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Karl Barth (1886-1968) war einer der großen prägenden Theologen des 20. Jahrhunderts. Mit seinen theologischen Arbeiten, insbesondere mit seiner Kirchlichen Dogmatik, erreichte er weltweiten Einfluss. In der Reihe der Theologen Handbücher bietet das Karl Barth Handbuch übersichtliche und instruktive Zugänge zur Biografie, zur Werk- und Wirkungsgeschichte und zu den profilbildenden theologischen Entscheidungen und Themen im Denken dieses bedeutenden Theologen. Es wendet sich in gleicher Weise an allgemein Interessierte und an Fachleute. Die einzelnen Artikel können sowohl als Hinführung als…mehr

Produktbeschreibung
Karl Barth (1886-1968) war einer der großen prägenden Theologen des 20. Jahrhunderts. Mit seinen theologischen Arbeiten, insbesondere mit seiner Kirchlichen Dogmatik, erreichte er weltweiten Einfluss. In der Reihe der Theologen Handbücher bietet das Karl Barth Handbuch übersichtliche und instruktive Zugänge zur Biografie, zur Werk- und Wirkungsgeschichte und zu den profilbildenden theologischen Entscheidungen und Themen im Denken dieses bedeutenden Theologen. Es wendet sich in gleicher Weise an allgemein Interessierte und an Fachleute. Die einzelnen Artikel können sowohl als Hinführung als auch als Bündelung und Fokussierung gelesen werden. Das Barth Handbuch ist ein unentbehrliches Hilfsmittel für jeden, der sich mit dem Werk Karl Barths und seiner Interpretation beschäftigt.
Mit Beiträgen von:
Michael Beintker, Eberhard Busch, André Demut, Alexander Dölecke, Matthias Freudenberg, Hartmut Genest, Martin Greschat, Hans-Peter Großhans, Martin Hailer, Konrad Hammann, Thomas Herwig, Stefan Holtmann, Wilhelm Hüffmeier, Michael Hüttenhoff, J. Christine Janowski, Frank Jehle, Cornelis van der Kooi, Dietrich Korsch, Ulrich H. J. Körtner, Wolf Krötke, Christian Link, Friedrich Lohmann, Amy Marga, Ernstpeter Maurer, Bruce L. McCormack, Torsten Meireis, Arie Molendijk, Michael Moxter, Bent Flemming Nielsen, Georg Pfleiderer, Georg Plasger, Hans-Richard Reuter, Gerhard Sauter, Detlev Schneider, Rudolf Smend, Hinrich Stoevesandt, Christiane Tietz, Michael Trowitzsch, Michael Weinrich, Peter Zocher
Autorenporträt
Michael Beintker, Dr. theol., Dr. theol. h.c., geb. 1947, ist Professor für Systematische Theologie in Münster/Westfalen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.12.2016

Klassiker ist eine gefährliche Existenzform

Martin Walser nennt ihn den "Lehrer aller Lehrer": Der protestantische Theologe Karl Barth wird weltweit bewundert. Warum das so ist, kann ein neues Handbuch nicht wirklich erklären.

Als der protestantische Theologe Karl Barth am 1. März 1962 in der Aula der Basler Universität seine letzte akademische Vorlesung hielt, kam es zu einem kleinen Eklat. Prorektor Edgar Salin, ein stark von Nietzsche und Stefan George geprägter Nationalökonom, nutzte seine Dankesrede dazu, dem "scheidenden Kollegen" die "heftige Intoleranz des Reformators" zu attestieren, die jedes Gespräch unmöglich mache. Da Barth, der Autor eines in der Weimarer Republik schnell berühmten und vielgelesenen Römerbrief-Kommentars und einer monumentalen "Kirchlichen Dogmatik" als "a-historischer und a-politischer Theologe" seinen "Standpunkt jenseits der Zeit gewählt" und bewusst nicht "zwischen dem Liebeskommunismus der Heiligen und dem sehr materialistischen Kommunismus der Unheiligen" im Osten unterschieden habe, liefe seine "eifervolle Theologie" in ihrer "dogmatischen Härte" auf eine Abwertung der Demokratie hinaus. "Denn Diskussion ist nun einmal ein Merkmal der politischen Demokratie in ihrer höchsten Form."

