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Bruno Binggeli nimmt den Leser mit auf eine faszinierende Reise zum Ursprung der Dinge, zum Big Bang oder Urknall. Gleichzeitig zieht er eine Schlaufe zu den Himmelssphären-Forschern des Mittelalters, unter ihnen der große Dante, und macht so die moderne Astronomie mit den mittelalterlichen Jenseitstheorien bekannt. Gnade und Quantenphysik - Binggeli zeigt, sein immenses Wissen in einem flüssigen und mitreißenden Ton vortragend, daß das Mittelalter und die Moderne sich viel näher sind, als man glaubt. Das Primum mobile, der Anfang der Welt als Schöpfungsakt, entspricht in gewisser Weise dem…mehr

Produktbeschreibung
Bruno Binggeli nimmt den Leser mit auf eine faszinierende Reise zum Ursprung der Dinge, zum Big Bang oder Urknall. Gleichzeitig zieht er eine Schlaufe zu den Himmelssphären-Forschern des Mittelalters, unter ihnen der große Dante, und macht so die moderne Astronomie mit den mittelalterlichen Jenseitstheorien bekannt. Gnade und Quantenphysik - Binggeli zeigt, sein immenses Wissen in einem flüssigen und mitreißenden Ton vortragend, daß das Mittelalter und die Moderne sich viel näher sind, als man glaubt. Das Primum mobile, der Anfang der Welt als Schöpfungsakt, entspricht in gewisser Weise dem Big Bang der modernen Astronomie, ebenfalls eine Grenze, über die hinweg nicht geforscht werden kann. Wissenschaftlich exakt und zugleich anschaulich geschrieben, verblüfft dieses einzigartige Werk den Leser mit einem neuen Blick auf den Ursprung des Kosmos und den unaufhörlichen Forschungsdrang des Menschen.
Autorenporträt
Bruno Binggeli, geboren 1953 in Frick/Aargau, ist Physiker und Galaxienforscher an der Universität Basel, außerdem leidenschaftlicher Dante-Leser. Er arbeitete als Astronom in Kalifornien, Chile und Florenz, wo er gleichzeitig seine Italienischkenntnisse aufbesserte, um Dante im Original lesen zu können. Als Wissenschaftler schreibt er u.a. über Zwerggalaxien und überrascht immer wieder mit unkonventionellen Ansätzen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2006

Big Bang - oder die Rückkehr des Himmels
Bruno Binggelis brillante Versöhnung von Dantes Jenseitsvorstellung und moderner Kosmologie / Von Joseph Hanimann

Der Autor hat ein erstaunliches didaktisches Gespür für die Darstellung komplizierter Zusammenhänge und eine unverhohlene, sehr persönliche Bewunderung für Dantes Meisterwerk.

Beide, Dante und die moderne Astrophysik, legen letzte Schalen um den Kosmos. Dante nannte diese Schale Primum Mobile. Heute liegt dieser äußerste Horizont fünfzehn Milliarden Lichtjahre entfernt - es ist die Wahrnehmungsgrenze des Big Bang.

Mit den Engeln haben wir am meisten Mühe. Himmel, Jenseits, ewiges Licht und Totalfinsternis passen schon ganz ordentlich in jenes Entsprechungsgefüge, das die neu erstandene Freude am analogischen Denken zwischen Wissen und Glauben in den letzten Jahren bereitgestellt hat.

Daß aber selbst die Engel, wie sie flügelschlagend auf mittelalterlichen Fresken den Raum zwischen Himmel und Erde bevölkern, als Photonen ohne Ruhemasse im Reich der Quantenunschärfe wissenschaftlich zu retten seien, ist eine gewagte These.

Sie zeigt indessen, wie wenig wir es bei diesem Buch mit einem jener esoterisch angehauchten Unternehmen zu tun haben, die versöhnungsselig aus Mythen und Astrophysik herauszupft, was ungefähr irgendwie gerade zusammenpaßt. Leitfaden ist hier Dantes "Göttliche Komödie", Materialgrundlage ist das Fachwissen eines allnächtlich mit Swope-Teleskop und "Blinkkomparator" hantierenden Astrophysikers. Als Zielgedanke ist ein Verfahren des Analogieschlusses erkennbar, das Dantes spätmittelalterliche und unsere moderne Kosmologie einander annähert, bis zum Verschwinden des metaphorisierenden Vergleichspartikels "wie".

