22,95 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

Zu Richard Wagners 200. Geburtstag hat der große Wagner-Experte Dieter Borchmeyer eine Biographie geschrieben, die die Summe seiner jahrzehntelangen Wagner-Forschungen darstellt. Wagners Leben mit all seinen künstlerischen und politischen Implikationen bettet Borchmeyer ein in eine ungemein aufschluss- und kenntnisreiche Beleuchtung des Werks, und zwar nicht nur des musikalisch-dramatischen, sondern auch des literarischen und theoretischen, im Spannungsfeld von Wagners Leben, seiner persönlichen Beziehungen und seiner Zeit. Interpretatorische Kurzschlüsse zwischen Leben und Werk, die gerade…mehr

Produktbeschreibung
Zu Richard Wagners 200. Geburtstag hat der große Wagner-Experte Dieter Borchmeyer eine Biographie geschrieben, die die Summe seiner jahrzehntelangen Wagner-Forschungen darstellt. Wagners Leben mit all seinen künstlerischen und politischen Implikationen bettet Borchmeyer ein in eine ungemein aufschluss- und kenntnisreiche Beleuchtung des Werks, und zwar nicht nur des musikalisch-dramatischen, sondern auch des literarischen und theoretischen, im Spannungsfeld von Wagners Leben, seiner persönlichen Beziehungen und seiner Zeit. Interpretatorische Kurzschlüsse zwischen Leben und Werk, die gerade die Wagner-Literatur bis in die jüngste Zeit hinein vorgenommen hat, werden dabei ausdrücklich vermieden.
Autorenporträt
Dieter Borchmeyer, geboren 1941, war von 1988 bis 2006 Ordinarius für Neuere deutsche Literatur und Theaterwissenschaft an der Universität Heidelberg. Seit 2004 ist er Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und Stiftungsratsvorsitzender der Ernst von Siemens-Musikstiftung. Er ist Gastprofessor an Universitäten in Frankreich, Österreich und den USA. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen insbesondere auf der Weimarer Klassik, Thomas Mann und Richard Wagner. 2000 erhielt er den Bayerischen Literaturpreis (Karl-Vossler-Preis).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.03.2013

Kann der Wagner Hitlers auch der Wagner Thomas Manns sein?

Dem Drachen in den Rachen greifen: Drei Koryphäen schlagen längst geschlagene Deutungs-Schlachten.

Von Christian Wildhagen

Je mehr das Wagner-Jahr an Fahrt gewinnt, desto stärker könnte man sich in der ketzerischen Überzeugung bestätigt sehen, dass zu diesem Komponisten einfach alles gesagt sei. Auf Seiten der Werkrezeption sind jedenfalls kaum mehr umwälzende Neuerungen zu erwarten. Längst hat sich der Opernbetrieb "seinen" Wagner passrecht gemacht. Der Kanon der zehn großen Musikdramen vom "Fliegenden Holländer" bis zum "Parsifal" ist nahezu weltweit etabliert, er wird sich auf absehbare Zeit auch kaum um die angeblich unterschätzten Frühwerke erweitern lassen. Und jüngste Versuche mit "Rienzi" und den "Feen" haben die Repertoiretauglichkeit dieser Stücke, entgegen gutgemeinten Absichten, eher widerlegt als bekräftigt.

Auch die biographische Wagner-Forschung hat ihren Fokus mittlerweile auf eine Detailgenauigkeit verengt, wie man sie von anderen umfassend erforschten Zentralgestalten der Geistesgeschichte, von Goethe, Mozart oder Beethoven, kennt, die aber einem vornehmlich am Werk interessierten Publikum jenseits von Wissenschaft und eingefleischten Verehrerzirkeln leicht als Erbsenzählerei erscheinen könnte. Ein Gedenk- und Jubiläumsjahr führt, trotz aller gegenteiligen Suggestionen der mittlerweile global rotierenden Wagner-Verwertungsmaschinerie, eben nicht automatisch zu grundlegend neuen Erkenntnissen, geschweige denn zu einem frischen, von allen Modeströmungen losgelösten Komponistenporträt.

