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Marcela, in Europa gestrandete kubanische Fotografin, gelingt in der neuen Welt alles, was sie anpackt. Dennoch will sie sich von ihrem Erfolg nicht knechten lassen. Sie flieht vor dem Ruhm und widmet sich lieber den Dingen, die ihr wichtiger sind. Unter ihren zahlreichen kubanischen Freunden, die weltweit verstreut im Exil leben, ist sie diejenige, die über die Erinnerungen an die zurückgelassene Welt wacht. Sie ist die Regentin über das kollektive Gedächtnis an eine Zeit, die unwiederbringlich verloren ist. Aber Marcela ist auch eine gefangene Königin. Gefangen in den Gedanken an die…mehr

Produktbeschreibung
Marcela, in Europa gestrandete kubanische Fotografin, gelingt in der neuen Welt alles, was sie anpackt. Dennoch will sie sich von ihrem Erfolg nicht knechten lassen. Sie flieht vor dem Ruhm und widmet sich lieber den Dingen, die ihr wichtiger sind. Unter ihren zahlreichen kubanischen Freunden, die weltweit verstreut im Exil leben, ist sie diejenige, die über die Erinnerungen an die zurückgelassene Welt wacht. Sie ist die Regentin über das kollektive Gedächtnis an eine Zeit, die unwiederbringlich verloren ist. Aber Marcela ist auch eine gefangene Königin. Gefangen in den Gedanken an die Vergangenheit und an ein totgeschwiegenes Verbrechen. Gefangen in ihren Träumen, in denen noch immer jenes verhängnisvolle Bündel von Briefen schwelt, die eine Tragödie ausgelöst haben. Gefangen auch von ihren fünf Sinnen, die sich als Kerkermeister vor ihr Liebesleben stellen. Und nicht zuletzt von der Weissagung eines alten Santería-Priesters, die das düstere Verhängnis ihres Lebens vorausahnt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.06.2004

Die Infame mit dem Einhorn
Kuba zwischen Parteitag und Prostitution: Zoé Valdés' Exilroman

"Zoé Valdés (Havanna 1959) hat zwei lobende Erwähnungen im Wettbewerb ,13. März' erhalten. Sie gehört der jungkommunistischen Brigade ,Brüder Saíz' und dem Solidaritätskomitee mit der Revolution in El Salvador an."

So etwa muß man sich die offiziell belobigte Vita einer angehenden Literaturfunktionärin aus Kuba vorstellen. Reichlich ungewöhnlich mutet sie lediglich an, wenn die Belobigte landläufig als die Speerspitze des literarischen Widerstands gegen Fidel Castro gilt. Gerade deshalb ist diese Bilderbuch-Biographie, die den Klappentext des ersten Gedichtbands von Zoé Valdés, "Antworten, um zu leben" (1986), schmückt, dazu geeignet, den polemischen Trubel um die Person der Autorin zu erklären. Nach einer brav kommunistischen Karriere, unter anderem als Unesco-Delegierte der kubanischen Regierung, setzte sich Zoé Valdés 1995 ins Pariser Exil ab. Für die Linientreuen der kubanischen Revolution ist sie seither die Inkarnation der Infamie; eine opportunistische Parasitin, die skrupellos ihre Ideale verriet, als ihr andernorts mit deftigen tropisch-exotischen Sexszenen und ein wenig Konterrevolutions-Folklore größerer kommerzieller Erfolg winkte.

Wer sich für Literatur mehr interessiert als für öde Grabenkämpfe pro- und konterrevolutionärer Politaktivisten, für den bietet angesichts des inzwischen etwas abgeflauten Kuba-Booms der vergangenen Jahre die deutsche Erscheinung von "Café Cuba", dem Hauptwerk der Autorin aus den späten neunziger Jahren, die Gelegenheit, mit ein wenig ideologisch unbeschwerter Distanz die rein literarischen Qualitäten der zweifellos erfolgreichsten kubanischen Gegenwartsautorin einzuschätzen.

Diese literarischen Qualitäten gelten auch dann, wenn die autobiographischen Parallelen zur Person der Autorin ins Auge stechen. Wie diese stammt die Romanheldin Marcela aus dem Altstadtviertel Habana Vieja; wie Valdés lebt sie im Exil in Paris und ist Stammgast im globalisierten "Café Cuba" der heimwehkranken Exilanten, von der obsessiven Sorge um die Vorgänge auf "jener Insel" geplagt. Denn so pflegt sie ihr Land zu nennen, gleichsam, als verursachte die Artikulation der vier Buchstaben seines Namens ihr physischen Schmerz. Entgegen dem Bild von der stets paarungswilligen Kubanerin jedoch plagt Marcela neben dem Heimweh noch ein zweites Leid: ihre sexuelle Unbefriedigung, ausgelöst durch das Trauma, als Jugendliche einen Familienvater durch fehlgeleitete anonyme Liebesbriefe in den Feuertod aus den Händen einer eifersuchtsblinden Gattin getrieben zu haben. Schließlich stößt sie nach Irrfahrten über Paris und New York, unbefriedigenden Beziehungen, genuin Valdésschen Gruppensexorgien und einer gruselfilmreifen Abtreibungsszene auf den Mann, den ihr die Vision eines untoten Babalao-Priesters bei nächtlichen Streifzügen durch ihr Havanna verheißen hatte. Als Hommage an Virgilio Piñeras Erzählung "Das Fleisch" fallen die Liebenden nach langen Entsagungen im Finale übereinander her, um sich in einer kulinarischen Schlacht gegenseitig zu verspeisen.

