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Produktdetails
  • Verlag: Kohlhammer
  • ISBN-13: 9783170167490
  • ISBN-10: 3170167499
  • Artikelnr.: 24414264
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2002

Gute Nachricht, schlechte Nachricht
Vor die Gleichberechtigung setzt Doris Bischof-Köhler die Unterschiede der Geschlechter / Von Ernst Peter Fischer

Zu den wunderbaren Rätseln der Natur gehört die Frage, warum es zwei Geschlechter gibt. Die Betonung kann dabei zwar auf dem Zahlwort liegen, aber zunächst gilt es herauszufinden, wie die geschlechtliche Vermehrung im Verlauf der Evolution überhaupt entstehen und sich gegen die leichter und rascher mögliche ungeschlechtliche Teilung durchsetzen konnte, mit der das Leben sicher begonnen hat. Doch so rätselhaft Sex von Anfang an ist, noch rätselhafter sind die beiden Geschlechter, die dabei entstanden sind und sich in ihren Erscheinungsformen deutlich unterscheiden. Weiblein und Männlein sind genau dann besonders auffällig in ihrer ausgewachsenen Gestalt verschieden, wenn schon die Geschlechtszellen selbst völlig anders gebaut sind und zudem in deutlich differierenden Mengen zur Verfügung stehen. Es gibt also ganz sicher eine Biologie der Geschlechtsunterschiede, die sich auf der Ebene der Chromosomen und Zellen festmachen läßt, aber heißt dies auch, daß die Geschlechter - verstanden als handelnde Frauen und Männer - "von Natur aus anders" sind, wie der Titel des Buches behauptet, das die Entwicklungspsychologin Doris Bischof-Köhler nach Jahrzehnten des Forschens und Nachdenkens jetzt vorlegt?

Das Thema der Geschlechtsunterschiede ist vielleicht zu früh den psychologischen Laboratorien entkommen und in der politischen Arena diskutiert worden. In der öffentlichen Debatte über die Benachteiligung von Frauen und die Höherbewertung von Männern wird nur wenig Rücksicht auf wissenschaftliche Erkenntnisse genommen, weshalb zu begrüßen ist, daß der jetzt vorliegende Text, der nicht nur umfang-, sondern vor allen Dingen auch materialreich ist, nahezu alles sorgfältig zusammenstellt, was zu dem Thema in Universitäten und Akademien erkundet und diskutiert wird. Die Autorin betrachtet dabei zunächst die Analysen der Geschlechtsdifferenzen, die von der sozialen Seite her kommen und schwungvoll behaupten, von Natur aus gäbe es gar keine Unterschiede, die würden vielmehr durch die Gesellschaft gemacht und anerzogen. Und sie wendet sich dann mehreren biologischen Begründungen und den empirischen Befunden zu, die dafür sprechen, daß die Geschlechtsunterschiede im Verlauf der Evolution entstanden sind und damit einen Teil unserer Natur ausmachen.

Für die Vertreter aus beiden Lagern gibt es gute und schlechte Nachrichten in dem Buch, das als eine Art Serviceleistung für eilige Leser im Schlußkapitel die ganze Palette der Argumente in einer "take-home lesson" zusammenfaßt. Die gute Nachricht für die soziokulturelle Fraktion besteht darin, daß Bischof-Köhler sämtliche antibiologischen Argumente sorgfältig vorstellt und einfühlsam abwägt. Die schlechte Nachricht besteht darin, daß nicht nur keines von ihnen Bestand hat, sondern manche sofort peinlich platt aussehen, sobald sie einmal genauer abgeklopft werden. In diesen Passagen des Buches gelingt es der Autorin auch, ihren sonst eher ruhigen und sehr sachlichen Stil mit Ironie zu würzen, die einem derart umstrittenen Thema nur guttun kann.

