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Produktdetails
  • Verlag: Haffmans
  • Originaltitel: The Practice of Writing
  • Seitenzahl: 251
  • Abmessung: 205mm
  • Gewicht: 294g
  • ISBN-13: 9783251400317
  • ISBN-10: 3251400312
  • Artikelnr.: 24075429
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.2001

Am besten schmeckt's vom eigenen Herd
Rührt Susan oder Jane? David Lodges Schreibküche fehlen Rezepte / Von Hans-Ulrich Treichel

Kein Zweifel. Bei David Lodge muß es sich um einen sehr bedeutenden, äußerst erfolgreichen, enorm produktiven Schriftsteller handeln, der nicht nur Romane und Theaterstücke schreibt, sondern eigene wie auch fremde Stoffe in Fernsehskripte verwandelt, aus denen dann ebenso erfolgreiche und bedeutende Fernsehserien hervorgehen. Außerdem verfügt der Autor über zahlreiche Kontakte zu ebenfalls wichtigen und bedeutenden Leuten aus der englischen Literatur-, Medien- und Theaterwelt, denen wiederum sehr viel daran gelegen ist, daß Lodge nicht nur die eigenen Werke in Drehbücher verwandelt, sondern auch, von Ausnahmen abgesehen, bei den Dreharbeiten anwesend ist. Normalerweise fürchten Film- und Fernsehleute anwesende Autoren wie der Teufel das Weihwasser. Gelegentlich schreiben sie sogar in die Verträge, daß der Autor keinen Anspruch darauf hat, am Drehort zu erscheinen.

Nicht so bei David Lodge. Er darf nicht nur am Drehort sein und sich an der Produktion beteiligen, wie bei der Fernsehadaption von "Saubere Arbeit" für die BBC beispielsweise, er darf auch an der Auswahl der Schauspieler und vor allem Schauspielerinnen mitwirken, die für die Uraufführung seines Stückes "Literatenspiele" (The Writing Game), das ursprünglich "Der Schnellkochtopf" (The Pressure Cooker) hieß, vorsprechen müssen. Schauspielerinnen für ein eigenes Stück auszuwählen, das zudem "Der Schnellkochtopf" hieß, muß eine höllische Freude bereiten. Was Besseres kann einem Autor im Grunde gar nicht passieren. Auch und gerade weil die erste der Kandidatinnen mit Namen Jane etwas "distrait" und "emotional instabil" erscheint und "im herkömmlichen Sinne nicht gut aussieht". Lodge aber weiß, "daß sie sehr attraktiv aussehen könnte, wenn sie wollte". Hoffentlich weiß Jane das auch.

Doch die Entscheidung fällt schwer, denn Jane konkurriert mit Susan, wobei Susan "jenes sehr englische blonde gute Aussehen besitzt", das sich Lodge für die Rolle eigentlich vorstellt. Susan wäre also "die sichere Wahl", Jane aber "die interessante". Alles hängt jedoch davon ab, "wer die Rolle Leos spielt". Eine für Lodge "beunruhigend offene Frage", für den Leser allerdings eher eine Behelligung mit Planungs- und Berufssorgen von Leuten, die sich um seine Sorgen ja auch nicht kümmern. David Lodge wünscht sich für die Besetzung des Leo den nicht ganz unbekannten Schauspieler Dustin Hoffman, und dieser reagiert, so Lodge, auf die entsprechende Anfrage durchaus interessiert, entscheidet sich aber nach "einigen Wochen" des Hin und Her doch lieber für "Peter Halls Produktion des ,Kaufmanns von Venedig'".

Shakespeare oder Lodge, "Der Kaufmann von Venedig" oder "Der Schnellkochtopf" - das ist die Frage, die Dustin Hoffman ganz offensichtlich eine Zeitlang bewegt hat, wenn wir dem Autor glauben wollen. Aber tun wir das? Ist es überhaupt David Lodge, der hier schreibt? Es fällt schwer, dies zu glauben. Schließlich kennen wir den englischen Literaturprofessor und Schriftsteller Lodge als einen klugen, gewitzten und selbstironischen Mann, der sich mit seinen Romanen vor allem um die Gattung der campus novel verdient gemacht hat und zu dessen speziellen Fähigkeiten es gehört, die menschlichen Schwächen von intellektuellen sowie die kleinen und großen (zumeist kleinen) Abgründe des akademischen juste milieu auszuleuchten - unter besonderer Berücksichtigung der Eitelkeiten, theoretischen Bluffs und Wichtigtuereien von Professoren der Linguistik und Literaturwissenschaft.

Doch nun scheint Lodge die Fronten gewechselt zu haben und auf die Seite derer übergelaufen zu sein, die er sonst satirisch aufzuspießen geneigt war. Denn zumindest einige der vorliegenden Essays und Vorträge zeigen keinen selbstironischen, sondern einen eitlen, erfolgsstolzen Autor; sie frönen nicht dem Understatement, wie es sich für einen Engländer gehört, sondern der ungehemmten Werbung in eigener Sache. "Wie man als Universitätsprofessor eine verdammt gute Literatenkarriere macht und dauernd verfilmt wird", müßte das Buch eigentlich heißen. Es heißt aber "Das Handwerk des Schreibens", was den Leser, der in die Geheimnisse dieses Handwerks eingeweiht werden möchte, natürlich freut. Normalerweise werden, vor allem in Deutschland, Bücher dieser Art immer nur von Leuten geschrieben, die nichts anderes schreiben und schreiben können als eben Schreibratgeber und Creative-Writing-Bücher. Damit kann man Geld verdienen. Schreiben lernen im Regelfall nicht.