Reichlich bizarr mag diese Handlung schon für sich anmuten. Doch sie wird es noch mehr durch die Form, in der sie uns erzählt wird: in kompositorischer Nachempfindung des Gobelinzyklus "Die Dame mit dem Einhorn" aus dem Pariser Musée de Cluny. Jedem Kapitel ist, gleich jedem der Wandbehänge, ein Sinnesorgan zugeordnet, bis in einem sechsten Sinn, vulgo: Kapitel mit dem enigmatischen Titel "Meinem einzigen Verlangen" die kannibalistische Synästhesie der Impressionen erreicht wird. Flankiert wird die ein wenig blaustrümpfige Referenz auf die Kunstgeschichte des Mittelalters jedoch in dissonanter Weise von Kuba-Meldungen aus dem Agenturticker des Jahres 1996, ja gar von einem in den Text eingefügten fünfzigseitigen Filmdrehbuch. Milieustudien der Melancholie einer kubanischen Emigrantengemeinde in Paris und ebenso nostalgische wie abschreckende Jugenderinnerungen an eine verflossene Ära voll von karibischem Sowjet-Trash verbinden sich hier mit afrikanischer Mystik; hochgebildete intertextuelle Verweise mit Zoten und Anekdoten aus dem Unterleibsbereich in übelstem Gossenargot. Vor den Augen des Lesers wächst so ein skurriles Hybridwesen heran, dessen Existenz man eigentlich gar nicht für möglich hielte: ein hochintellektueller Dreigroschenroman mit dem Anspruch anticastristischer Erbauungsliteratur.

Bedeutende Literatur ist das zweifelsohne nicht. Dennoch gleitet der Roman nicht in die Schundkategorie ab, in die procastristische Antivaldesisten ihn systematisch verfrachten möchten. Auch wenn in jenem multinationalen "Café Cuba" nichts so recht zueinanderzupassen scheint, verursacht jeder Schluck aus seinen Tassen ein schwer zu leugnendes Lesevergnügen. Das gleichzeitige intellektuelle Kokettieren und Schielen auf kommerzielle Verwertbarkeit mag den sauertöpfischen Puristen, die einer Autorin aus sozialistischen Landen a priori das Geldverdienen verbieten würden, als größtes Vergehen überhaupt erscheinen. Rein gar nichts ändert dies jedoch an dem flittergoldenen Charme, über dessen Stil- und Qualitätsbrüche die Autorin als gelernte Philologin sich durchaus bewußt zu sein scheint. Daß die Verbindung von Elite- und Pöbeldiskurs in deutscher Sprache so gut verdaulich ist, muß jedoch nicht zuletzt als Verdienst des Übersetzers Klaus Laabs gewertet werden, der durch seinen gebildeten Gossenslang souverän die Klippe umschifft, den kubanischen Argot durch Kraftausdrücke von vorgestern wiederzugeben, welche angegraute Herren meist für heutige Jugendsprache zu halten pflegen. Ob die auch aus bibliophiler Sicht beeindruckende editorische Qualität der deutschen Leinenausgabe dem halbseidenen Charme des Textes angemessen ist, steht freilich auf einem anderen Blatt.

FLORIAN BORCHMEYER

Zoé Valdés: "Café Cuba". Roman. Aus dem kubanischen Spanisch übersetzt von Klaus Laabs. Ammann Verlag, Zürich 2004. 373 S., geb., 21,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Der Rezensent Florian Borchmeyer nimmt die deutsche Veröffentlichung des Hauptwerkes der einst linientreuen und dann doch in den Westen geflohenen und dementsprechend umstrittenen kubanischen Autorin Zoé Valdés zum Anlass, ihre literarischen Qualitäten jenseits der ideologischen Konfliktlinien zu überprüfen. Dabei entdeckt er ein bizarres, aber nicht uninteressantes "skurriles Hybridwesen, dessen Existenz man eigentlich gar nicht für möglich hielte: ein hochintellektueller Dreigroschenroman mit dem Anspruch anticastristischer Erbauungsliteratur". Die Inhaltszusammenfassung, die der Rezensent liefert, wirkt jedenfalls schon reichlich bizarr, die Form der Erzählung tut ihr übriges. "Bedeutende Literatur" ist das nach Meinung des Rezensenten zwar nicht, doch auch wenn hier "nichts so recht zueinanderzupassen scheint, verursacht jeder Schluck aus seinen Tassen ein schwer zu leugnendes Lesevergnügen". Dazu beigetragen hat sicher auch die Leistung des Übersetzers Klaus Laabs, von der Borchmeyer sehr angetan ist.

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