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Leopold Weiss alias Muhammad Asad (1900-1992): österreichischer Journalist und Orientreisender, enger Vertrauter König Ibn Sauds, Gesandter Pakistans bei den Vereinten Nationen in New York, Koranübersetzer und -kommentator, visionärer muslimischer Denker und Autor. Geboren in Lemberg als Sohn einer jüdischen Familie, gehörte Weiss Ende der 1910er und Anfang der 1920er Jahre zur literarischen und künstlerischen Boheme in Wien und Berlin. Nachdem er ab 1923 als Nahost-Korrespondent der Frankfurter Zeitung die Länder zwischen Ägypten und Afghanistan bereiste, konvertierte er 1926 zum Islam und…mehr

Produktbeschreibung
Leopold Weiss alias Muhammad Asad (1900-1992): österreichischer Journalist und Orientreisender, enger Vertrauter König Ibn Sauds, Gesandter Pakistans bei den Vereinten Nationen in New York, Koranübersetzer und -kommentator, visionärer muslimischer Denker und Autor. Geboren in Lemberg als Sohn einer jüdischen Familie, gehörte Weiss Ende der 1910er und Anfang der 1920er Jahre zur literarischen und künstlerischen Boheme in Wien und Berlin. Nachdem er ab 1923 als Nahost-Korrespondent der Frankfurter Zeitung die Länder zwischen Ägypten und Afghanistan bereiste, konvertierte er 1926 zum Islam und nahm den Namen Muhammad Asad an. Durch sein schriftstellerisches und theoretisches Werk wurde Asad nicht nur zu einem der bemerkenswertesten islamischen Theoretiker des 20. Jahrhunderts, sondern auch zu einem bedeutenden Kulturvermittler und Wegbereiter für einen Dialog zwischen dem Islam und dem Westen. Das Buch - mit bisher unveröffentlichten Fotos und Dokumenten - bietet erstmals einen ausführlich recherchierten Einblick in Weiss"/Asads frühe Biographie und seine journalistische Arbeit bis zum Aufbruch zu seiner ersten Pilgerfahrt nach Mekka im Jahr 1927. "[Windhagers] Studie liest sich spannend wie ein Roman." Karl-Markus Gauß, Neue Zürcher Zeitung "Persönliche Zitate Asads, ... genaueste Quellenanalyse und Dokumentation sowie Einsprengsel atmosphärischer Einblicke in das Ambiente unterschiedlichster Lebensräume ... werden ansprechend und informativ zu einer spannenden Lektüre verwoben." Friedmann Eissler, Judaica "[Windhager] has written what promises to become the definite biography of the early Leopold Weiss." Murad Wilfried Hofmann, American Journalof Islamic Social Sciences
Autorenporträt
Dr. Günther Windhager, geb. 1964 in Steyr/Oberösterreich, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.01.2003

Spurenlese einer Verwandlung
Wie und warum aus Leopold Weiss in den zwanziger Jahren Muhammad Asad wurde

Günther Windhager: Leopold Weiss alias Muhammad Asad. Von Galizien nach Arabien 1900-1927. Böhlau Verlag, Wien 2002. 230 Seiten, 24,90 [Euro].

Authentizität ist Fiktion - und Hybridität ist Realität. Dies jedenfalls sucht die ethnosoziologisch und kulturanthropologisch angelegte Spurenlese über die Verwandlung des Leopold Weiss in Muhammad Asad nachzuweisen. Aus einem Juden mit galizischem Hintergrund und Czernowitzer Herkunft der späten k. u. k. Monarchie, einer im psychoanalytischen Wiener Milieu erfahrenen Jugend sowie einer sich daran anschließenden Berliner Pflastererfahrung der rasenden Moderne und einer zwischenzeitlichen Tätigkeit als Reisejournalist für das Feuilleton der Frankfurter Zeitung im Vorderen Orient der zwanziger Jahre ist einer der wohl bedeutendsten islamischen Schriftgelehrten des 20. Jahrhunderts hervorgegangen.

Ganz so unbekannt ist die Geschichte von "Poldi" Weiss nun auch wieder nicht. Seine Mitte der fünfziger Jahre erschienene Autobiographie "Der Weg nach Mekka" hatte bereits in der Vergangenheit Furore gemacht. Schließlich handelte es sich um einen jüdischen Konvertiten, der es zum engen Berater und Vertrauten des saudischen Staatsgründers Abdel Azziz ibn Saud brachte. Er benannte seinen Sohn Talal, den späteren bedeutenden Sozialanthropologen, nach dem jordanisch-haschemitischen Prinzen und Vater des späteren Königs Hussein und gehörte außerdem zu den ideellen Staatsgründern Pakistans. Dieses allein auf dem Islam begründete Gemeinwesen vertrat er als Gesandter in New York bei den Vereinten Nationen und war als herausragender Lehrer an der ehrwürdigen islamischen Al-Azhar-Universität in Kairo tätig. Daß es ihn zu seinem Lebensende nach Spanien, genauer: nach Andalusien verschlug, jener kulturgeographischen Gedächtnisikone der mediävalen christlich-jüdisch-muslimischen Symbiose, wo er 1992 verstarb, mag in Richtung einer Aufschlüsselung der Motive dieser Persönlichkeit mit der wohl exzentrischsten Konversionserfahrung des 20. Jahrhunderts weisen.

