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Die Geschichte des Studenten Paul Pennyfeather, der einmal zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Er fliegt völlig unverschuldet von der Uni, versucht sein Glück als Lehrer in einem dubiosen Internat, verliebt sich in die umwerfend charmante Mutter eines seiner Schüler - und wird in die Machenschaften der besseren Gesellschaft verwickelt. Evelyn Waughs Debüt ist eine rasante Satire auf den Bildungsroman und die englische High Society.

Produktbeschreibung
Die Geschichte des Studenten Paul Pennyfeather, der einmal zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Er fliegt völlig unverschuldet von der Uni, versucht sein Glück als Lehrer in einem dubiosen Internat, verliebt sich in die umwerfend charmante Mutter eines seiner Schüler - und wird in die Machenschaften der besseren Gesellschaft verwickelt. Evelyn Waughs Debüt ist eine rasante Satire auf den Bildungsroman und die englische High Society.
Autorenporträt
Evelyn Waugh, geboren 1903 in Hampstead, war Maler, Lehrer, Reporter und Kunsttischler, bis er in der Schriftstellerei sein Metier fand und zu einem der wichtigsten englischen Autoren des 20. Jahrhunderts wurde. Im Krieg diente Waugh als Offizier. Waugh, der seit seiner Studienzeit eine Neigung zu dandyhafter Extravaganz pflegte, liebte es, das Publikum durch kontroverse Äußerungen zu provozieren. Er starb 1966 in Taunton, Somerset.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.07.2014

