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Was Michael Endes "Jim Knopf" mit Charles Darwin und der Evolutionstheorie zu tun hat. Michael Endes "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" ist eines der populärsten Kinderbücher der Nachkriegszeit. Bisher dachte man auch, dass damit alles gesagt sei. In einer spannenden und aufregenden Spurensuche gelingt es Julia Voss jedoch, eine tiefere Dimension dieses Klassikers der Kinderliteratur freizulegen: Wie eine Detektivin weist sie nach, dass zahlreiche Anspielungen auf Darwin und die Evolutionstheorie das gesamte Buch durchziehen - es sind so viele, dass sich dahinter ein Plan verbergen…mehr

Produktbeschreibung
Was Michael Endes "Jim Knopf" mit Charles Darwin und der Evolutionstheorie zu tun hat.
Michael Endes "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" ist eines der populärsten Kinderbücher der Nachkriegszeit. Bisher dachte man auch, dass damit alles gesagt sei. In einer spannenden und aufregenden Spurensuche gelingt es Julia Voss jedoch, eine tiefere Dimension dieses Klassikers der Kinderliteratur freizulegen: Wie eine Detektivin weist sie nach, dass zahlreiche Anspielungen auf Darwin und die Evolutionstheorie das gesamte Buch durchziehen - es sind so viele, dass sich dahinter ein Plan verbergen muss. Diesen Plan legt sie Schritt für Schritt frei und zeigt, dass Michael Endes Buch mehr ist als das Produkt reiner eskapistischer Phantasie.
Autorenporträt
Julia Voss, geb. 1974, studierte Neuere Deutsche Literatur, Kunstgeschichte und Philosophie an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg i. Brsg., am Goldsmiths College in London und an der Humboldt-Universität zu Berlin. Derzeit arbeitet sie als Redakteurin bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Für ihr Buch "Darwins Bilder", das die Rolle der Abbildungen bei der Entstehung der Evolutionstheorie untersucht, erhielt sie die Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft. Zuletzt gab sie bei S. Fischer das "Darwin-Lesebuch" heraus.

Literaturpreise:

Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa, 2009
Luise-Büchner-Preis für Publizistik, 2013
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.09.2009

JULIA VOSS, Redakteurin im Feuilleton dieser Zeitung, hat ein Buch über einen berühmten Kinderbuchstar und seinen heimlichen Namensvetter geschrieben: Der Held aus Michael Endes Roman "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" heißt genauso wie der kleine Junge, den Charles Darwin auf seiner Weltumseglung 1832 nach Feuerland zurückbrachte: Jemmy Button. In Interviews und Essays kam Ende immer wieder auf Darwin zu sprechen, auf die Evolutionstheorie und eine pervertierte Wissenschaft, die im Nationalsozialismus Rassismus und Holocaust rechtfertigte. Gegen die düstere deutsche Bildungsgeschichte schickte der Schriftsteller in seinem Erstlingswerk von 1960 Jim Knopf, Lukas und den Halbdrachen Nepomuk los. Ihr Sieg über die reinrassigen Drachen von Kummerland war Endes Geschenk an die Kinder und Jugendlichen im Nachkriegsdeutschland. (Julia Voss: "Darwins Jim Knopf". S. Fischer Verlag, Frankfurt 2009. 192 S., geb., Abb., 17,95 [Euro].)