Die kulturanthropologisch angelegte Studie über die Lebensgeschichte des Leopold Weiss, die uns leider nur bis ins Jahr 1927 führt, spart die im Schatten der Legenden um Muhammad Asad noch harrenden späteren Phasen seiner Biographie aus. Die bis ins Mikrologische seiner familialen Vorgeschichte führenden Recherchen von Günther Windhager warten oftmals trotz aufwendiger Ermittlungen mit keinem großen Erkenntniswert auf. Windhager will vornehmlich Einblick in die Motive der Konversion nehmen.

Neben streckenweise langweiligen Ausführungen über die Geschichte des Vorderen Orients in osmanischer und nachosmanischer Zeit und anderen für das eigentliche Thema wenig einsichtigen Exkursen führt der Autor dann aber in eine überaus interessant begründete Konversionskonstellation. Windhager versetzt Weiss in den atmosphärischen Kontext von fin de siècle und Erstem Weltkrieg und stellt auf diese Weise dessen individuellen Übertritt zum Islam in einen größeren Zusammenhang von allgemeinem Zeitdegout bürgerlicher Entfremdungserscheinungen und eines um sich greifenden Werteverfalls. Der Schock des Übergangs von den vormodern geprägten imperialen Lebenswelten Lembergs, Czernowitz' und Wiens in die tosende Welt der Berliner Nachkriegsmoderne verbindet sich mit den Erfahrungen einer ersten Begegnung mit dem islamischen Orient - als er auf Einladung seines inzwischen von Wien nach Jerusalem ausgezogenen, dort psychiatrisch und psychoanalytisch tätigen Onkels nach Palästina gelangt, um des Konflikts zwischen Juden und Arabern ansichtig zu werden, wobei er gleichsam intuitiv für die Araber Partei ergreift.

Die Konversion von Weiss freilich erfolgt in Berlin, und dies im Kreise von Essad Bey, dem seinerseits zum Islam konvertierten kaukasischen Juden Lev Abramovic Nussenbaum. Letzterer publizierte gemeinsam in den Dreißigern mit dem aus Wien stammenden Wolfgang von Weisl über islamische, arabische und osmanische Themen - ein übrigens nach Palästina übersiedelnder Anhänger und in der Nachfolge Arthur Koestlers stehender Sekretär des ultranationalistischen zionistischen Führers Wladimir Zeev Jabotinski.

Windhager rückt das Motiv der Konversion von Weiss in den Kontext moderner jüdischer Selbstentfremdung und reaktiver Neuerfindung im Orient. Weiss war aufgrund seiner traditionellen jüdischen Erziehung mit dem Hebräischen und Aramäischen sowie den Texten des Judentums bestens vertraut, und er vermochte aufgrund seiner universellen und antinationalistischen Weltsicht im Zionismus keine Perspektive zu erkennen. Für ihn bot sich in der Krise der Selbstfindung der Islam als die monotheistischste aller monotheistischen Religionen gleichsam wie von selbst an. Windhager vergleicht Muhammad Asads Suche nach "Orient"ierung mit der des nach Jerusalem übergesiedelten Prager Schriftstellers und Journalisten Eugen Hoeflich, der hierfür seinen Namen hebräisierend in Moshe Ya'akov Ben-Gavriel "konvertierte", um einen die Völker des Orients verbindenden "Panasiatismus" das Wort zu reden. Er führt auch Else Lasker-Schüler an, in deren Werk ambivalente Charaktere in hybrider Weise vorzugsweise zwischen jüdischer und arabischer, männlicher und weiblicher Zugehörigkeit oszillieren.

In ethnosoziologischer Absicht deutet Windhager die Konversion des jüdischen Leopold Weiss also als Ausdruck der in der Suche nach sich selbst erfolgten virtuellen Anknüpfung an die Genealogie der Araber als ein Vergessenmachen oder "Überspringen" (structural amnesia) der eigenen Ahnen in der Erfindung seiner selbst. Damit kann im übrigen auch deutlich werden, daß unter "Orientalismus" mehr und anderes verstanden werden kann, als das von Edward Said beschriebene Phänomen zu insinuieren beabsichtigt.

DAN DINER

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Zwiespältig ist Dan Diner Urteil über Günther Windhagers "ethnosoziologische und kulturanthropologische" Chronik der Verwandlung des Lemberger Juden und Journalisten Leopold Weiss in den "bedeutendsten islamischen Schriftgelehrten im vorderen Orient des zwanzigsten Jahrhunderts" Muhammad Asad. Windhagers Untersuchung endet mit dem Jahr 1927, ein Jahr nach Weiss' Konversion. Diner bedauert das, denn so blieben die Legenden um Asad, der unter anderem Berater Ibn Sauds war, ausgespart. Windhager interessiere sich vor allem für die "Motive der Konversion" des Leopold Weiss. Und die findet Diner trotz streckenweise "langweiliger" Ausführungen über die Geschichte des Orient, "überaus interessant" begründet. Windhager sehe den Grund für den Übertritt zum Islam in dem "um sich greifenden Werteverfall" und der "fin de siecle"-Stimmung nach dem Ersten Weltkriegs in Europa. Zugleich glaubte der antinationalistisch gesonnene Weiss nicht an den Zionismus. In dieser "Krise der Selbstfindung" bot sich ihm der Islam "wie von selbst an", schreibt Diner, den Windhagers Theorie offenbar überzeugt hat.

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