Im Oberklassenzimmer
Evelyn Waughs bitterböser Entwicklungsroman „Verfall und Untergang“
ist in einer spritzigen Neuübersetzung wieder greifbar
VON CHRISTOPHER SCHMIDT
Von dem düsteren Titel, den dieser Roman, eines der lustigsten und bösesten Bücher der Weltliteratur, trägt, sollte man sich nicht irreführen lassen. Schließlich beruht der scharfe Witz des schreibenden Berufs-Exzentrikers Evelyn Waugh (1903-1966), der ein erzkonservativer Anarch und reaktionärer Spötter war, gerade darauf, dass er seine ätzende Kritik an der Englishness gar nicht so witzig meinte, wie sie sich liest. All seine Bücher sind Sittengemälde und Säureattentat zugleich.
  „Verfall und Untergang“ – eine Anspielung auf Edward Gibbons „Verfall und Untergang des römischen Imperiums“ – nannte Evelyn Waugh seinen Debütroman, der bei seinem ersten Erscheinen 1928 ein Skandalerfolg war. Sollte damit das britische Empire gemeint sein, dessen Verfall und Untergang Waugh in seinem Hauptwerk „Wiedersehen mit Brideshead“ aus dem Jahr 1945 so elegisch besungen hat, muss man sagen, dass es kaum etwas Besseres verdient hat.
  Man nehme nur die Beispiele aus der Architektur, die es Waugh besonders angetan hat: Da wäre zunächst Llanabba Castle, das walisische Knaben-Internat, an dem sich die Hauptfigur des Romans, der ebenso naive wie sterbenslangweilige Theologie-Student Paul Pennyfeather als Hilfslehrer verdingen muss, nachdem er wegen „anstößigen Benehmens“ vom College relegiert wird. Das Schulgebäude mit seinen Wehrtürmen und Pechnasen sieht zwar aus wie eine normannische Zwingburg, im Grunde aber handelt es sich um ein gewöhnliches Landhaus, das der Vorbesitzer, ein Fabrikant, während einer Hungersnot mit großen Steinquadern verkleiden ließ. Als überzeugter Anhänger des aufgeklärten Egoismus konnte er es nicht auf sich sitzen lassen, dass seine Arbeiter beim Wohltätigkeitsbasar ohne Gegenleistung verköstigt wurden.
  Oder das Haus von Margot Beste-Chetwynde, von dem es heißt, jahrhundertelang hatte „kein Installateur oder Ingenieur King’s Thursdays Schlummer gestört“. Allerdings sind die Scharen von Dienstboten weniger empfänglich „für die Reize der Tudorschen Archaik“ als die aristokratischen Bewohner. Margot lässt das Haus von ihrem Liebhaber Otto Silenus, in dem man unschwer eine Karikatur des jungen Walter Gropius erkennt, zur Parodie einer hypermodernen Hollywood-Villa aufrüsten. Auch diese wird bald wieder umgebaut, nachdem Margot dem Genie den Laufpass gegeben hat, woraufhin man den Gärtner mit Ottos zurückgelassenen Batik-Krawatten im Park sichtet.
  Die Editionsgeschichte von „Verfall und Untergang“ gleicht selbst jenem Studentenstreich, mit dem der Roman beginnt. Nach einer ersten Ablehnung brachte Evelyn Waugh sein „unanständiges“ Buch bei einem anderen Verlag unter – allerdings in der Abwesenheit der Verlagsleitung, seines eigenen Vaters. Unanständig ist jedoch nicht der Roman, sondern das, was er darstellt. Bei der Rückkehr von einem Vortrag des Völkerbundes über Plebiszite in Polen fällt der arglose Pennyfeather in die Hände einiger wohlstandsverwahrloster College-Schnösel, die ihm die Kleider vom Leib reißen. „Es wurde ein schöner Abend“, schreibt Waugh über deren standesgemäßes Komabesäufnis. „Sie zertrümmerten Mr. Austens Flügel, stampften Lord Rendings Zigarren in den Teppich und zerschlugen sein Porzellan, sie zerrissen Mr. Partridges Bettlaken und warfen den Matisse ins Klo.“ Die Universität geht nicht gegen den Vandalismus vor; zu gut schmeckt der erlesene Portwein, der stets aus dem Keller geholt wird, wenn randalierende Studenten hohe Bußgelder zahlen müssen. Die Übeltäter kommen aus zu hochgestellten Familien, als dass sie strenger bestraft würden. Also opfert man den weniger begüterten Pennyfeather. Und der Völkerbund wird ihn noch begleiten.
  Das Kollegium der Schule, an der er als Lehrer anfängt, besteht im Wesentlichen aus halbkriminellen Päderasten, für die ein gelungener Tag bedeutet, sämtliche Jungen mit dem Spazierstock zu verprügeln – gilt doch als Voraussetzung für den Lehrerberuf, eine der Sackgassen zu verkörpern, „die von der Hauptstraße der Fortpflanzung abzweigen“. Kein Wunder, dass Pennyfeather seine Kollegen später im Zuchthaus wiedersieht. Bei einer Farce von Schulsportfest hat er sich in die bildschöne Mutter eines Schülers verliebt, die ihm beim Absinth-Frühstück nach einem ihrer üblichen Veronalräusche eine Stellung anbietet: als ihr Ehemann. Pennyfeather ahnt nicht, dass Margot ihr Geld mit Varietés in Südamerika verdient, für die sie ständig junge Damen ohne Geschlechtskrankheiten rekrutiert. Als der Völkerbund einmal deren Ausreise behindert, wird Paul nach Marseille entsandt, um den Zoll zu bestechen. Zurück in London wird er wegen Menschenhandels festgenommen.
  Doch „wer eine englische Privatschule besucht hat, wird sich im Gefängnis vergleichsweise wohl fühlen“, findet Paul und wird nur dadurch auffällig, dass er um Verlängerung der „glücklichen Zeit“ seiner Einzelhaft bittet. Margot macht ihm den Aufenthalt mit Sendungen von Kaviar und Trüffelleberpasteten erträglich und heiratet indessen den amtierenden Verkehrsminister mit dem sprechenden Namen Maltravers, später nennt er sich Viscount Metroland. Durch dessen Intervention wird Paul, der reine Tor mit den „strapazierfähigen Idealen“, aus dem Zuchthaus geschleust, für tot erklärt und nimmt, mit einer neuen Identität versehen, genau ein Jahr nach seinem Verweis wieder sein Theologie-Studium in Oxford auf, natürlich nicht ohne den interessanten Vortrag des Völkerbundvereins über die polnischen Plebiszite zu versäumen.
  „Verfall und Untergang“ ist ein maliziöser Anti-Bildungsroman im Zeitraffer. Mit eisgekühltem Grimm – und nun in einer angemessen lästerzungenfertigen Übersetzung von Andrea Ott – schildert Evelyn Waugh die Dekadenz und Herzlosigkeit der Klassengesellschaft, vor allem den Sadismus des Erziehungswesens, diesem „Horror des Heranwachsens“. Besonders kalt glüht Waugh immer dann, wenn es ihm besonders ernst ist. Da gibt es zum Beispiel den jungen Lord Tangent. Beim Sportfest in der Schule trifft ihn die Kugel der Startpistole, eines zweckentfremdeten schweren Revolvers, am Fuß. „Das schadet ihm nicht“, sagt Lady Circumference, seine Mutter. Später erfahren wir, dass der Fuß amputiert werden musste, und irgendwann erwähnt Waugh beiläufig, dass Tangent tot ist – was Milady nur bedauert, weil die Leute denken könnten, sie hätte wegen einer solchen Lappalie eine mondäne Einladung abgesagt. Und als ein anderer Junge entführt wird, bedankt sich dessen Vater mit freundlichen Grüßen für die Mühe, fühlt sich aber nicht zur Zahlung des Lösegeldes verpflichtet. Er habe keine Entführung in Auftrag gegeben.
  Der Roman wimmelt von satirisch überspitzten Miniaturen, die zusammen einen Querschnitt der damaligen Gesellschaft ergeben. Waugh beschreibt sie als Teufelsrad der Sozialdistinktion, auf dem sein Held gleich mehrere symbolische Tode und Wiedergeburten erlebt. „Es war seltsam, tot zu sein“, stellt Paul fest. Evelyn Waugh starb übrigens 1966, vermutlich an einem Herzinfarkt. Man fand ihn mit dem Kopf in der Toilettenschüssel. Ein grausig-komisches Ende – es könnte glatt aus einem seiner Romane stammen.
„Es wurde ein schöner Abend“,
heißt es über die Gewaltorgien
der Oxford-Studenten
Besonders kalt
wird Waugh immer dann,
wenn es ihm ernst ist
Immer schön mit dem Strom schwimmen: Trockenübungen für die künftigen Gentlemen.
Foto: Getty Images
      
