Den »Che« am Revers, Marx im Regal und »Wir sind Helden« auf dem Plattenteller: Robert Misik, einer der streitbarsten linken Publizisten der jüngeren Generation, beschreibt, wieso Gesellschaftskritik wieder hip ist. Mit Witz, Ironie und Überzeugungskraft verdeutlicht er, warum es in der Ära des Entertainment so schwierig ist, auf kluge Weise links zu sein, und warum Linkssein doch die einzige Weise ist, klug zu sein. Wer heute etwas Rebellisches tut, produziert oft die nächste Schlagzeile, wenn nicht gleich einen Trend. Attac ist so populär wie Greenpeace, die »No-Globals« ziehen von Event zu Event. Michael Moore findet ein Millionenpublikum. Naomi Klein wird mit ihrer Markenkritik »No Logo« zu einer global erfolgreichen Marke. Spröde Theoretiker wie Toni Negri oder Slavoj Zizek erleben einen Hype. Das Theater entdeckt die Entfremdung wieder und die Pop-Musik den Protestsound. Der Kapitalismus schafft Unbehagen und produziert die Kapitalismuskritik gleich mit. Auch die Dissidenz wird zur Ware und produziert Bilder, die von Befreiung erzählen und wie Werbung aussehen. Robert Misik zeigt: Die neue linke Welle ist ein Symptom – Symptom einer Sehnsucht nach starken politischen Alternativen. Er setzt sich mit Gesten des Aufbegehrens, mit Umbruchssehnsüchten und linken Mythen auseinander, die uns überall begegnen, und porträtiert schillernde Figuren der Szene.
Autorenporträt
Robert Misik, geboren 1966, ist ständiger Autor der tageszeitung (Berlin), von profil und Falter (Wien) und einer der streitbarsten linken Publizisten seiner Generation. Autor zahlloser Kritiken, Essays, Kommentare und Reportagen. 1999 und 2000 erhielt Robert Misik den "Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.05.2005

Na, Kapitalismus, wie war ich?
Immer hip, niemals satisfaktionsfähig: „Wunschlos unglücklich” und „Genial dagegen” Zwei Konsumführer für den Pflasterstrand
Es dürfte sich herumgesprochen haben, dass eine Meinung über den Kapitalismus wieder in jeden gut geführten Seelenhaushalt gehört. Wer sein kritisches Urteil über unsere Form des Wirtschaftens und Zusammenlebens 1989 gegen das Gesinnungspaket „soziale Marktwirtschaft” eingetauscht hat, muss nun einsehen, dass er beides braucht. Aber auch wer seine Kapitalismusskepsis bloß eingemottet hat, steht kaum besser da. Es reicht nicht aus, die Ladenhüter wieder hervorzukramen. Sie tun ihren Dienst nicht mehr oder nur noch halb. Wer eine Meinung hat, möchte sich schließlich auch gut dabei fühlen.
Eine Neuanschaffung aber will genau überlegt sein. Soll man kenntnisreich resignativ, ironisch aggressiv oder süß rebellisch meinen? Um vernünftig entscheiden zu können, muss einer wissen zu welcher Art des Konsumierens er neigt, ob er Kenner oder Könner ist. Der Kenner prüft alle Angebote, informiert sich über Bezugsbedingungen wie Nebenwirkungen, schaut gebannt aufs Verhältnis von Preis und Leistung und glaubt schon am Morgen nach der Entscheidung, er hätte doch genauer untersuchen und vergleichen müssen. Der Könner dagegen kennt sein Bedürfnis und greift nach raschem Blick kurz entschlossen zu. Gewiss, er hätte überlegter wählen, manches billiger bekommen können, aber er scheut Zeitverschwendung wie Gewissensqual und rechnet mit den Unvollkommenheiten der Welt. Während der Kenner die bessere Entscheidung trifft, ist der Könner zufriedener mit der seinen.
Es trifft sich gut, dass just in dem Augenblick, in dem der Ausstattungsgrad deutscher Seelenhaushalte mit Meinungen über den Kapitalismus erhöht werden muss, zwei Kurzführer erschienen sind: „Wunschlos unglücklich” für den Kenner und „Genial dagegen” für den Könner. Die Autoren, junge Journalisten, haben den Markt der Kritik beobachtet und fassen Geschehen, Angebote, Risiken für den eiligen Verbraucher zusammen.
Für Alexander Meschnig und Mathias Stuhr, die von Norbert Bolz wie Naomi Klein viel gelernt haben, sind wir alle Konsumenten, unglücklich nicht aufgrund unerfüllbarer Wünsche, sondern weil wir keine eigenen Wünsche mehr haben. Der Konsumismus sichert Integration, bindet uns an den Kapitalismus. Die Konsumgesellschaft sei „die einzige Gesellschaftsform, die sich den Luxus einer permanenten Kritik erlaubt, ohne jedoch grundsätzlich an sich etwas in Frage zu stellen”.
Vorgeführt wird dann, wie der Konsument an die Stelle des Bürgers tritt, wie in gläsernen Fabriken die Produktion theatralisiert und bei Ikea der Käufer zum „Prosumenten” wird. Der Prozess gipfele in der Produktion des Kunden. Viel ist von Identitäten - „Asketen, Öko-Hedonisten, Schnäppchenjägern” -, von Marken und Marketing die Rede. Wo immer wir hinschauen, grüßt der Konsum und macht uns zu Mittätern. Schließlich wird der Konsumismus zum großen Glaubenssystem ausgerufen, das die Frechheit besitze, „vollkommen dogmenfrei zu funktionieren”. Es scheint sogar stark genug, seine Feinde zu infizieren. Auch Gotteskrieger trinken Coca Cola, schiitische Fanatiker schauen den „Simpsons” zu, selbst der kritische Verbraucher bleibt Konsument.