Neben Detailfragen der biographischen und philologischen Forschung sowie übergreifenden essayistischen Ansätzen, etwa nach dem Modell "Wagner und das Geld", "Wagner und die Frauen", "Wagner und der Humor", bleibt furchtlosen Wagner-Gratulanten somit nur die Einordnung und Neubewertung der gesicherten Fakten - und die Interpretation der Werke selbst. Gleich drei monographische Veröffentlichungen zum Jubiläumsjahr, verfasst von Wagner-Koryphäen, beanspruchen genau dies: alles Wissenswerte zu diesem Künstler so aufzubereiten, dass daraus ein Wagner-Bild für unsere Zeit entsteht.

Eher traditionell geht dabei Dieter Borchmeyer vor, der mit etlichen seiner früheren Abhandlungen der Wagner-Interpretation Impulse gegeben hat. Trotz des seltsam enzyklopädisch anmutenden Untertitels "Werk - Leben - Zeit", der wohl, kaum zufällig, auf Martin Gregor-Dellins längst klassische Wagner-Biographie von 1980 ("Sein Leben, sein Werk, sein Jahrhundert") anspielt, ist der Anspruch hier deutlich bescheidener. Es geht Borchmeyer, aufbauend auf älteren Schriften, in erster Linie um eine "Biographie des Werks", in welche die Biographie des Urhebers eher als notwendige Voraussetzung denn als prägender Faktor hineinspielt.

Der gerade bei Wagner naheliegenden Engführung von Leben und Werk, von Gregor-Dellin virtuos vorgeführt, erteilt Borchmeyer gleich zu Beginn eine dogmatisch verbrämte Absage - um sich im Folgenden jedoch selbst nicht konsequent daran zu halten. Die provokante These, wonach die "künstlerische Produktion" bei Wagner eben nicht aus dessen "Leben und Lehre" ableitbar sei, bricht schnell in sich zusammen. Gerade die viel interessantere Frage Borchmeyers, warum es einen "Wagner Hitlers" und einen "Wagner Thomas Manns" geben konnte - so, als sei der Gesamtkunstwerker von Bayreuth eine Art deutscher Jekyll & Hyde gewesen -, lässt sich nämlich nur beantworten, wenn man Wagners charismatische Persönlichkeit, sein Wirken und Nachwirken ebenso in die Betrachtung einbezieht wie seinen Einfluss als Kunsttheoretiker und politischer Ideologe.

Borchmeyer, der Wagner-Kenner, weiß selbstredend um dieses Grundproblem jedes Biographen. Dennoch gibt es in seinem Buch eine Tendenz, das bewunderte Opernschaffen abzulösen von der durchaus problematischen Biographie und der noch fragwürdigeren Rezeptionsgeschichte, um es auf diese Weise gleichsam zu salvieren - als stünde die überragende musikhistorische Bedeutung der Wagnerschen Bühnenwerke überhaupt noch ernsthaft in Frage.

Hier werden also einige der alten Schlachten um ihrer selbst willen noch einmal geschlagen. Noch in den sonst sehr luziden Betrachtungen zu Wagners Pamphlet "Über das Judenthum in der Musik" finden sich Spuren dieser wohlwollenden Tendenz, wenn Borchmeyer den Antisemitismus Wagners gegen den noch ekelhafteren "Racismus" Arthur de Gobineaus abwägt - was angesichts der Wagner-Vereinnahmung im Dritten Reich, die sich um solche Differenzierungen wenig scherte, wie eine Spiegelfechterei erscheint. Stattdessen hätte man sich mehr so geistreiche Überlegungen gewünscht wie die, ob die von Nietzsche beargwöhnte "Alterschristlichkeit" des "Parsifal" und die immer exzessiver praktizierte Selbstfeier als "Meister" für Wagner womöglich eine Maske gewesen sein könnte, um ein zunehmend reaktionäres Umfeld mit seinem Selbstverständnis als Zukunftsmusiker auszusöhnen und die Modernität seiner Werke zu camouflieren.

