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"Alles könnte anders sein, aber fast nichts läßt sich ändern" - die Paradoxie dieses Diktums von Niklas Luhmanns hat Gerd Roellecke Zeit seines Lebens inspiriert wie fasziniert. Ihn in seiner Logik zu verstehen und in seine politischen wie rechtlichen Konsequenzen zu entfalten, bildet das Layout seines Lebenswerks, zu dem auch seine zahlreichen "staatsrechtlichen Minaturen" zählen. Tagespolitische Ereignisse gaben Anlässe zu engagierten Beiträgen, die ob ihres pointierten Scharfsinns und ihrer stilistischen Brillanz über den konkreten Anlaß hinaus auch heute noch begeistern. Mit einer…mehr

Produktbeschreibung
"Alles könnte anders sein, aber fast nichts läßt sich ändern" - die Paradoxie dieses Diktums von Niklas Luhmanns hat Gerd Roellecke Zeit seines Lebens inspiriert wie fasziniert. Ihn in seiner Logik zu verstehen und in seine politischen wie rechtlichen Konsequenzen zu entfalten, bildet das Layout seines Lebenswerks, zu dem auch seine zahlreichen "staatsrechtlichen Minaturen" zählen. Tagespolitische Ereignisse gaben Anlässe zu engagierten Beiträgen, die ob ihres pointierten Scharfsinns und ihrer stilistischen Brillanz über den konkreten Anlaß hinaus auch heute noch begeistern. Mit einer repräsentativen Auswahl seiner staatsrechtlichen Miniaturen erwartet den Leser ein Kaleidoskop bundesrepublikanischer Befindlichkeiten über fünf Jahrzehnte hinweg.
Autorenporträt
Dr. jur. Gerd Roellecke, geboren 1927, Studium der Nationalökonomie und Rechtsphilosophie, war Redakteuer einer juristischen Fachzeitschrift ist em. o. Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universität Mannheim. Von 1972-1974 war er Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.2013

Qualitätstest bestanden
Gerd Roelleckes Beiträge

In Gerd Roellecke hatte die deutsche Staatsrechts-Wissenschaft - eine Disziplin, die aus Gründen der Lagerbildung manchmal Vorhersehbares produziert - jemanden, auf den sie nicht bauen konnte: politisch konservativ, intellektuell experimentierfreudig, voller Zweifel an der Fähigkeit des Verfassungsrechts, politische oder andere Probleme zu lösen, und voll des nicht nur milden Spotts für den deutschen Legalismus. Ein Weiteres zeichnete Roellecke, zuletzt emeritierter Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universität Mannheim und 2011 verstorben, aus. Er konnte klar, witzig und dicht schreiben, und so produzierte er für diese Zeitung eine Fülle von Glossen und Urteilsrezensionen, die im vorliegenden Band in der Herausgeberschaft von Otto Depenheuer gesammelt worden sind.

Der Qualitätstest für eine solche Publikation liegt auf der Hand. Lassen sich Artikel, deren erster aus dem Jahr 1963 ist, deren Mehrzahl aber zwischen 1999 und seinem Tod veröffentlicht wurden, heute noch mit Ertrag lesen, oder sind sie unfreiwillig, doch unvermeidlich zu historischen Dokumenten geworden, zu einer Quelle dessen, was noch vor kurzem interessierte, heute aber niemanden mehr umtreibt? Roelleckes Beiträge bestehen diesen Test erstaunlich gut. Gerade die etwas älteren Beiträge verweisen umgekehrt auf eine Ungleichzeitigkeit in unserer Wahrnehmung. Sie erinnern die Leser daran, wie sehr eine Öffentlichkeit, die je nach Sichtweise launisch wechselhaft oder offen und dynamisch wirkt, doch mit einer gewissen Zähigkeit an bestimmten Themen festhält: enttäuschte moralische Erwartungen an die Politik und an das Recht, Klagen über unsere bundesstaatliche Ordnung und die wiederkehrend fruchtlosen Versuche, sie zu reformieren, oder nur die Anrufung von "Kultur" zur Lösung gesellschaftlicher Probleme.