Das macht dieses Buch zu einem der erstaunlichsten und wohl auch faszinierendsten unter den Neuerscheinungen in diesem Herbst.

Der dreiundfünfzigjährige Autor arbeitet an der Basler Universität. Sein Buch ist sichtlich über die Jahre gereift, im Ton eher leise, mit einer an unaufgeregter Sachlichkeit orientierten, manchmal ironisch gefärbten Grundeinstellung, einem erstaunlichen didaktischen Gespür für die Darstellung komplizierter Zusammenhänge und einer unverhohlenen, sehr persönlichen Bewunderung für Dantes Meisterwerk.

Seit Fritjof Capras Buch "Das Tao der Physik" vor dreißig Jahren, schreibt Binggeli, sei der Brückenschlag zwischen Forschungswissen und Traditionsweisheit uns als Gedanke vertraut und real doch nie weit gekommen. Eine der Ursachen liege im hohen Abstraktionsniveau der Elementarteilchenphysik, auf die Capra sich bezog und die sich für Analogieschlüsse schlecht anschaulich machen läßt. Im Unterschied zum Mikrokosmos sei der Makrokosmos für uns leichter vorstellbar und in der volkstümlichen Planeten-Astrologie in allen Köpfen präsent.

Statt auf fernöstliche Texte zurückgreifen zu müssen, hätten wir in Dantes "Göttlicher Komödie" ein kosmologisches System, das an Genauigkeit und Symbolkraft seinesgleichen sucht. Die Kristallsphäre des "Primum Mobile", die Dante als äußerste Schale des Paradieses vom Himmelssystem des Ptolemäus übernahm, ist laut Binggeli eine in allen Einzelheiten ausgearbeitete Vorform dessen, was wir heute unter dem etwas salopp ausgefallenen Begriff des "Big Bang" verstehen.

Man könnte versucht sein, diese in ihren Voraussetzungen und Konsequenzen über fünfhundert Seiten ausgebreitete These aus jener postmodernen Perspektive parallel nebeneinander einherlaufender "Erzählungen" zu lesen, wie der Philosoph Jean-François Lyotard sie als Spielpartien mit unterschiedlichen Regeln analysiert hat. Dann könnte man aber das Buch ebenso gut gleich wieder weglegen - oder vielleicht allenfalls das Kapitel fünf herausgreifen, um, als Nicht-Physiker, endlich einmal Relativitätstheorie, Quantenmechanik, Antiteilchen und Big Bang plausibel erklärt zu bekommen.

Mit wahrem Gewinn liest dieses Buch, wer dem Autor auf dem Weg seiner Analogien folgt, die das wissenschaftlich, poetisch, religiös Geschaute auf ein Gesamtbild von Welt bündeln. Ein Weltbild, das über szientistische Einseitigkeit hinausgeht und der frommen Rechthaberei fern bleibt, dieser oder jener Gründungsmythos hätte es immer schon gewußt. Die Analogie zwischen Big Bang und biblischer Genesis beispielsweise sei vielleicht verlockend, schreibt Binggeli, doch im Grunde enttäuschend, denn was besagt sie? Der Zusammenhang von Urknall und Schöpfungsakt liege begrifflich so weit auseinander, daß er "uns seelisch kaum berührt".

Dem Autor kommt es darauf an zu zeigen, wie hinter der ans Licht gerückten erstaunlichen Nähe von Dantes Primum Mobile und Big Bang ein tiefgreifender Perspektivenwechsel der Erkenntnis wahrnehmbar wird. Wenn die kopernikanische Wende den Menschen der Neuzeit aus dem Weltmittelpunkt in den unendlichen Raum geworfen und die geozentrische Kosmologie Dantes vom Wissensstand her obsolet gemacht hat, dann kehren wir heute - so Binggelis Hauptthese - mit der in den sechziger Jahren gegen das Steady-State-Modell Fred Hoyles, Hermann Bondis und Thomas Golds sieghaft hervorgegangenen Big-Bang-Theorie ins Weltbild eines endlichen Universums zurück, das dem Weltaufbau Dantes eine unerwartete Aktualität verleiht.

