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Bei ihrer ersten Begegnung drückte die Fluxus-Künstlerin Yoko Ono John Lennon eine Karte in die Hand, auf der stand: "Atme"; von diesem Augenblick an war er ihr verfallen. Keine Anekdote könnte besser die Macht ins Bild setzen, mit der die moderne Muse über ihr männliches Genie gebietet: Yoko Ono gilt noch heute als die Frau, die nicht nur Lennon beherrschte, sondern die Beatles zerstörte. Tatsächlich schrieb sie indirekt einen wichtigen Teil moderner Musikgeschichte. Die Musen und ihre Genies: Haster Thrale/Samuel Johnson, Alice Liddell/Lewis Carroll, Elizabeth Siddall/Dante Gabriel Rossetti,…mehr

Produktbeschreibung
Bei ihrer ersten Begegnung drückte die Fluxus-Künstlerin Yoko Ono John Lennon eine Karte in die Hand, auf der stand: "Atme"; von diesem Augenblick an war er ihr verfallen. Keine Anekdote könnte besser die Macht ins Bild setzen, mit der die moderne Muse über ihr männliches Genie gebietet: Yoko Ono gilt noch heute als die Frau, die nicht nur Lennon beherrschte, sondern die Beatles zerstörte. Tatsächlich schrieb sie indirekt einen wichtigen Teil moderner Musikgeschichte.
Die Musen und ihre Genies: Haster Thrale/Samuel Johnson, Alice Liddell/Lewis Carroll, Elizabeth Siddall/Dante Gabriel Rossetti, Lou Andreas Salome/Nietzsche, Rilke, Freud, Gala Eluard/Salvador Dalí, Lee Miller/Man Ray, Charis Weston/Edward Weston, Suzanne Farrell/George Balanchine und Yoko Ono/John Lennon.Aber auch Lou-Andreas Salome, Gala Dalí oder Lee Miller waren keine Objekte der Anschauung, die den Männern zur Initiation ihrer Kunst dienten, sondern selbstbewusste Agentinnen des Erfolgs - nicht zuletzt ihres eigenen. Amüsant und mit vielen interessanten Details bietet Francine Prose eine Sammlung von Porträts, intellektuell engagiert, aber ohne Scheu vor dem Vergnügen, in die Intimität der Schlafzimmer hineinzuleuchten.
Autorenporträt
Francine Prose, geboren 1947, lebt in New York. Sie ist Redakteurin von Harper's Magazine, schreibt regelmäßig für Zeitungen und Zeitschriften und unterrichtet creative writing u.a. an der John Hopkins Universität. Bisher veröffentlichte sie mehrere Romane und Kurzgeschichten. Francine Prose wurde mit verschiedenen Preisen und Stipendien ausgezeichnet.

Brigitte Jakobeit, Jg. 1955, lebt in Hamburg und übersetzt seit 1990 englischsprachige Literatur, darunter die Autobiographien von Miles Davis und Milos Forman sowie Bücher von John Boyne, Paula Fox, Alistair MacLeod, Audrey Niffenegger und Jonathan Safran Foer.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.08.2004