Die anwesenden Schüler Barths reagierten mit Zischen und Scharren, und nur einzelne Zuhörer klatschten nach Salins von "Radio Bern" übertragener Rede. Barth selbst nahm Salins Kritik mit souveräner Gelassenheit auf und erklärte in der Publikation seiner Abschiedsvorlesung, dass "das kleine Drama oder Dramolet" des 1. März seinen "inneren Frieden in keiner Weise zu stören vermocht" habe.

Der Münsteraner Systematische Theologe Michael Beintker, ein bekannter Barth-Forscher, und die fast vierzig Autoren des "Barth Handbuchs" erwähnen Salins 1994 edierte Rede nicht. Sie präsentieren das wahrhaft riesengroße Werk des einflussreichsten Schweizer reformierten Theologen der Moderne, den die ihn hassenden Nationalsozialisten im Juni 1935 von seinem Bonner Lehrstuhl vertrieben, primär in affirmativen, bisweilen gar heroisierenden Perspektiven. Zwar werden knapp und klar verlässliche Informationen zur Werkgeschichte, zum Stand der Forschung und zu den Barths Dogmatik bestimmenden Themen und Denkfiguren geboten. Aber die faszinierende Klarheit in der Architektonik großer Gedankengebäude, die Barths Genie ausmachte, hat sich ihnen nur sehr eingeschränkt mitgeteilt. So lässt sich viel Redundanz beobachten. Obendrein wird selbst sehr Wichtiges nicht behandelt.

Beginnen wir mit den Stärken. Das Handbuch ist übersichtlich in vier Hauptteile gegliedert. Zur ersten "Orientierung" beschreibt Peter Zocher, der Leiter des Karl Barth-Archivs in Basel, kundig die diversen Editionen und die Hilfsmittel der Forschung, etwa die Bibliographien der zahllosen Publikationen von und zu Barth. Im zweiten Hauptteil zur "Person" werden einige biographische Stationen und bestimmende theologische Einflüsse skizziert. Hier geht es um "Elternhaus und Familie", die Wahrnehmung der Pfarrersrolle, die Auseinandersetzung mit dem Marburger Neukantianismus insbesondere Hermann Cohens sowie die engen Freundschaften mit Eduard Thurneysen und Charlotte von Kirschbaum.

Besonders gelungen ist Rudolf Smends nüchtern klarer Beitrag über den "akademischen Lehrer". Auch werden die "Beziehungen" Barths zu anderen Theologen der protestantischen Moderne, etwa zu Schleiermacher, den Schweizer religiösen Sozialisten, Paul Tillich und Dietrich Bonhoeffer nachgezeichnet. Georg Pfleiderers kurzer Beitrag über "Barth und die liberale Theologie", Konrad Hammanns Deutung der komplexen Beziehung zu Rudolf Bultmann und Arie L. Molendijks Analyse von Barths "rätselhafter Freundschaft" mit dem Münsteraner Wissenschaftstheoretiker und Mathematiker Hermann Scholz, den er in einem kirchenhistorischen Seminar Adolf von Harnacks kennengelernt hatte, überzeugen durch Prägnanz und Informationsdichte.

Die Beiträge über "Barth und die Juden" (Eberhard Busch), "Barth und das Luthertum" (Ernstpeter Maurer), "Barth und Friedrich Gogarten" (Wilhelm Hüffmeier) sowie "Barth und der Katholizismus" (Amy Marga) sind deutlich schwächer. Auch lässt sich hier schon die schlechte Organisation des Ganzen erkennen: Nur fünfundzwanzig Seiten nach Martin Greschats Beitrag "Barth und die Politik" geht es im Kapitel "Prägungen" unter der Überschrift "Politik" erneut um Barths "politische Existenz". Dass Hans-Richard Reuter zum dritten Hauptteil über das "Werk" noch einen Text zur "Ethik des Politischen" beisteuert und sich hier obendrein ein Abschnitt über "Evangelium und Gesetz" findet, zeigt nur die Defizite in der Architektonik des Handbuchs. Wie lässt sich zwischen dem Ethiker, der seine umstrittene politische Ethik als Konkretion dogmatischer Einsichten in die Selbstoffenbarung Gottes verstand, und dem streitbaren Homo politicus Barth überhaupt unterscheiden?