Die gute Nachricht für die biologisch argumentierende Fraktion besteht darin, daß Bischof-Köhler auf ihrer Seite steht und vor allem deshalb überzeugend wirkt, weil sie mit der nötigen Differenzierung argumentiert. Die schlechte Nachricht lautet, daß nicht klar ist, was es nun genau heißt, daß die Geschlechter von ihrem genetischen Grund an verschieden sind, und daß ebenso unklar bleibt, was in der heutigen Zeit zu tun ist, um Männern und Frauen das zu geben, was letztlich alle wollen, nämlich Chancengleichheit.

Der entscheidende Hinweis von Bischof-Köhler zu diesem Thema besteht darin, daß eine Situation, in der Frau und Mann miteinander in Konkurrenz oder gegeneinander antreten, stammesgeschichtlich völlig neu ist: "Sowohl von den phylogenetischen Voraussetzungen her als auch historisch gesehen ist es ein Novum, daß die Geschlechter miteinander beruflich konkurrieren, da ihre Arbeitsbereiche bisher fast immer getrennt waren und sogar auch gegenwärtig in Betrieben vielfach noch sind."

Wenn Frauen und Männer nun - etwa bei der Bewerbung um eine Führungsposition - gegeneinander antreten, hat das sogenannte "schwache Geschlecht" nicht schon deshalb gleiche Chancen, weil dessen Mitglieder von der gleichen Startposition ins Rennen gehen dürfen. Das haben sie beim 100-Meter-Lauf auch nicht, wobei biologische Unterschiede sich nicht nur in der Leichtathletik, sondern auch in der Firma auswirken. Hier sind sie zwar nicht auf den ersten Blick zu erkennen, aber auf den zweiten schon, zu dem Bischof-Köhler verhilft, wenn sie Qualitäten wie Imponiergehabe, ungebrochene Selbsteinschätzung und Frustrationstoleranz aufzählt und unter dem Blickwinkel der Evolution den Männern zuschlägt, die sich damit deutlich Vorteile in Wettbewerbssituationen der genannten Art verschaffen.

Doris Bischof-Köhler unterscheidet in ihrer Argumentation konsequent eine "ultimate Fragestellung" von einer "proximaten Ursachenanalyse". Im ultimaten Fall geht es um die Dimension der Evolution, also darum, wie sich ein Merkmal oder eine Verhaltensweise im Verlauf unserer Abstammung durchsetzen konnte. Im proximaten Fall geht es um den Mechanismus, mit dem ein Organismus überhaupt eine Leistung vollbringen kann. Auf das Thema der Geschlechtsunterschiede angewandt, lauten die Fragen nach den ultimaten Ursachen, welchen Anpassungswert zwei Geschlechter haben und warum sie sich in ihrem Verhalten unterscheiden müssen. Und proximat werden die psychischen und physiologischen Mechanismen erkundet, mit denen sich die Unterschiede manifestieren.

Ein nicht zu übersehender Unterschied besteht darin, daß Mütter mehr investieren als Väter, um Nachwuchs zu bekommen. Damit wird die Paarungsbereitschaft rasch asymmetrisch, was in aller Kürze so ausgedrückt werden kann, daß Männer nach Quantität suchen können und Frauen auf Qualität achten müssen. Darüber hinaus läßt sich, wie es in diesem Buch überzeugend geschieht, unter anderem zeigen, daß "Fürsorglichkeit und das Interesse an persönlichen Beziehungen im weiblichen Geschlecht dispositionell stärker verankert sind als im männlichen".

Doch die Evolution hat nicht nur erfreuliche Ergebnisse gebracht. Es gibt mindestens ein "zur Besorgnis Anlaß gebendes Ergebnis . . . unseres phylogenetischen Erbes", nämlich "das Wertgefälle zuungunsten der Frau", das eine "gesellschaftliche Höherbewertung des Männlichen" nach sich zieht, wie Bischof-Köhler resümiert. Hier steckt der eigentliche Kern der Diskriminierung von Frauen, die offenbar nur dann überwunden werden kann, wenn ultimat und proximat besser verstanden wird, was uns von Natur aus anders macht. Wenn beiden Geschlechtern auf gleiche Weise eine als sinnvoll empfundene Lebensgestaltung ermöglicht werden soll, können und dürfen die natürlichen Ungleichheiten nicht ignoriert werden.

