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Das Au-pair-Modell wurde etwa hundert Jahre lang von Maturantinnen aus Westeuropa und den USA genutzt, für einige Monate in einem anderssprachigen bürgerlichen Haushalt zu leben und dabei im Austausch für Mithilfe im Haushalt und bei der Betreuung der Kinder ihre Sprachkenntnisse zu verbessern und die Kultur des Gastlandes kennen zu lernen. Seit den 1990er-Jahren sind diese Mädchen zunehmend in die neu geschaffenen formelleren Bildungsprogramme der Europäischen Union ausgewichen. Den gleichzeitig wachsenden Bedarf an privaten Kinderbetreuerinnen und häuslichen Dienstleistungen haben rasch…mehr

Produktbeschreibung
Das Au-pair-Modell wurde etwa hundert Jahre lang von Maturantinnen aus Westeuropa und den USA genutzt, für einige Monate in einem anderssprachigen bürgerlichen Haushalt zu leben und dabei im Austausch für Mithilfe im Haushalt und bei der Betreuung der Kinder ihre Sprachkenntnisse zu verbessern und die Kultur des Gastlandes kennen zu lernen. Seit den 1990er-Jahren sind diese Mädchen zunehmend in die neu geschaffenen formelleren Bildungsprogramme der Europäischen Union ausgewichen. Den gleichzeitig wachsenden Bedarf an privaten Kinderbetreuerinnen und häuslichen Dienstleistungen haben rasch junge Frauen aus den ehemaligen kommunistischen Ländern gedeckt. Mit diesem Wechsel hat sich der Charakter des Systems radikal gewandelt: vom Bildungsprogramm zum Arbeitsplatz, von der Kulturträgerin zum Dienstmädchen.
Autorenporträt
Maria Orthofer, geb. 1951, Studium der Germanistik und Geschichte, seit 1984 Fachreferentin im jeweils für Familienpolitik zuständigen Bundesministerium, Expertin für Kinderrechte (www.kinderrechte.gv.at).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.03.2009

Spielzeug wegräumen, und was sonst noch so ansteht
Mädchen für alles Mögliche im Haushalt und bei der Kinderbetreuung: Maria Orthofer über Au-pairs

Das französische "au pair" bedeutet "auf Gegenleistung, ohne Bezahlung". Früher hat man noch von Au-Pair-Mädchen geredet, heute wendet man die entsprechende Dienstleistung sprachlich ins Geschlechtsneutrale. Männliche Au-pairs gibt es auch, aber nur wenige. Da ist weder das Angebot noch die Nachfrage groß.

Maria Orthofer ist Österreicherin. Sie schreibt hauptsächlich über österreichische Verhältnisse. Eigentlich schreibt sie sogar hauptsächlich über Wien. Das liegt aber auch daran, dass dort einerseits viele Familien leben, bei denen ein Au-pair in die Lebensplanung passt, und dass es andererseits die Au-Pairs in die Großstadt zieht. Man kann erwarten, dass sich die Erkenntnisse auch auf Berlin und München übertragen lassen.

Ein Au-pair-Aufenthalt hat zwei Aspekte. Zum einen wollen die jungen Frauen eine fremde Kultur und gegebenenfalls eine fremde Sprache genauer kennenlernen. Zum anderen verdienen sie sich Kost, Unterkunft und Taschengeld mit Arbeit im Haushalt. Sie sind also gewissermaßen gleichzeitig Austauschstudentin und Dienstmädchen.

Maria Orthofer unterscheidet die "traditionellen" Au-pairs von den "neuen" Au-pairs. Der Übergang erfolgte fließend ab 1990. Traditionelle Au-pairs kommen aus ähnlichen sozialen Schichten wie die Gastfamilien. Sie besuchen Sprachkurse und bilden sich auch sonst weiter. Neue Au-pairs sind de facto billige Arbeitskräfte, obwohl man das nicht immer offen eingestehen will oder kann. Nach ihrem legalen Jahr bleiben manche von ihnen dann auch noch weiter illegal im Land.

