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Mit Adelheid Duvanel ist eine der wichtigsten Autorinnen der Schweiz wiederzuentdecken. In diesem Band versammelt Peter von Matt ihre eindrücklichsten Erzählungen, einige davon erscheinen erstmals in Buchform. Diese Prosaminiaturen bewirken einen unwiderstehlichen und unheimlichen Sog - "sie lesen sich leicht und unterhaltsam, aber sie stammen aus der finstersten Gegenwart." (Peter von Matt)
Die Figuren Adelheid Duvanels heißen Alois, Georg oder Taddea, sie sitzen am Küchentisch, schauen den Schneeflocken zu und fühlen deren Kälte in ihrem Herzen. Sie rüsten sich umständlich für eine Reise,
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Produktbeschreibung
Mit Adelheid Duvanel ist eine der wichtigsten Autorinnen der Schweiz wiederzuentdecken. In diesem Band versammelt Peter von Matt ihre eindrücklichsten Erzählungen, einige davon erscheinen erstmals in Buchform. Diese Prosaminiaturen bewirken einen unwiderstehlichen und unheimlichen Sog - "sie lesen sich leicht und unterhaltsam, aber sie stammen aus der finstersten Gegenwart." (Peter von Matt)
Die Figuren Adelheid Duvanels heißen Alois, Georg oder Taddea, sie sitzen am Küchentisch, schauen den Schneeflocken zu und fühlen deren Kälte in ihrem Herzen. Sie rüsten sich umständlich für eine Reise, die sie gerade mal in die Nachbarstraße führt. Duvanel beobachtet mikroskopisch genau Menschen im Ausnahmezustand, bei alltäglichen Verrichtungen und kurz vor dem Untergang: ungeliebte Kinder, enttäuschte Gattinnen, betrügerische Ehemänner mit vergletscherten Herzen, windige Tunichtgute, in Einsamkeit verbarrikadierte Sonderlinge. In ihren erzählerischen Kleinstbiographien rückt sie Durchschnittsbürger genauso wie Außenseiter ins Blickfeld, deren Existenz plötzlich von der Mitte her einbricht - meistens genau dann, wenn sie es mit anderen Menschen zu tun bekommen. Liebevoll, mit atmosphärischer Dichte und manchmal selbst erschrocken über ihre Gestalten, erschafft Adelheid Duvanel ein literarisch staunenswertes Universum.
Autorenporträt
Adelheid Duvanel, geboren 1936 in Basel, arbeitete nach einer Lehre als Textilzeichnerin in verschiedenen Bürostellen, als Journalistin und Schriftstellerin in Basel, wo sie im Juli 1996 starb. Sie erhielt 1984 den Kranichsteiner Literaturpreis und 1987 den Basler Literaturpreis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.11.2004

Betrug am Tannenbaum
Wiederzuentdecken: Die Erzählungen von Adelheid Duvanel

Rentnerinnen, Taschendiebe, Drogendealer, Gabelstaplerfahrer, Verkäuferinnen, Bemaler von Zahnprothesen, Büromädchen und Straßenmusikanten - es sind die sprichwörtlich kleinen Leute, die den erzählerischen Kosmos der Adelheid Duvanel bevölkern. Sie wohnen, wie es ihr Stand erwarten läßt, in anonymen Sozialbauwohnungen oder "im Betonhaus, dem häßlichsten Haus der Straße". Zur Arbeit fahren sie mit dem Bus oder der Straßenbahn, ihre Nachbarn kennen sie meist nur vom Sehen, und wenn sie Familie haben, fliehen sie vor der Zudringlichkeit ihrer Angehörigen ins Bett oder auf die Straße.

Über dreißig Jahre hinweg hat Adelheid Duvanel, die von 1936 bis 1996 lebte, Geschichten über Sonderlinge und Außenseiter geschrieben; Peter von Matt hat knapp sechzig davon für diesen Band ausgewählt. Viele dieser Erzählungen sind nur wenige Seiten lang, die kürzesten umfassen noch nicht einmal dreißig Zeilen. Dennoch zeichnen sie in hellsichtigen Momentaufnahmen das Psychogramm komplizierter Beziehungen. "Ich beobachte meine Nachbarin nun schon seit 313 Tagen, überwache ihre Gedanken und verfolge ihre Schritte, da ich ein Hörspiel über sie schreiben will", verrät die Ich-Erzählerin einer solchen Miniatur. Mehr ist kaum noch nötig, um die Sprecherin als verzweifelt einsame Frau zu porträtieren, die von der Freiheit in der Kunst träumt und doch nicht den Schritt über die Schwelle schafft, um dem Gefängnis ihrer eigenen Wohnung zu entkommen.