Doris Bischof-Köhler: "Von Natur aus anders". Die Psychologie der Geschlechtsunterschiede. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2002. 432 S., br., 27,- .

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.02.2002

Der kleine Unterschied
Reizend
Männer sind aggressiv, risikobereit und kraftvoll; Frauen sind sanft, verständnisvoll und scheu: So haben wir’s schon immer geahnt. Bleibt die bange Frage: Wie wird ein Mann ein Mann und eine Frau eine Frau? Jedenfalls nicht nur durch Erziehung und soziales Umfeld, gibt uns die Diplompsychologin Doris Bischof-Köhler zur Antwort, geschlechtsspezifische Verhaltensunterschiede sind vielmehr im Erbgut angelegt. Der kleine biologische Unterschied ist also nicht nur einer im äußerlichen Erscheinungsbild, sondern er bestimmt auch unser Verhalten. Während Bischof- Köhler für diese Einsicht, wie sie selbst sagt, Mitte der achtziger Jahre noch heftige Kritik erntete – „Biologie” war damals ein Reizwort –, hat sie heute das Gefühl, offene Türen einzurennen. Und rennt doch unverdrossen weiter.
In „Von Natur aus anders” (Verlag Kohlhammer, Stuttgart 2002, 430 Seiten, 27 Euro ) untersucht sie Geschlechtsunterschiede aus entwicklungspsychologischer, kulturwissenschaftlicher und evolutionsbiologischer Sicht. Ihr Ziel ist es, jene Faktoren zu identifizieren, „die einer Diskriminierung von Frauen Vorschub leisten”. Darum trägt sie „alles zusammen, was man wissen sollte, wenn man eine gerechte Lösung für das Zusammenleben und die Selbstverwirklichung der Geschlechter sucht”.
Besonders ausführlich trägt sie die Forschungsergebnisse unterschiedlichster Disziplinen zusammen und entwickelt so ihre These von den Geschlechtsunterschieden im Verhalten und Erleben, die uns bereits in die Gene gelegt sind. Dabei gewährt sie dem genetisch männlichen Mann und der genetisch weiblichen Frau jedoch einen kleinen Hoffnungsschimmer: Die biologische Anlage bedeutet „nicht, dass wir durch solche Dispositionen in unserem Verhalten determiniert wären”. Also sind wir keine Sklaven unserer Gene? Sollte es am Ende gar verständnisvolle Männer und aggressive Frauen geben?
kekl
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nichts Geringeres als die alte Streitfrage nach der "Biologie der Geschlechtsunterschiede" sucht die Biologin Bischof-Köhler hier zu klären - und nach Ansicht des Rezensenten Ernst Peter Fischer ist ihr das sogar gelungen. Die Autorin geht dabei, wie er findet, mit großer Sorgfalt vor, fasst erst einmal die Argumente der "soziokulturellen Fraktion" zusammen, um sie dann eines nach dem anderen zu widerlegen. Dabei wird sie, obwohl das Buch als ganzes in einem "eher ruhigen und auch sehr sachlichen Stil" verfasst ist, auch mal ironisch, was dem Rezensenten gefällt. Herausgefunden hat Bischof-Köhler, dass Eigenschaften wie "Imponiergehabe, ungebrochene Selbsteinschätzung und Frustrationstoleranz" dem männlichen Geschlecht allen Rufen nach Chancengleichheit zum Trotz einen Startvorteil im Kampf um beruflichen und sonstigen Erfolg verschaffen. Bei der "Paarung" (das steht da) suchen Männer Quantität, Frauen Qualität. Frauen sind fürsorglicher und stärker an Beziehungen interessiert. Phylogenetisch bedingt, leider, "das Wertgefälle zuungunsten der Frau": da hilft nur Aufklärung. Die leistet, findet jedenfalls der Rezensent, die Autorin mit diesem Buch.

© Perlentaucher Medien GmbH