F.A.Z.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.10.2009

Raus aus Kummerland
Julia Voss zeigt, wie Michael Endes Jim Knopf gegen die Pervertierung von Darwins Evolutionstheorie streitet
Lukas hat den Traumjob eines jeden kleinen Jungen: Er ist Lokomotivführer. Seine Hobbys: Pfeife rauchen und Kunstspucken. Sein bester Freund: Jim Knopf, dunkelhäutiger Azubi in der Lokomotivführerlehre. Beiden zur Seite steht Emma, eine altmodische Tender-Lokomotive mit Figurproblemen, die sich wie ein Superagenten-Fahrzeug zum Schiff, zur Fluglokomotive und einem Perpetuum mobile umfunktionieren lässt. Dieses illustre Personal, das durch die Augsburger Puppenkiste, Millionen deutsche Kinderzimmer und über die Mattscheibe tanzte, machte sich in den sechziger Jahren auf große Reise und gleichzeitig auf eine bedeutende Mission.
Dabei sind Jim Knopf und seine Kumpanen gegen mächtige Gegner angetreten – und es sind nicht etwa Frau Mahlzahn, die Türhüter, die Palastwachen und die Oberbonzen, die sich dem Gespann aus Lummerland entgegenstellen, sondern Hitler und seine Helfer. Verdrehte Tatsachen? Nein, die vielen Tage, die zwischen Kindheit und Erwachsensein liegen, haben nicht den Kern der Geschichte um die Lummerländer vernebelt. Wie man Michael Endes Kinderbuchklassiker „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer” als Gegenentwurf zum im Nationalsozialismus aufgebauten Mythos von der arischen Rassereinheit lesen kann, zeigt Julia Voss in ihrer Studie „Darwins Jim Knopf”.
In klarer Gliederung hat die promovierte Kunsthistorikerin aufgearbeitet, wie Ende seine Helden aus Lummerland losschickt, um die nationalsozialistische Vergangenheit und deren Bilderwelten zu überwinden und aus den Köpfen verschwinden zu lassen. Nach Endes Meinung die Wurzel allen Übels: Darwins Evolutionstheorie, deren Parolen den Kindern auf den Schulbänken eingepeitscht worden seien.
Längst ist bekannt, dass man die Ergebnisse seiner Wissenschaft, die von Variation, Wandel und Zufall handeln, zu einem Vulgär-Darwinismus mit den Schlagworten Rassereinheit und Überlebenskampf umgepolt hatte. Zu Unrecht, wie auch die Autorin meint. Sie zeigt Darwin als Forscher, der keine kategorialen Unterschiede kannte, der fasziniert war auch vom unscheinbarsten Lebewesen, der Tiere zu Menschen werden ließ und umgekehrt.
Darwins Faszination für zauberhafte Mischwesen, für haarige Vögel und fedrige Blumen und deren bildliche Darstellungen ließ die wissenschaftliche Revolution in die Kinderzimmer einziehen. Ebenso bei Michael Ende, der mit seinen märchenhaften Wesen wie dem gelb-blau gepunkteten Mischlingsdrachen Nepomuk, Uschaurischuun, dem Schildknöck, und seinem Abenteuer von Jim Knopf an Darwins Theorie und an seine phantastische Bildsprache anknüpfte.
Während ihrer Recherchen stieß Voss auf das wohl bedeutendste Bindeglied zwischen dem Forscher Darwin und dem Kinderbuchautor Ende: die Figur Jim Knopf selbst. Bei der Lektüre von Darwins Reisetagebüchern entdeckte sie den Bericht über einen kleinen farbigen Jungen, der mit dem Evolutionsforscher an Bord des Schiffes HMS Beagle reiste. Sein Name: Jemmy Button. Aus diesem Jungen sollte der Kinderbuchheld Jim Knopf werden.
Ausgerechnet der Kinderbuchautor, der mit seinen phantastischen Geschichten in der Eskapismus-Debatte der sechziger Jahre der Weltflucht bezichtigt wurde, sollte sich also mehr an das Erbe der nationalsozialistischen Diktatur gehalten haben als manch anderer? Voss meint, ja – und man folgt ihren Fährten. Die Autorin durchforstet ein Labyrinth von Verweisen: Essays, unveröffentlichte Manuskripte und Schriften, Lehrbücher für Rassekunde, und die Debatten um die „Reeduaction” der Deutschen während der Entnazifizierung. Die Studie ist eine kluge Darbietung von Deutungsmöglichkeiten, eine Spurensuche nach Anspielungen auf Darwins Theorie, die den gesamten Kinderbuchklassiker durchziehen – und es sind ihrer viele. Dahinter kann sich nicht nur die Abenteuerreise zweier Kinderhelden verbergen, hier muss ein Plan dahinterstehen: ein düsteres Kapitel der deutschen Bildungsgeschichte umzuwerten, den zu Rasseparabeln umgedichteten Heldensagen mit ihren mythischen Figuren wie dem Nibelungen-Heroen Siegfried die patriotische Glorie zu nehmen – und dabei die pervertierte Rezeption der Evolutionstheorie in seinem Kinderbuch zurückzuschreiben zu einer neuen Wertewelt.
Der Lehrmeister dieses Experiments ist Jim Knopf. Denn seine Welt ist nicht in Schubladen oder in Kategorien eingeteilt. In ihr triumphieren nicht die Starken über die Schwachen, auch der umgekehrte Sieg ist nicht vorgesehen. Hier gibt es am Ende keine ethnischen Schranken mehr, keine Guten und keine Bösen, keinen Sieg der überlegenen, reinen Art. Die Gegensätze sind aufgehoben, Versöhnung statt Strafe heißt die Losung.INGA EHRET
JULIA VOSS: Darwins Jim Knopf. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2009. 184 Seiten, 17, 95 Euro.
Marionetten aus der TV-Serie „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer” („Augsburger Puppenkiste”) – 1987 Foto: Ullstein
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Als echten "Glücksfall" feiert Rezensentin Susanne Mayer den schmalen Band der FAZ-Redakteurin Julia Voss über Michaels Endes Kinderbuch "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer", das nach der These der Autorin eine Auseinandersetzung mit Darwins Evolutionstheorie darstellt, aus der die nationalsozialistische Rassentheorie schöpfte. Der Band ist ein "Ableger" von Voss' kunsthistorischer Dissertation über Darwins Bilder, sie befreit Darwins Ideen und Motive aus dem Zugriff der Nazis und auch aus Michael Endes Misskonzeption des Nationalsozialismus' als "Ausgeburt" der Evolutionstheorie, so die interessierte Rezensentin. Und so könne die Autorin am Ende sogar zeigen, dass Endes Fantasiewelten mit ihren Tanzrehen und riesigen Schmetterlingen durchaus mit der "Offenheit" von Darwins Vorstellungen korrespondieren und keineswegs rein eskapistischen Charakter haben.

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