Träume und Sehnsüchte spielen in diesen Erzählungen eine große Rolle. Ein junger Mann bekommt regelmäßig Besuch von einer sprechenden Fledermaus, einem anderen wird seine geschiedene Frau zur Eidechse, ein dritter kauft auf Raten einen Konzertflügel, damit er ihn eines Tages der von ihm verehrten Pianistin Esther schenken kann. Die aber will natürlich nichts von ihm wissen, und als sie plötzlich bei einem Unfall stirbt, bleibt Werner in der kleinen Einzimmerwohnung mit dem viel zu großen Flügel zurück.

Adelheid Duvanel schildert seine Einsamkeit und die all seiner Leidensgenossen mit großem erzählerischen Takt. Nie erhebt sie sich über ihre schwachen und versehrten Figuren, nie setzt sie sie der Lächerlichkeit aus. Vor allem aber macht es den großen Charme dieser Erzählerin aus, daß sie nicht zur Weltverbesserin oder zur Lehrmeisterin taugt. Womöglich ist dieser Gleichmut gegenüber allen politischen und weltanschaulichen Parolen aber auch ein Grund dafür, weshalb sie, die mit mehreren Preisen ausgezeichnet wurde, bis heute nur wenige Leser gefunden hat. Kaum einmal wird sie in einem Atemzug mit anderen Schweizer Autorinnen ihrer Generation genannt, Margrit Schriber etwa, Erica Pedretti oder Hanna Johansen. Duvanels stiller Tod - nach einer kalten Julinacht wurde die Sechzigjährige erfroren im Wald gefunden - hat in den Nachrufen zu Spekulationen darüber geführt, wie sehr die unglücklichen Figuren ihrer Erzählungen ihre eigenen Lebensnöte spiegeln mögen.

Eine solche Konzentration auf biographische Details wird ihren Texten jedoch nicht gerecht; viel zu schnell geriete dabei ihre außerordentliche Stilkunst aus dem Blick, die gleichermaßen Pathos und sentimentale Anbiederung an ihre verschrobenen Gestalten vermeidet. Charakteristisch für Duvanel sind knappe Hauptsätze, die Fakten aneinanderreihen, ohne sie zu werten: "Christa lebt allein und arbeitet nicht. Sie wünscht sich vor dem Miethaus einen Brunnen, aus dem Pferde trinken. Es gibt Tage, da zieht sie den Stecker des Telefons heraus; niemand teilt ihr dann etwas mit: Sie hört keine menschliche Stimme. Sie ist eine Frau mit Affenaugen und einem Affenlachen." Wer so erzählt, läßt den Figuren ihr eigenes Recht.

Duvanels poetisches Talent offenbart sich vor allem in ungewöhnlichen Vergleichen. "Lisa glich immer mehr einer traurigen Tanne, die um ihr Weihnachtsfest betrogen wurde", heißt es über eine nicht mehr ganz junge Frau, deren Verlobter sich der geplanten Hochzeit durch zunehmende Kränklichkeit entzieht. Aus der Sicht eines Jungen wird seine Pflegemutter geschildert, die "mit den harten Augen, der geröteten Nase, den breiten abfallenden Schultern mit einer zähen schwarzen Wurst Ähnlichkeit hatte, die sich nicht gut häuten ließ, die beim Kochen aufspringt oder pappig wird, kurzum: die einen vor Probleme stellt". Man glaubt es gerne und begreift zugleich, wie sehr der kleine Leo unter dem harschen Regiment der wurstähnlichen Tante leidet. Die dichten Erzählungen Duvanels sollten wie Delikatessen genossen werden: in kleinen Portionen, die man nicht zu hastig verschlingen darf. Eine außergewöhnliche Erzählerin ist in dieser verdienstvollen Ausgabe neu zu entdecken.

SABINE DOERING

Adelheid Duvanel: "Beim Hute meiner Mutter". Erzählungen. Mit einem Nachwort von Peter von Matt. Nagel & Kimche im Carl Hanser Verlag, München und Wien 2004. 176 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.08.2004