  
  
  
Evelyn Waugh: Verfall und Untergang. Aus dem Englischen von Andrea Ott. Diogenes Verlag, Zürich 2014. 304 Seiten, 21,90 Euro, E-Book 19,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.06.2015

Der Mann, der täglich im Saft seiner Galle badete

Jeder kennt "Wiedersehen mit Brideshead". Jetzt ist Evelyn Waugh, der große Stilist und Satiriker mit durchdringendem Blick, in drei frühen Romane wiederzuentdecken.

Er sei ein recht cleverer kleiner Kerl gewesen, hat Evelyn Waugh im Rückblick auf seine Schulzeit gesagt. Allerdings war er wohl auch ein übler Raufbold, der schwächere Jungen bis aufs Blut zu quälen pflegte. Einer seiner Mitschüler, der Fotograf Cecil Beaton, der durch seine Porträts der feinen Londoner Gesellschaft berühmt wurde, soll die Schikanen und Torturen, die er dem cleveren kleinen Evelyn zu verdanken hatte, sein Leben lang nicht vergessen haben, wie Selina Hastings berichtet. Sie hat eine der bislang sechs Biographien verfasst, die Arthur Evelyn St. John Waugh gewidmet wurden. Man muss sie nicht alle gelesen haben, um einen Eindruck von diesem begnadeten Schriftsteller zu bekommen: ein faszinierendes Ekel von brillanter Intelligenz und zynischem Witz. Ein Mann, der jeden Morgen ein ausgiebiges Bad im Saft seiner eigenen Galle nahm. Danach setzte er sich an den Schreibtisch.

Was dort entstand, gehört zum Witzigsten und Elegantesten, was die englische Literatur hervorgebracht hat. Waugh ist ein grandioser Satiriker und Gesellschaftskritiker, der in seinen besten Momenten den Vergleich mit Swift und Dickens nicht scheuen muss und dessen Stärke vor allem in der Zeichnung seiner Figuren liegt. Seine Liebe gilt ihren Details, den zahllosen kleinen Eigenheiten, mit denen er seine Charaktere ausstattet, seine Spottlust, seine Häme und auch sein Hass aber zielen fast immer auf die gesamte Person. Mitleid kennt er nicht.