In den Beiträgen zum "Werk" werden chronologisch zentrale Schriften Barths resümiert, die "Gattungen" seiner Texte von den Predigten, exegetischen Studien und großen dogmatischen Werke bis hin zu den Gesprächen und Briefen jeweils knapp vorgestellt und zentrale Themen wie "Aufgabe der Theologie", "Gottes Souveränität und Menschlichkeit", "Gnadenwahl", "Schöpfung und Vorsehung", "Kirche" und "Sakramente" mehr oder minder stringent erläutert.

Der letzte und vierte Hauptteil zur "Wirkung und Rezeption" lässt leider viel deutschen Provinzialismus erkennen. In Dietrich Korschs Beitrag zu Barths Wirkungsgeschichte in den zwanziger Jahren erfährt man zwar, "dass das Rauschen der Rahmenbedingungen die Rezeption dessen übertönt hat, was tatsächlich zu hören gewesen wäre". Aber wer wann wo Publikationen Barths rezensierte und in Zustimmung oder Kritik kommentierte, wird nicht mitgeteilt. Die Zahl der Besprechungen zu einzelnen Veröffentlichungen wird erwähnt, ohne dass auch nur ein einziger Rezensent namentlich genannt wird. "Es dürfte sich lohnen, die Rezeptionswege und Ablehnungsformen einmal genauer nach den intellektuellen und religiösen Milieus zu kartographieren." Man fragt sich, warum dies für das "Handbuch" nicht geleistet wurde.

Die intensiven Barth-Debatten in der englischsprachigen Welt, vor allem in den Vereinigten Staaten werden weithin ignoriert. Namen wie die des deutschstämmigen Kirchenhistorikers Wilhelm Pauck, eines Schülers Ernst Troeltschs und Karl Holls, der 1925 mit einem Stipendium amerikanischer Kirchen in die Vereinigten Staaten gegangen war, 1926 einem Ruf nach Chicago folgte und 1931 eine gewichtige Monographie "Karl Barth: Prophet of a New Christianity?" publizierte, oder des bedeutenden, am Union Theological Seminary in New York lehrenden Systematikers Reinhold Niebuhr, der trotz seiner entschieden sozialistischen Grundhaltung im Kalten Krieg als scharfer Kritiker von Barths Appeasement-Rhetorik gegenüber den kommunistischen Machthabern auftrat und damit in der ökumenischen Bewegung einigen Einfluss gewann, sucht man vergeblich. Alfred North Whitehead heißt im Register "Whithead".

Nur peinlich ist der Umgang mit Martin Luther King. Im Register findet er sich als "Luther King, Martin". Dass Michael King, der zweite Prediger der baptistischen Ebenezer-Gemeinde Atlanta, seinem 1929 geborenen Sohn den Vornamen Michael gab und nach einer Deutschlandreise 1934 den von ihm als Freiheitshelden gefeierten Wittenberger Reformator ehrte, indem er sich und seinem Sohn den neuen Vornamen "Martin Luther" gab, scheinen protestantische Theologen in Münster nicht zu wissen.

Unter den "großen" protestantischen Theologen des letzten Jahrhunderts haben nur Karl Barth und Rudolf Bultmann erfolgreich Schulen begründet. Auch mit Blick auf diesen "Barthianismus" - der Begriff wurde schon in den zwanziger Jahren geprägt - enttäuscht das Handbuch. Zwar werden im Kapitel über die Wirkungsgeschichte in der Nachkriegszeit politisch linke, die Westintegration der Bundesrepublik bekämpfende Barth-Schüler genannt. Aber wann und wo sie bei Barth studiert hatten, erfährt man nicht. Auch gibt es keinerlei Überblick über die von Barth angeregten und betreuten Dissertationen.