Der betrachtete Zeitraum reicht von 1978 bis 2000. Der Auslandssozialdienst des Katholischen Jugendwerks Österreichs hat in diesen Jahren Au-pairs nach Österreich vermittelt. Aus dieser Tätigkeit waren umfangreiche Unterlagen zu erhalten, auf die Orthofer zugreifen konnte. Dazu kam noch eine kleinere Zahl von Interviews mit ehemaligen Gastmüttern und anderen Personen. Außerdem hat die 1951 geborene Autorin selbst neun Jahre lang Au-pairs in ihrem eigenen Haushalt beschäftigt. In den Selbstdarstellungen der diversen Beteiligten ist sicher einiges an zweckgerichteter Heuchelei enthalten. Da hilft es, wenn man die Wirklichkeit persönlich kennt.

Wir bekommen ein halbwegs konsistentes Bild des untersuchten Wiener Mikrokosmos. Die Gastfamilien sind gut situiert. Sie verfügen über eine große Wohnung oder ein Haus mit einem Zimmer für das Au-pair. Ein festangestelltes Dienst- oder Kindermädchen können oder wollen sie sich aber nicht leisten. Die Väter haben lange Arbeitszeiten, die Mütter arbeiten weniger, möchten aber beruflich nicht den Anschluss verlieren. Die Familien sind gesundheitsbewusst, kultiviert und aktiv.

Im Grunde geht es gar nicht so sehr um Au-pairs. Es geht um die moderne Familie mit zwei bis drei Kindern und um die unterschiedlichen Rollen von Männern und Frauen. Die Frauen wollen sich beruflich engagieren. Ihre Kinder sollen trotzdem zu Hause aufwachsen und nicht zu viel Zeit in unpersönlichen Anstalten wie Kindergärten verbringen. Letzteres ist wohl ein gerade für den deutschsprachigen Raum typisches Bedürfnis.

Die Au-pairs dabei spielen hauptsächlich die Rolle des klassischen Dienstmädchens. Typisch weibliche Arbeiten werden von der Mutter an sie abgegeben. Im Zweifelsfall beschäftigt sich aber die Mutter, wenn sie denn anwesend ist, lieber mit den Kindern und lässt das Au-pair die Hausarbeit erledigen, was diesem auch meistens ganz recht ist. Hausarbeit macht weniger Stress als die Betreuung fremder Kinder. Die Väter tun das, was sie schon immer getan haben: Sie gehen in ihre Behörde, Kanzlei oder Praxis. Zumindest in den hier beschriebenen Kreisen scheint das alles aber auch recht gut zu funktionieren. Man hat nicht den Eindruck, dass die Beteiligten mit diesem Modell unglücklich sind, auch nicht die Au-pairs.

ERNST HORST

Maria Orthofer: "Au-pair: Von der Kulturträgerin zum Dienstmädchen". Die moderne Kleinfamilie als Bildungsbörse und Arbeitsplatz. Böhlau Verlag, Wien 2009. 355 S., Tabellen, br., 35,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nach der Lektüre kann sich Ernst Horst ein Au-pair als glückliches Dienstmädchen vorstellen. Wenigstens die, die in einer der gut situierten Wiener Familien unterkommen, über die Maria Orthofer hier anhand von Interviews und Archivmaterial des Katholischen Jugendwerks Österreichs berichtet. Was der von der Autorin in den Blick genommene Zeitraum von 1978 bis 2000 an Erkenntnissen noch hergibt, meint Horst, lässt sich durchaus auf andere deutschsprachige Großstädte übertragen. Für Horst ergibt sich ein "konsistentes Bild", in dessen Zentrum allerdings eher die mittelgroße moderne Familie und ihre Geschlechterrollen steht als das Au-pair.

© Perlentaucher Medien GmbH