Riskante Fenster
Vom untüchtigen Leben: Adelheid Duvanels Erzählungen
Auf engstem Raum das Äußerste wagen, war das Schreib- und wohl auch Lebensgesetz der Schweizer Autorin Adelheid Duvanel. Ihre Prosaminiaturen, die im Lauf der Zeit immer kürzer wurden, stehen unter dem Vorzeichen der Bedrängnis. Kaum wagt man zu atmen, so viel Schicksal presst sich da in wenige Worte. Obwohl die Sätze oft kurz sind, entsteht der Eindruck der Verschachtelung. Die Worte, lauter kleine „Schächtelchen”, schließen sich ab, verkeilen sich ineinander zu Labyrinthen der Ausweglosigkeit.
Duvanels Figuren sind geschlagen mit einer Innenwelt, die nicht nach draußen findet. Die „Seelenflächen” der Protagonisten, die immer einen Namen haben, aber wenig Gelegenheit, ihn von anderen zu hören, sind riesig, doch sie können sich nicht entfalten. So fälteln sie sich ein, liegen eng gedrängt im Kopf, der zum Gefängnis wird. Manchmal nehmen diese Figuren all ihren Mut zusammen und wagen einen Ausbruchsversuch aus dem Einsamkeitskerker. Mit somnambuler Sicherheit steuern sie auf andere Lebensverwundete zu, in kleinen Begegnungen, die kurzzeitig glücken, und schon geht es weiter mit dem Schrecken ständiger Verfehlung.
Peter von Matt will in seinem instruktiven, liebevoll diskreten Nachwort das schmale Werk, aus dem dieser Band eine Auswahl bietet, vor biographischen Kurzschlüssen bewahren. Den Freitod der 1936 in Basel geborenen Autorin im Juli 1996 deutet er als vielleicht nur zufälliges Erfrieren in einer ungewöhnlich kalten Sommernacht: im Wald „hatte sie sich verkrochen und mit Medikamenten in tiefen Schlaf versetzt. Vielleicht hat sie mit der Möglichkeit des Todes gerechnet”. Und doch weiß er genau, dass Adelheid Duvanel gestorben ist, „als hätte sie sich selbst erzählt”. Auch wenn ihre Erzählungen nicht autobiographisch sind, gehören sie doch zur Gattung der Gefährdungsprosa, die den Leser in Bedrängnis, bringt, als werde er Zeuge eines Fenstersturzes.
Das Fenster ist das zentrale Bild dieser Texte, im konkreten wie im metaphorischen Sinn. Es ist die kleine Öffnung zur Außenwelt, die Schutz bietet und zugleich ein Versprechen enthält: man könne ungestraft nach außen kommen, nur mit dem Blick an fremdem Leben teilhaben. Als wäre das Draußen „eine Kulisse, nicht ein Ort”. Einmal wagt es eine Frau, in jenes Bild, das sich ihr durchs Fenster bietet, einzudringen. Wochenlang beobachtet sie den Pianisten in der Nachbarwohnung, hingebungsvoll strickt sie ihm einen Schal. Eines Tages rennt sie, so schnell es geht, über die feindliche Straße, flitzt zu seiner Wohnung hinauf und überreicht ihm den Schal. Eine Zeit lang darf sie an seinem Leben teilhaben, bis er sie eines Tages, einer Kleinigkeit wegen, für immer hinausschmeißt. Eine andere Figur verkennt die Gefahr, das Fenster als Öffnung zu nehmen: Joggi „ist einmal im Suff aus dem Fenster gehüpft; ja, gehüpft, mit einem Lachen auf dem Gesicht; er dachte, das Fenster befinde sich einen Meter über dem Boden wie sein Fenster daheim; vielleicht dachte er sogar, er sei daheim, doch er war bei seinem Kollegen Wegge, dem Dichter, und fiel mehrere Meter tief; alles an ihm war kaputt, nur der Kopf blieb ganz”.
Adelheid Duvanels Prosa erzählt vom „Recht, lebensuntüchtig zu sein”. Es ist schön, dass Nagel & Kimche der Autorin ein kleines selbstentworfenes Denkmal gestiftet hat.
MEIKE FESSMANN
ADELHEID DUVANEL: Beim Hute meiner Mutter. Erzählungen. Mit einem Nachwort von Peter von Matt. Nagel & Kimche Verlag, Zürich 2003. 173 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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"Die Kürzestgeschichten der Adelheid Duvanel sind aus berückend schönen Sätzen gebaut, aus Sätzen von einer Genauigkeit, wie sie nur Poesie erschafft." Süddeutsche Zeitung

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Über einen literarischen Geheimtipp hinaus, so der Rezensent Oliver Pfohlmann, hat es die Schweizer Autorin Adelheid Duvanel nie geschafft. Völlig zu Unrecht, wie er findet, und wie die vorliegende Sammlung aufs Eindrücklichste belege. Duvanels Figuren, so Pfohlmann, haben eine Seele, die einfach zu groß ist für diese Welt, sie scheinen "fragil und autistisch", und ihr Weg aus der Enge führt allenfalls zum "Sprung in die Tiefe". So sei nicht verwunderlich, dass man kaum mehr als drei oder vier dieser Prosaminiaturen hintereinander ertragen könne, auch wenn sie selten länger als zwei oder drei Seiten seien. Duvanels Sprache, "lakonisch-präzise" und "stark verdichtet", bündele die Trostlosigkeit in "gestochen scharfe Momentaufnahmen fremdartiger Innenwelten, Lebenssplitter ausgesetzter Existenzen, die sich in ihrer Eigenart unverstanden fühlen und in surreale Fantasiewelten flüchten". Ihre Bilder, die auf den Leser gleichzeitig berückend und beängstigend wirken, machen Duvanel zu einer einzigartigen Autorin, so das beeindruckte Fazit des Rezensenten.

© Perlentaucher Medien GmbH