Nehmen wir nur den jungen Lord Balcairn, der in Waughs "Lust und Laster" sein Geld als Klatschreporter verdienen muss, wobei er sich weder auf sein Glück noch auf seinen Verstand verlassen kann. Als er das Ende seiner Karriere gekommen sieht, schreibt er einen fulminanten Artikel, in dem die begehrtesten Objekte aller Londoner Gesellschaftsblätter ihren skandalösen Auftritt haben. Er reiht eine ungeheuerliche Lüge an die andere und bringt es damit zum ersten und letzten Mal in seinem Leben auf die Titelseite. Dann steckt er den Kopf in den Backofen seiner schäbigen Küche und dreht das Gas auf: "So kehrte der letzte Earl of Balcairn, wie es so schön heißt, heim zu seinen Vätern (die in vielen Ländern und für viele Ideale gestorben waren, wie es ihnen die Verschrobenheiten britischer Diplomatie und ihre eigene Unrast auferlegt hatten, in Akkon, Agincourt und Killiecrankie, in Ägypten und Amerika; einen hatten die Fische weißgenagt, als die Wellen ihn zwischen die Wellen eines Unterwasserwalds spülten; andere waren von der tropischen Sonne versengt und nicht mehr identifzierbar gewesen, viele aber lagen in extravaganten Marmorgrüften)." So ist die Lage im London der zwanziger Jahre: Das Empire steht vor dem Zerfall, die Ideale sind aufgebraucht oder verrottet, das edle Haupt des letzten Earl of Balcairn steckt im Backofen, während Waughs eigener Kopf sich bei seinem Tod in einer Kloschüssel befunden haben soll, in die er infolge eines Herzinfarkts kopfüber gestürzt sein muss. Das war 1966. Knapp vier Jahrzehnte zuvor, am Ende jener Dekade, in der Waugh seine ersten Romane ansiedelte, hatte er einen Selbstmordversuch unternommen: Er hinterließ seine Kleidung und einen Abschiedsbrief am Strand, schwamm ins offene Meer hinaus und kehrte nach einer unerfreulichen Begegnung mit einer Qualle zum Ufer und ins Leben zurück, um für kurze Zeit als Lehrer an der Privatschule Acton Hill zu arbeiten. Dort wurde er hinausgeschmissen, weil er im Suff und ungeachtet seiner homosexuellen Neigungen versucht hatte, eine der Hausmütter zu verführen. Da war er Mitte zwanzig.

Von diesem Rauswurf führt ein mehr oder weniger direkter Weg zu seinem ersten Roman: "Verfall und Untergang" erschien 1928 im Original und im vorigen Jahr in einer gelungenen neuen Übersetzung von Andrea Ott bei Diogenes, wo seitdem mit "Eine Handvoll Staub" und "Lust und Laster" noch zwei weitere der frühen Romane von Evelyn Waugh erschienen sind, beide ebenfalls glänzend ins Deutsche übertragen von Pociao. Alle drei Romane spielen in Waughs bevorzugten Milieus, also in englischen Privatschulen, im Universitätsleben, in der gehobenen Londoner Gesellschaft.

An allen drei Orten treffen wir auf dieselben Typen und Charaktere: ausgekochte kleine Teufel, unfähige Lehrer, schrullige Exzentriker, bornierte ehemalige Offiziere, Mitgiftjäger und Kupplerinnen, gelangweilte Ehefrauen, arme Schlucker und mondäne Erbinnen, skrupellose Politiker und Geschäftemacher der übelsten Sorte. Zwei Mal schickt Waugh sein Personal nach Südamerika, wo Lady Metroland, eine der angesehensten Damen der Londoner Gesellschaft, ihr Vermögen durch den florierenden Handel mit jungen Mädchen aufbessert. Als die Sache aufzufliegen droht, werden die trüben Geschäfte kurzerhand ihrem Bräutigam, dem armen Paul Pennyfeather, in die Schuhe geschoben.

Pennyfeather kommt ins Gefängnis, aber Lady Metroland tröstet sich im Handumdrehen. Sie heiratet einen Politiker, der seine Beziehungen spielen lässt, um dem Sündenbock aus der Klemme zu helfen: Pennyfeather stirbt bei einer fingierten Operation, um unter anderem Namen wiederaufzuerstehen und an jenen Ort zurückzukehren, von dem man ihn zu Beginn des Romans verjagt hatte: die Universität. Im zweiten Leben studiert Pennyfeather, der durch sein erstes Leben getorkelt war wie ein Parzival, der ein bisschen zu viel trinkt, nun Theologie.

Waugh, der etwa dreißig Romane, Erzählungsbände, Reiseberichte und Biographien verfasst hat, ist in Deutschland fast nur noch durch seinen unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entstandenen Roman "Wiedersehen mit Brideshead" bekannt, der auch in England durch die gleichnamige Fernsehserie aus dem Jahr 1981 wiederentdeckt wurde. Bis dahin war Waughs Nachruhm eher spärlich ausgefallen, was viel mit seinen erzkonservativen politischen Ansichten zu tun haben dürfte. Als erklärter Gegner des Wohlfahrtstaats hatte er im England der Jahre vor Margaret Thatchers Amtsantritt mehr Feinde als Freunde. Jetzt gibt uns der Diogenes Verlag die Gelegenheit, den frühen Waugh wiederzuentdecken, den Zeitgenossen von F. Scott Fitzgerald, den anderen großen illusionslosen Chronisten der zwanziger Jahre.