Endliche Ausdehnung, schalenförmige Kugelgestalt mit der Erde im Zentrum, lückenlos hierarchischer innerer Aufbau waren die Hauptmerkmale des antik-mittelalterlichen Weltgebäudes, wie es bei Dante noch vorkam und durch das heliozentrische System des Kopernikus und Giordano Brunos "infinito universo" auseinanderbrach. Die Physik des zwanzigsten Jahrhunderts hat gelehrt, daß weder die Lichtgeschwindigkeit noch das Weltalter unendlich ist. Die Kombination dieser beiden Endlichkeiten führt laut Binggeli dazu, daß wir aus der hypothetischen Beobachterposition eines abstrakten Alls auf einen jeweils spezifischen Betrachterstandpunkt und somit in einen entsprechenden Welthorizont zurückversetzt werden.

In unseren Köpfen mag das in der Schule erlernte abstrakte System von Sonne, Planetenumlaufbahnen, Milchstraße und Galaxien bis ins Endlose bestimmend sein. Setzen wir uns selbst aber nicht mehr hypothetisch in den Nullpunkt des Big Bang, sondern blicken umgekehrt von dort, wo wir uns befinden, in den Raum, schreibt Binggeli, so entsteht für uns ein sphärischer Horizont mit einem Radius von fünfzehn Milliarden Lichtjahren: Weiter werden wir aus objektiven Gründen gar nie blicken können.

Im Bereich der letzten dreizehn Milliarden Lichtjahre dieses Horizonts nehmen wir, dank der Rotverschiebung, den Prozeß der Galaxienbildungen wahr. Dann kommt eine Phase von knapp zwei Milliarden Lichtjahren mit atomarem Gas. Die letzten zweihunderttausend Lichtjahre sind beherrscht von undurchsichtigem Plasma - und dahinter, jenseits des fünfzehn Milliarden Lichtjahre zurückliegenden Big Bang, kommt für uns nichts mehr: eine absolute Grenze, totales Schwarz. Das geozentrische Weltmodell Dantes setzte als neunte und letzte Kugelschale am Firmament hinter den Fixsternen in zwanzigtausend Erdradien Entfernung das Primum Mobile, das alle Himmelskörper der unteren Schalen in Bewegung hielt. Die moderne Astrophysik legt in fünfzehn Milliarden Lichtjahren als äußersten Horizont rund um die Erde die Wahrnehmungsgrenze des Big Bang.

Alte und neue Weltblase ähneln einander, so Binggeli, auf mehrfache Weise - und bei Dante könne man das im einzelnen nachlesen, zum Beispiel beim Gedanken der Zeitwurzel. Wie für uns alle Zeit erst im Big Bang beginnt, beschreibt der Reisende der "Göttlichen Komödie" in der Sphäre des Primum Mobile "come il tempo tegna in cotal testo le sue radici e ne li altri le fronde": wie die Zeit in dieser Sphäre wurzele und von dort in die anderen hinabwachse.

Als eine weitere Analogie nennt der Autor die der durchgehend hierarchischen Weltstruktur. Sowohl in ihrer aristotelischen Form des von oben, vom göttlichen Erstbeweger bis zu den irdischen Turbulenzen herabreichenden Zusammenhangs von Ursache und Wirkung, wie auch in der neuplatonischen Erscheinung der in der "Emanation" zerfallenden Einheit finde die alte Hierarchie der Weltblase in der modernen Physik ihre Entsprechung: als stetig abnehmende Temperatur des Universums, von dreitausend Kelvin in der Rekombinationszeit auf zirka drei Kelvin heute, sowie als konstante Transformation von Strahlung in Materie.

Die Art, wie bei Dante die Übergänge in die jeweils nächst höhere Sphäre als Strahlungs- oder Lichthierarchie - "nel ciel che più de la sua luce prende fu' io" -mit dem Motiv der Blendung beschrieben würden, stünde der Sichtweise der modernen Physik nicht fern. Dantes noch vor fünfzig Jahren überholt erscheinendes Weltbild aus "prima materia", Engeln und Himmelsgefüge wirkt heute nach Auffassung Binggelis immer plausibler: Im Unterschied zu den direkten Erben der kopernikanischen Wende hätten wir wieder die Freiheit der Standpunktwahl zwischen abstraktem Universalraum und dem Lichtjahreshorizont des Big Bang.