Jaulen, Stöhnen, Kreischen, Winseln
Francine Prose weiß, was von einer Muse erwartet wird
Eine Muse ist eine Muse ist eine Muse, ist Inspiration, Leidenschaft, Verlangen, sexuelle Erregung bis zum Wahnsinn, auch mystische Heimsuchung und spirituelle Erfüllung. Bei den Griechen kam sie im Gewand einer Gottheit, in den säkularisierten Jahrhunderten (19. und 20.) übernahmen irdische Frauen diese Rolle. die aber sogleich wieder vergöttlicht wurden. Dass die Musen selbst zu Künstlern, und Künstler auch irgendwie zu Musen werden, ist die These, die die amerikanische Schriftstellerin und Essayistin Francine Prose ihrer ausführlichen Untersuchung von neun Künstlerpaarbiographien zugrunde legt.
Kann sein, dass wir uns damit abfinden müssen, dass es sich bei den Musen, wie sie sich in diesem Buch präsentieren, um einen verblassten Mythos handelt, der mit Yoko Ono seinen Abgesang hatte. Das Künstler- und Ehepaar John Lennon und Yoko Ono fungiert als Schlusslicht, und es kommt uns vor, als müssten die Künstler im 21. Jahrhundert ohne Musen auskommen. Denn, so fragen wir uns bei der Lektüre, welche Verrücktheiten könnten noch etwas Neues bieten? Vorbei die goldenen Nachmittage auf dem Schoß der Päderasten Charles Dodgeson und Lewis Carroll, niemals wieder eine Exhumierung zur Befriedigung nekrophiler Sehnsüchte, keine azurblau gefärbten Achselhöhlen und keine genialen Impulse mehr durch Alkohol-, Koks- und Morphiumexzesse, auch Sleep-ins in weißer Hotelbettwäsche sind Geschichte.
Vielleicht müsste sich eine moderne Muse ausschließlich um intelligente Vermarktungsstrategien, Ayurveda und ein moderates Fitnessprogramm für ihren Künstler kümmern, denn die Zeiten haben sich geändert, und verglichen mit unseren coolen Künstlern wirken die hypersensiblen, durchgeknallten Künstlermusen und Musenkünstler der vergangenen Jahrzehnte schon rührend altmodisch.
Neun Lebensgeschichten. Mühsame, quälende Liebesbeziehungen, die sich abarbeiten auf dem steinigen Weg und in der Zielgeraden schicksalhaft ins Trudeln geraten. Ohne ihren Künstler wäre eine Muse keine Muse, sie definiert sich durch ihn, wie auch immer ihr Verhältnis sei. Allerdings passiert es - und zwar gar nicht so selten -, dass die Muse sich irgendwann künstlerisch emanzipiert, sich vom Resonanzboden zum Tonangeber entwickelt und eigene Wege geht.
Die Auswahl der neun Beziehungsgeschichten in diesem Band ist ungerecht wie jede Auswahl, aber sie zeigt deutlich, dass jedes Porträt einzigartig ist und Verallgemeinerungen unzutreffend wären. Denn jedes Musenleben ist auch Kunstwerk. Der Titel des Buches müsste eigentlich „Die Leben der Musen” heißen, denn Parallelitäten zwischen den Biographien einer Alice Liddell, Gala Dalì, Lou Andreas-Salome, Lee Miller, Yoko Ono und Suzanne Farrell sind, wenn es sie überhaupt gibt, vage. Eines allerdings verbindet sie alle, nämlich das gewisse, oft symbiotische Verständnis für das Genie und seine Kunst. Schon die Sekundärtugenden, die der Muse als Pflegeschwester, mütterliche Freundin, Agentin und Vermögensverwalterin abverlangt werden, sind nicht bei allen gleichermaßen vorhanden. Mit dem alten feministischen Vorurteil, dass die Muse immer das Opfer der Liebesbeziehung zu ihrem egomanischen Künstlermacho bleibt, versucht Francine Prose aufzuräumen.
Mit Leidenschaft (und wann war Leidenschaft je gerecht?), wenn auch manchmal allzu ausführlich, ist die Autorin ihr Thema angegangen. Sie ergreift Partei, urteilt und kritisiert, so etwa, wenn sie schildert, wie der in erster Linie von sich selbst betörte, ewig pubertierende, präraffaelitische Lyriker und Maler Dante Gabriel Rossetti seine weißhäutig-rothaarige Geliebte Lizzie Siddal im Morphiumrausch elend verrecken ließ, ihr ein Manuskript mit seinen Liebesgedichten auf den Sarg warf, das er, sieben Jahre später, von einem Freund aus der kalten Grube holen ließ, von Erdkrümeln befreite und über die Stuhllehne zum Trocknen hängte, um es für weitere Verwertungen zu sichern. Oder wenn Prose ihrem kritischen, von Millionen Beatles Fans geteilten, negativen und gehässigen Urteil über Yoko Onos musikalische Talente freien Lauf lässt: „Auf der Platte hört man Keuchen, Jaulen, Stöhnen, Winseln, Ächzen, Kreischen, Bruchstücke von alten Platten, von gestimmten und geschlagenen Gitarren, Hintergrundrauschen, Gesprächsfetzen. Das Ergebnis ist so langweilig, dass nur aufkeimende Leidenschaft und Aussicht auf Sex jemanden dazu bewegen könnte, bis zum Ende durchzuhalten und sich anzuhören, wie Yoko mit dünner Schulmädchenstimme ein Liedchen über erinnerte Liebe singt. Man müsste schon von einem sehr hohen sexuellen Fieber gepackt sein, um sich davon bezaubern zu lassen, oder um sich vorzustellen, dass es sich dabei um Kunst handelt, oder dass es überhaupt vertrieben und verkauft worden ist.”
Die amüsante Bearbeitung des Themas und der sympathisch respektlose Umgang mit dem historischen Material machen es dem Leser leicht, in die paranoiden Welten der hier porträtieren Musen einzutauchen. Zu gern hätte man die Fotos, die in langen Passagen detailgenau beschrieben und mit großer Sensibilität für psychologische Zusammenhänge wortreich unter die Lupe genommen werden, auch vor Augen. Aber die sind leider nicht abgedruckt worden.
FRANZISKA SPERR
FRANCINE PROSE: Das Leben der Musen.Von Lou Andreas-Salome bis Yoko Ono. Nagel und Kimche Verlag, Wien 2004. 460 Seiten, 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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"Wundersame Geschichten, mit viel Einfühlungsvermögen und Witz erzählt. Ein kluges, wichtiges und fälliges Buch." Berliner Morgenpost

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Was ist eine Muse, was haben die Musen verschiedener Künstler gemeinsam, lautet die Frage, der die amerikanische Autorin Francine Prose "mit lustvoller Respektlosigkeit", so Susanne Mayer, nachgeht. So ganz kommt Prose auch nicht hinter die Frage, gesteht Meyer, ohne daran Anstoß zu nehmen. Denn die Autorin schafft es ihrer Meinung nach, endlich mal mit dem feministischen Vorurteil aufzuräumen, weibliche Musen seien das Opfer ihrer berühmten und bedeutenden Männer. Das Musendasein bedeutete vielmehr eine Möglichkeit, aus tradierten Mustern auszubrechen, hat Mayer gelernt. Musen waren Geliebte, aber auch Mutterersatz, Pflegerin, Managerin, und sie waren einflussreicher, als man glauben sollte. Nicht nur Musen haben Opfer gebracht, sondern mancher Künstler musste seiner Muse opfern. Ärgerlich findet Mayer in diesem ansonsten so hochgeschätzten Buch nur das Kapitel über "Alice in Wonderland", das sie am liebsten ersatzlos gestrichen sähe, da die Autorin darin ihrer Meinung nach Floskeln zum Thema Pädophilie ausbreitet, die sie wohl von anderen bedenkenlos hat, vermutet Mayer. Das Buch weise noch ein weiteres Manko auf, das jedoch nicht die Autorin verschuldet hat: Mayer wünscht sich sehnlichst mehr Bildmaterial zu Proses waghalsigen und atemberaubenden Analysen.

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