Udo Bermbach, Autor der zweiten großangelegten Abhandlung dieses Wagner-Frühjahrs, greift dem Drachen sehr viel mutiger in den Rachen: Von vornherein stellt er die Person Wagners ins Zentrum, sein Wirken, aber auch die Wirkung seines Denkens und Schaffens auf die Mit- und Nachwelt. Bermbach entgeht dadurch weitgehend der Idolatrie, ohne das Faszinosum leugnen zu müssen, das Leben und Werk dieses Künstlers zweifelsohne ausstrahlen. So spürt er dem "Mythos Wagner" nach - dies sein nicht eben überraschendes, aber erstaunlich konsequent durchgeführtes Leitthema. Einerseits bezieht sich dies natürlich auf die Rolle, die mythologische Motive im Schaffen und Denken Wagners spielen; andererseits und mehr noch auf die Frage, wie Wagner selbst zu einem keineswegs immer nur positiv wirkenden Mythos werden konnte. "Wagner war", schreibt Bermbach, "nie nur Musikdramatiker, nie nur Dichter - er war ein Künstler mit weit ausgreifenden Sendungsideen, zutiefst beseelt von der Überzeugung, seine Kunst könne die Wunden einer entfremdeten Moderne heilen und in eine bessere Zukunft führen. Dass er seine Überzeugungen auch lebte, machte ihn lange vor seinem Tod zu einem Mythos."

Wie "der Meister" durch sein illustres Dahinscheiden in Venedig vollends unsterblich wurde, schildert Bermbach am Anfang seiner Betrachtungen. Er zäumt sein Mythenross folglich von hinten auf - ein origineller Schachzug auch insofern, als es dem anschließend kenntnisreich entwickelten Wagner-Porträt die Vorhersehbarkeit herkömmlicher Lebensbeschreibungen nimmt. Tatsächlich etablieren die nicht erst in der Bayreuther Zeit einsetzenden Huldigungen an den hehrsten Helden der Tonkunst eine Tradition der Verehrung, die sich nach 1933 nur allzu leicht braun einfärben ließ. Bermbach führt die Neigung der Wagner-Anhänger zur kritiklosen Vergötterung ihres Idols überzeugend auf Wesenszüge Wagners zurück und zeigt, welche biographischen Ursprünge dessen früh ausgeprägtes Sendungsbewusstsein haben könnte.

Das Buch verfolgt die Entstehung des Wagner-Mythos freilich nicht nur retrospektiv, es analysiert, zum Beispiel anhand der "Bayreuther Blätter", auch die fatale Weiterentwicklung zum Wagner-Kult - offen antidemokratisch, antijüdisch und nationalchauvinistisch ausgerichtet unter dem Regime Cosima Wagners und ihres Schwiegersohnes, Hitlers Stichwortegebers Houston Stewart Chamberlain. Diesem dunklen Kapitel der Rezeption, das auch die Wahrnehmung von Wagners Werk bis heute überschattet, stellt Bermbach die radikale Entrümpelung des Mythos im Neu-Bayreuth der fünfziger Jahre entgegen. Und er fragt schließlich nach der Gegenwärtigkeit des Mythos, den er immer noch am stärksten im Festspielhaus selbst am Wirken wähnt, wenn auch demokratisiert durch multimediale Verbreitung und teils bis zur Unkenntlichkeit banalisiert durch den Event-Charakter des globalen Festival-Jetsets.