Der erste Teil des Debütromans "Verfall und Untergang" ist, man kann es nicht anders sagen, zum Brüllen komisch. Aber dann wird es dunkler, bitterer, bei gleichbleibend glanzvollem Stil allerdings. Waugh musste während der Arbeit an dem Roman die Trennung von seiner ersten Frau Evelyn Gardner verkraften. Nach der Scheidung von "She-Evelyn", wie sie im Freundeskreis genannt wurde, konvertierte "He-Evelyn" zum Katholizismus, was vor allem in dem auch von Waughs Kriegserlebnissen geprägten "Wiedersehen mit Brideshead" spürbar wird. Der frühe Waugh bleibt jedoch immer der Satiriker mit dem durchdringenden Blick. Seine Helden scheitern - an sich selbst, an ihrer Unbeholfenheit und Weltfremdheit. Dass sie es mit Gegnern zu tun haben, die zur Not auch über Leichen gehen, schwant ihnen viel zu spät.

Eine Ausnahme macht Tony Last in "Eine Handvoll Staub". Er ist - wie sein Name schon zeigt - der Letzte seiner Art: ein anständiger Mann, guter Vater, treuer Ehemann, der sich seinem Erbe, dem Herrenhaus Hetton Abbey samt den zugehörigen Ländereien, verpflichtet fühlt. Er besitzt, um zu bewahren, ist mehr Traditionalist als Reaktionär und betrachtet seine bescheidenen Tugenden wie harmlose Marotten, die man pflegen darf, weil sie keinem schaden. Folglich ist das Leben mit ihm nicht sehr aufregend, und seine junge, bildschöne Frau stürzt sich bei einem ihrer seltenen Besuche in der Hauptstadt in eine Affäre mit einem anderen Langweiler, der überdies nicht einmal Geld hat. Von Liebe ist auch diesmal keine Rede. Es geht eher um den Zeitvertreib. In "Lust und Laster" führt diese Haltung zu Dialogen wie dem folgenden: ",Lass uns bald heiraten, Nina', sagte Adam. ,Was meinst du?' ,Ja, es ist langweilig, nicht verheiratet zu sein.'" Evelyn Waughs frühe Romane erzählen nicht zuletzt von Menschen, die kaum etwas anderes so sehr fürchten wie die Langeweile und die es sicherlich ungeheuer aufregend fänden, wenn sie wüssten, wie modern sie mit dieser lächerlichen Sorge noch heute wirken.

HUBERT SPIEGEL.

Evelyn Waugh: "Lust und Laster". Roman.

Aus dem Englischen von Pociao. Diogenes Verlag, Zürich 2015. 285 S., geb., 23,90 [Euro].

Evelyn Waugh: "Eine Handvoll Staub". Roman.

Aus dem Englischen von Pociao. Diogenes Verlag, Zürich 2014. 352 S., geb., 22,90 [Euro].

Evelyn Waugh: "Verfall und Untergang". Roman.

Aus dem Englischen von Andrea Ott. Diogenes Verlag, Zürich 2014. 304 S., geb., 21,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Andrea Otts Neuübersetzung von Evelyn Waughs "Verfall und Untergang", das erstmals 1928 erschienen ist, führt gelungen den bitterkalten Witz dieses Buches wieder auf, in dem sich Waugh über den englischen Snobismus und den "Horror des Heranwachsens" im sadistischen Bildungssystem lustig macht, berichtet Christopher Schmidt - doch der Rezensent weiß: gerade dort, wo Ironie und Zynismus bei Waugh zusammentreffen, meint der Autor es für gewöhnlich äußerst ernst. Die Geschichte bildet einen "Anti-Bildungsroman im Zeitraffer", so Schmidt. Ein zu naiver Privatschüler fliegt aus dem Internat, wird auch später hauptsächlich ausgenutzt und landet schließlich im Gefängnis, fasst der Rezensent zusammen. Schließlich lernt Schmidt noch, dass sich der Aufenthalt in einer englischen Privatschule und in einem Gefängnis nicht unbedingt voneinander unterscheiden.

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