Darum ist die Erwartung entsprechend groß, wenn einer wie Lodge, der bewiesen hat, daß er es kann, sein Handwerkszeug auspackt. Doch was teilt er uns über das Schreibhandwerk mit? Über das Schreiben von Stücken erst einmal nichts. Ausführlich aber wird dem Leser ein Probentagebuch der Birminghamer Uraufführung der "Literatenspiele" zur Kenntnis gegeben, in dem noch die geringsten Details übermittelt werden, als handle es sich hierbei um ein Stück allgemein bekannter Literatur. So berichtet der Autor von "Diskussionen über die Badezimmertür", als sei diese dem Leser ebenso geläufig wie Kleists Krug oder Shakespeares Esel. Dem ist aber nicht so, obwohl die Uraufführung der "Literatenspiele" laut Tantiemenabrechnung immerhin von "über zwölftausend Besuchern gesehen wurde" und der Autor damit "etwa siebentausend Pfund" verdient hat.

So konkret wünschte man sich auch die Aussagen zum Handwerk des Romanciers. Statt dessen lesen wir Sätze wie: "Das Medium des Romanautors ist fast ausschließlich die Sprache. Ich sage ,fast', weil Romane manchmal illustriert sind." Oder er bleibt akademisch und referiert noch einmal - durchaus bedenkenswerte - Positionen der Erzähltheorie von Henry James über die russischen Formalisten bis zu Walter Benjamin und Gérard Genette. Doch das scheinen Pflichtübungen. Mehr interessiert ihn die Praxis der Adaption literarischer Texte für Film und Fernsehen, und dies wohl auch, weil die Mitarbeit an der Fernsehfassung des Romans "Saubere Arbeit" den Ausschlag gab für Lodges Entscheidung, die Lehrtätigkeit an der Universität aufzugeben und freier Schriftsteller zu sein.

Das aber hindert ihn nicht, die Frage "Kann und soll man kreatives Schreiben unterrichten?" mit einem entschiedenen und durchaus sachgerechten "Ja, aber . . ." zu beantworten. Ja, weil Rhetorik, Stilistik, Erzähltechniken durchaus vermittelbar sind. Was aber alles nichts fruchtet, wenn "die Lebenserfahrung des Autors, sein genetisches Erbe, sein historischer Kontext, seine Lektüre, sein Erinnerungsvermögen, seine Fähigkeit zur Introspektion, sein Phantasieleben" und vieles andere mehr nicht nutzbar gemacht werden kann für die Umsetzung des Wissens.

Daß es möglich ist, von der Theorie zur durchaus erfolgreichen literarischen Praxis zu gelangen, hat nicht zuletzt Lodge mit seinen Romanen bewiesen. Ob der Erfolg auch zur Aufnahme in den Literaturkanon führt, ist eine ganz andere Frage. Diese interessiert Lodge so sehr, daß er sie nicht eigens ausspricht, wohl aber seinen eigenen Texten gegenübertritt wie kanonischen Texten. So ist es für ihn kein Problem, Romantheorie am Beispiel Lodge und mit ausführlichen Eigenzitaten zu referieren, wobei das Eigene dann nonchalant mit Beckett, Bachtin, Barthes, Joyce und Virginia Woolf umstellt wird. Diese Ehre wird eigentlich nur solchen Texten und Autoren zuteil, die schon ein Stück vorangerückt sind Richtung Olymp. Und sie wird gewöhnlich von denen verliehen, auf die es Lodge sonst abgesehen hat: den Literaturwissenschaftlern. Lodge aber verleiht sie sich selbst: mit vollem Ernst und gänzlich unironisch.

David Lodge: "Das Handwerk des Schreibens". Wie man eine Geschichte erzählt. Roman, Bühnenstück, Drehbuch. Aus dem Englischen übersetzt von Martin Ruf. Haffmans Verlag, Zürich 2001. 256 S., br., 29,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Für Hans-Ulrich Treichel ist das Buch, das Essays und Vorträge über das Schreiben enthält, peinlich und nutzlos. Ganz gegen seine Erwartung lässt der Autor, der ihm als kritischer und satirisch talentierter Romancier der "campus novel" bekannt ist, jegliche Selbstironie vermissen. Statt dessen präsentiere sich Lodge als "eitler, erfolgsstolzer" Schriftsteller und Drehbuchautor. Dazu schreibe er über seine eigenen Werke wie über Klassiker und referiere schon mal Romantheorien an eigenen Werken, stellt der Rezensent erstaunt fest. Dass man zudem nicht viel über das Schreibhandwerk erfährt und auf diesem Gebiet mit Banalitäten bzw. mit "Pflichtübungen" abgespeist wird, verärgert Treichel endgültig.

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