Wer sich nach der Lektüre dieser beiden Bücher fragt, ob es auch noch einen unbefangenen Zugang zu Wagner geben kann, wird überraschend fündig in dem jüngsten Buch von Barry Millington. Der Herausgeber des britischen "Wagner Journal" hat eine klassische Bildbiographie verfasst, mit Dutzenden von historischen Darstellungen, Lithografien, Bühnenbildzeichnungen und aktuellen Inszenierungsfotos - vor allem aber mit einem wundersam entspannten Text, wie ihn wohl nur der angelsächsische Blick "von außen" auf diesen deutschesten aller Komponisten ermöglicht.

Wie Bermbach und Borchmeyer ist Millington vertraut mit allen Höhen und Tiefen der Wagner-Rezeption; doch während bei seinen Kombattanten das Paradox entsteht, dass über allem Wägen und Problematisieren das Bild des Komponisten selbst unscharf zu werden droht, sind die Schattenseiten bei Millington einfach Teil eines umfassenden Persönlichkeitsbildes, das Wagner als das zeigt, was er war: ein überragender Künstler inmitten eines bewegten Jahrhunderts, das viele Weichen gestellt hat für unsere eigene Zeit.

Dieter Borchmeyer: "Richard Wagner". Werk - Leben - Zeit.

Philipp Reclam Verlag, Stuttgart 2013. 404 S., Abb., geb., 22,95 [Euro].

Udo Bermbach: "Mythos Wagner".

Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2013. 336 S., geb., 19,95 [Euro].

Barry Millington: "Der Magier von Bayreuth". Richard Wagner - sein Werk und seine Welt.

Aus dem Englischen von Michael Haupt. Primus Verlag, Darmstadt, 2012. 320 S., geb., 29,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Christian Wildhagen bespricht Dieter Borchmeyers "Richard Wagner" zusammen mit Udo Bermbachs Essay "Mythos Wagner" und Barry Millingtons Bildmonografie "Der Magier von Bayreuth". Dabei schreibt er ein wenig aus der Perspektive des mit allen Wassern gewaschenen Connaisseurs, dem niemand so leicht mehr Neues über diesen "deutschesten aller Komponisten" erzählen kann. Alle drei Werke bespricht er freundlich, ohne zu verhehlen, dass die in ihnen präsentierten Erkenntnisse tatsächlich kaum Umstürzendes bringen. An Borchmeyer stört ihn ein wenig, dass der Autor die persönliche von der Werkbiografie trennen will, was dem Rezensenten etwas zwanghaft, ja beschönigend scheint, zumal Borchmeyers Wagners Antisemitismus gegen den angeblich noch schlimmeren Arthur de Gobineaus ausspielen wolle - als gehöre Wagner nicht selbst zu den fundamentalen Klassikern der modernen Spielart des Judenhasses. Interessanter findet Wildhagen Borchmeyers Frage, wie es denn gleichzeitig einen "Wagner Hitlers" und einen "Wagner Thomas Manns" geben könne.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.03.2013

Vom Rätsel zum Drama
Die Tatsache, dass in Wagners musikdramatischem Werk die epochal wirksame Musik ihre Entstehung jeweils der fundamentalen Vorarbeit des Dramatikers verdankt, also quasi vom literarisch verfassten Drama generiert worden ist, hat kein Autor in den letzten Jahren überzeugender dargestellt als der Literaturhistoriker Dieter Borchmeyer. Seinem Grundlagenwerk über „Das Theater Richard Wagners“ ist jetzt der Band „Richard Wagner. Werk – Leben – Zeit“ (Reclam Verlag 2013, 403 S., 22,95 Euro) gefolgt, in dem anhand des dramatischen wie theoretischen Werks höchst fesselnd die Entwicklung des revolutionären Denkers und Musikdramatikers Wagner vor dem Hintergrund der europäischen Kulturgeschichte nachvollzogen wird. Aber auch zum Verständnis der Bühnenfiguren und ihres oft rätselhaften Handelns kann Borchmeyers vergleichende Wissenschaft eine Menge Erläuterndes beitragen.
GOTTFRIED KNAPP
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de