Hier kann der Kenner lernen, warum jede Entscheidung den Keim der Frustration in sich trägt und dafür nicht er, sondern „das System” verantwortlich ist. Meschnig und Stuhr betreiben das Geschäft einer Kritik, die nicht scheidet, sondern universalisiert und radikalisiert. Dagegen hilft der aufklärerische Satz des Sporting Life: „Es ist nicht unbedingt so”. Wenn etwas Produktivität und Überleben der kapitalistischen Wirtschaftsform garantiert, dann eben die Tatsache, dass sie nicht total wird. Sie kann mit dem Nebeneinander von Bürger und Konsument, Schaufabrik und Sweatshop, Profitgier im Unternehmen und Gemeinsinn in der Nachbarschaft gut leben. Die Räume, in denen die Marktlogik nicht gilt, sind meist erst mit dem Markt entstanden. Das Ringen zwischen Kapitallogik und bürgerlichen Interessen, dauert an und solange es nicht endgültig entschieden ist, wird sich der Kapitalismus mit seinen herrlichen Freiheitsgewinnen wie seinen abscheulichen Ausbeutungsmechanismen bester Gesundheit erfreuen. Eine Erlösung durch Katastrophe oder Jenseits wird es so wenig geben wie die Totalisierung, die Kritiker gern beschwören.
Robert Misik ist da schlauer, er hat einen ausgeprägten Sinn für Ambivalenzen, trotz seiner vorgestanzten Wendungen: der Kurfürstendamm sei die „elegante Berliner Glitzermeile” und Linkssein die „einzige Weise, klug zu sein”. Um das zu belegen, stellt er uns ein paar Heroen vor: Antonio Negri, Andreas Baader, „Wir sind Helden”, René Pollesch, Slavoj Zizek, Michael Moore - lauter Stars, deren Werbung besser ist als ihr Produkt. Das weiß der Autor, aber es folgt daraus nichts. Er mag seine Helden. Sie stehen auf der richtigen Seite und haben dafür gesorgt, dass linke Rebellion wieder „hip” wurde. Dabei sieht es so aus, als würden kritische Denker morgens in den Spiegel schauen und fragen: „Na, Kapitalismus, wie war ich?”
Misik beschreibt den Siegeszug der Rebellen aus Sehnsucht nach dem „echten Leben” zweifach. Erst nimmt er die dumm-devote Haltung gegenüber dem Erfolg ein, mit der Unterschichten seit Jahrhunderten ergeben nach oben schauen. Dann wird er schnöselig wie ein Anfänger bei McKinsey. Es geht um nichts als leere Gesten der Distinktion und Formelvirtuosentum. Der Rebellionsformalismus wird so weit getrieben, dass links und rechts kaum noch unterschieden werden können. Gefährliches Leben, Befreiung durch und in Gewalt, Verehrung für geächtete Kriminelle, die Sehnsucht nach dem anderen - damit schlagen sich auch Skinhead-Kameradschaften herum. Dass uns die Sympathien vieler Intellektueller für Stalin heute befremden, hält Misik nicht für einen Fortschritt. Jedes Dokument der Barbarei könne auch als eines der Kultur betrachtet werden. Oder?
Der Kapitalismus erzeuge in den Individuen Sehnsüchte, die über ihn hinausweisen. Er produziere Unbehagen und Revolte und integriere diese. Man solle daher tun, was man für richtig halte, kritisieren und mal was riskieren. Nur auf die Frage „Warum?” erhält der Leser keine Antwort. Was am Kapitalismus stört, was ihn auszeichnet, erfährt man von dieser Lebensgefühlslinken nicht. Sie nimmt, was sie kriegt und schielt dabei nach Prominenz und Aufmerksamkeit wie eine Sechzehnjährige, die gerne Model wäre. Weltanschauung zum Wohlfühlen hat sie reichlich im Angebot. Der aufgeklärte Zeitgenosse aber fragt sich, wozu er diese Spitzendeckchen für den trendbewussten Seelenhaushalt eigentlich braucht. Sie stauben so rasch ein.
Robert Misik
Genial dagegen
Kritisches Denken von Marx bis Michael Moore. Aufbau-Verlag, Berlin 2005. 194 Seiten, 17,90 Euro.
Alexander Meschnig, Mathias Stuhr
Wunschlos unglücklich
Alles über Konsum. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2005. 198 Seiten, 19,90 Euro
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Kapitalismuskritik gibt es derzeit in vielfacher Form: "kenntnisreich resignativ, ironisch aggressiv oder süß rebellisch". Wenn wir Jens Bisky richtig verstanden haben, dann fügt Robert Misik dieser Palette noch eine weitere hinzu: die "dumm-devot-schnöselige". Er präsentiert seine Bestenliste der Kapitalismuskritiker, von Karl Marx über Antonio Negri, Andreas Baader (!) Slavoj Zizek bis Michael Moore. Was Bisky das Buch so suspekt macht, ist, dass es Misik nicht um die Sache geht (nie erfahre man, warum man eigentlich den Kapitalismus verteufeln muss), sondern um die "Geste der Distinktion": Linkssein ist einfach hipper.

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