Mögen einem auch manche Analogien wie eben die zwischen Engeln und Photonen als "massenlosen Botenteilchen" kurios vorkommen, und mag man dem Autor, vorab im letzten Buchteil, nicht in alle Konsequenzen der Jenseitsöffnung auch eines individuellen und kollektiven, stark an C. G. Jung orientierten Unterbewußtseins folgen wollen, so überzeugt das Buch doch in seinen wesentlichen Teilen. Die Analogien wirken dort am stärksten, wo sie offengelegt, nicht wo sie zum Gesamtbild abgerundet werden.

Und Zu den schönsten Zügen des Buchs gehört die Daueranstrengung des Autors, die jeweiligen Standpunkte nicht von unserem Gegenwartswissen her zu betrachten. Dante war nicht einfach der Poet, der das Universum zwar eindrücklich und schön, aber halt leider mit den falschen Prämissen dargestellt hat. Die Art, wie Binggeli den mittelalterlichen Menschen Kopernikus beschreibt, der nur als Astronom die Widersprüche des ptolemäischen Systems beseitigen, um Himmels willen aber kein Weltbild umstoßen wollte, ist so faszinierend wie die subtile Darstellung Giordano Brunos, der das Jenseits an den Rand der Immanenz heranzurücken suchte und dabei, im Grund zu seinem eigenen Erschrecken, den transzendenten Raum ins Nichts fallen ließ.

Ein Haupteinwand gegen dieses Buch mag in der Frage liegen, ob Welterklärung heute überhaupt noch nach dem Modell des Schauens, mit dem Ergebnis eines Welt-Bildes, erfolgt und nicht vielmehr nach dem der nicht mehr anschaulichen abstrakten Hypothesenentwicklung und deren Verifizierung per Simulation.

Bruno Binggeli ist Galaxienforscher und hat seine Nächte mit dem Betrachten des Himmels verbracht. Das Sehen ist ihm der natürlichste Zugang zur Welt. Wie er dabei im Augenwinkel Dantes "Göttliche Komödie" mitliest als "vielleicht die gelungenste Synthese zwischen griechischer Kosmologie und christlichem Glauben" und zugleich, nach anderen Jenseitsfahrten von Orpheus, Elias oder Paulus, als erste "in voller Größe die schicksalhafte, leidvolle Verstrickung von Ich und Welt" offenbarende Reise, das allein macht das wunderbar bebilderte Buch schon mehr als lesenswert. Die dazu gebotenen Analogien zum reichhaltig und immer nachvollziehbar präsentierten Wissensstand der modernen Astrophysik sind reine, faszinierende Zugabe.

Bruno Binggeli: "Primum Mobile". Dantes Jenseitsreise und die moderne Kosmologie. Ammann Verlag, Zürich 2006. 528 S., geb., 29,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Anschaulich und mit persönlichem Tonfall beschreibe Bruno Binggeli den Stand der heutigen Astrophysik, lobt Rezensent Kurt Flasch, um dieses wissenschaftliche ?Weltbild' dann mit dem von Dantes "Göttlicher Komödie" zu vergleichen. Explizit als "Versöhnung" von Natur- und Geisteswissenschaft versteht der Autor sein kühnes Projekt, das er mit einer dritten Ingredienz bzw. Analogie sprachlich zu fassen versucht, der Psychologie von C. G. Jung. Während der Rezensent dem Autor große Kompetenz bescheinigt, wenn es um Astrophysik gehe, erkennt er "empfindliche Schwächen" bei der Dante-Exegese und legt dezent und weltmännisch sein Veto ein, wenn es um C. G. Jung geht. Auch mit dem selbst gesteckten Ziel Bruno Binggelis hadert der Rezensent, denn dieser "schwanke" zwischen möglichen Analogievergleichen und behaupteten Identifikationen. Kein Schwanken gibt es allerdings für Kurt Flasch in der Feststellung, dass hier ein rundherum "originelles" Buch vorgelegt wird.

© Perlentaucher Medien GmbH