Auf welchen Wegen ein 1933 den "Deutschen Christen" verbundener Nationalsozialist wie der Göttinger Systematiker Otto Weber nach Kriegsende zu einem der einflussreichsten Vermittler Barthschen Denkens im bundesdeutschen Protestantismus werden konnte, bleibt im Dunkeln. Kritische Barthianer wie der in Frankfurt lehrende Karl-Gerhard Steck und sein Schüler Dieter Schellong oder der Wuppertaler Neutestamentler Georg Eichholz, ein herausragender Photograph, der im akademischen Nebenerwerb seine gelungenen Barth-Portraits vertrieb, kommen nicht vor. Auch fehlt jeglicher Hinweis auf Barth-Hörer wie etwa Helmut Thielicke, der ihm früh schon vorwarf, in der radikalen Konzentration auf "das eine Wort Gottes" ethisch blind geblieben und so für den Untergang der Weimarer Republik mitverantwortlich zu sein. Dies zeigt nur die entscheidende Schwäche des "Barth-Handbuchs": Der große Meister wird nur in vagen Umrissen kontextualisiert. Selbst wichtige Kritiker wie etwa der dänische Systematiker Regin Prenter finden keinerlei Erwähnung. In manchen Beiträgen wird der Stand der Debatte einfach ignoriert.

Die Autorinnen und Autoren des Handbuchs entstammen ganz unterschiedlichen Generationen; wer wie Hinrich Stoevesandt 1931 geboren wurde, liest Barth anders als eine 1972 geborene Amerikanerin wie Amy Marga. Aber die oft spürbaren Gegensätze zwischen alten, verdienten Veteranen der Barth-Deutung und jüngeren theologischen Modernisierungstheoretikern, die in der radikal reduktionistischen Konzentration Barths auf steile Wort-Gottes-Dogmatik eine kluge theologische Reaktion auf die Ausdifferenzierung moderner Gesellschaften in relativ autonome Kultursphären und Subsysteme sehen, werden nicht sichtbar gemacht.

Wieder ganz anders lesen den Wort-Gottes-Theologen jene religiös Postmodernen wie Stanley Hauerwas, die in ihrem pathetischen Antiliberalismus eine von ihm inspirierte kämpferische Kirche zur "counterculture" gegen den modernen, als "relativistisch" verachteten Pluralismus ausbauen wollen. Leider werden diese und andere Dissense nirgends präzise bezeichnet.

So weiß man nicht so recht, weshalb man Barth überhaupt noch lesen soll. Gewiss, wer es zum "Handbuch" bringt, ist ein Klassiker. Aber der so Geehrte wird leicht auch zu einer Gestalt ferner Vergangenheit, die trotz vieler Worte nur noch wenig zu sagen hat. Selbst dezidiert antihistoristische Rekurse aufs Unbedingte haben eben ihre Geschichte. Barths Texte zur politischen Ethik sind trotz aller neoromantischen Beschwörungen eines "prophetischen Wächteramtes der Kirche" nur noch von historischem Interesse, gehen in der religiös pluralistischen Gesellschaft und im weltanschaulich-neutralen Staat doch bloß einige wenige besonders Fromme noch davon aus, dass die "Christengemeinde" der "Bürgergemeinde" sagen kann (und zu sagen hat), wo es langgehen soll.

Nur in seiner dogmatischen Radikalität bleibt Barth gerade für Antiliberale ganz unterschiedlicher religiöser Couleur attraktiv. Wer den "Lehrer aller Lehrer" - so Martin Walser über Barth - dennoch lesen will, findet im "Barth Handbuch" einen zumeist soliden Wegweiser - auch wenn das Verzeichnis der Sekundärliteratur mancherlei Überraschungen aufweist. Wichtiges fehlt hier, doch Fernliegendes, das mit Barth nur wenig zu tun hat, wird ausführlich aufgeführt.

FRIEDRICH WILHELM GRAF

Michael Beintker (Hrsg.): "Barth Handbuch".

Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 2016. 538 S., geb., 49,- [Euro].

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