Das kleine Buch beginnt mit einem erstaunlichen Dokument, einer ätzenden Abrechnung in einem Leserbrief Roelleckes anlässlich eines in dieser Zeitung 1963 veröffentlichten Beitrags zur historischen Rolle Carl Schmitts. Leser Roellecke verbittet es sich, politische Verfehlungen in der Vergangenheit zum Anlass für Belehrungen für die Gegenwart zu nehmen. Schon hier zeigt sich ein roter Faden der Roelleckeschen Zeitkritik: eine ausgeprägte Allergie gegenüber Institutionen und Personen, die sich allzu sicher auf der moralisch richtigen Seite wähnen. Aus dieser Perspektive befindet sich Schmitt auf einmal in einer recht bunten Gesellschaft, zu der die Proponenten einer internationalen Strafgerichtsbarkeit ebenso gehören wie die Demonstranten gegen Stuttgart 21, die Kritiker der Gentechnik und natürlich - für Roellecke institutionell geradezu zwingend - die Mitglieder des Ethikrates. Trotz seiner großen Freude an der Beobachtung von Phänomenen sind Roelleckes Essays auf angenehm überraschende Art meinungsfreudig, und rechtfertigen eine Vielzahl harter Urteile, die man im Ergebnis nicht teilen muss, um durch sie angeregt werden zu können: von der Richtigkeit, Bin Ladin zu töten, bis zur Notwendigkeit, medizinische Leistungen für Alte zu kürzen.

Aufschlussreich sind Roelleckes Beiträge, weil sie einerseits der konservativen Intuition folgen, sich von vermeintlich Neuem nicht beeindrucken zu lassen, um sich doch andererseits jeder Form von Kulturpessimismus oder Untergangsdiagnostik zu verweigern. Ihn interessieren - darin von der Luhmannschen Systemtheorie, dem einzigen Stück Theorie, an das er zu glauben schien, mitunter etwas zu stark geprägt - die Zwänge, Selbstwidersprüche und Inkonsequenzen, denen sich die Akteure einer demokratisch-rechtsstaatlichen Ordnung nicht entziehen können. Für ihn verbieten sich Krisenunterstellungen schon angesichts der Normalität eines alltäglichen Misslingens jeder institutioneller Praxis. So kann er sich und seine Leser konsequent von allem Alarmismus befreien.

Bei vielen der Beiträge handelt es sich um Besprechungen von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, eine Form, die er für die Zeitung in Deutschland erfunden haben dürfte und in der er nicht nur über aktuelle, sondern auch über länger zurückliegende Entscheidungen berichtete. Das Interesse an diesen Texten mag für Liebhaber des Verfassungsrechts größer sein als für andere Leser, etwa wenn er daran erinnert, wie kritisch auch mittlerweile kanonisierte Entscheidungen wie "Lüth" gelesen werden können. Aber auch diese Beiträge sind für all diejenigen geeignet, die sie interessieren. In Roelleckes Art zu schreiben kommt bei aller Skepsis und ironischen Distanz, wie der Herausgeber im Vorwort bemerkt, ein Stück aufklärerischen Wahrheitsglaubens zum Vorschein. Interessant wird dieser freilich nur in der Verpackung eines manchmal mit Fatalismus angereicherten Stücks fröhlicher Wissenschaft.

CHRISTOPH MÖLLERS

Gerd Roellecke: Staatsrechtliche Miniaturen. Herausgegeben von Otto Depenheuer. Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 2013. 277 S., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein Stück aufklärerischen Wahrheitsglaubens hat Christoph Möllers mit Gerd Roelleckes FAZ-Texten zu annoncieren. Die zwischen 1963 und 2011 entstandenen zeitkritischen Beiträge zur historischen Rolle Carl Schmitts, zur Notwendigkeit medizinischer Altenversorgung oder (und vor allem) zu Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, werden laut Möllers von einem roten Faden zusammengehalten: Roelleckes Aversion gegen moralisierende Institutionen und Personen. Dass auf diese Weise ein recht buntes Spektrum entsteht, vom Ethikrat bis zu den Stuttgart21-Gegnern, ist für Möllers ein Gewinn. Ebenso der Umstand, dass der Autor sich von seinem konservativ gepolten Kompass um alles marktschreierisch Neue herumleiten lässt, ohne jedoch einem wohlfeilen Kulturpessimismus zu verfallen.

© Perlentaucher Medien GmbH