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Eigentlich ist Robert Fischer aus Berlin zum Studium nach New York gekommen. Stattdessen aber sitzt er in einem Keller mitten im winterlichen Manhattan, wo er im Auftrag einer Detektei den ganzen Tag Videobänder sichtet. Als ihm dabei ein Mann auffällt, folgt er ihm hinaus aus der Stadt auf eine Fähre, die ihn auf eine kleine Insel im Atlantik bringt. Dort gerät er in ein geheimnisvolles Haus, in dem einmal John Lennon gelebt hat, und als er Briefe und Fotos des Musikers auf dem Dachboden findet, versinkt er immer tiefer in dessen Leben. Hat er in John Lennon den Menschen gefunden, den er…mehr

Produktbeschreibung
Eigentlich ist Robert Fischer aus Berlin zum Studium nach New York gekommen. Stattdessen aber sitzt er in einem Keller mitten im winterlichen Manhattan, wo er im Auftrag einer Detektei den ganzen Tag Videobänder sichtet. Als ihm dabei ein Mann auffällt, folgt er ihm hinaus aus der Stadt auf eine Fähre, die ihn auf eine kleine Insel im Atlantik bringt. Dort gerät er in ein geheimnisvolles Haus, in dem einmal John Lennon gelebt hat, und als er Briefe und Fotos des Musikers auf dem Dachboden findet, versinkt er immer tiefer in dessen Leben. Hat er in John Lennon den Menschen gefunden, den er immer gesucht hat? Da macht sich Roberts Vater auf die Suche nach seinem Sohn, aber statt diesen zu finden, scheint er sich selbst zu verlieren.
Autorenporträt
Alexander Osang, geboren 1962, studierte Journalistik in Leipzig und arbeitete nach der Wende als Chefreporter der "Berliner Zeitung". Für seine Reportagen erhielt er den Egon-Erwin-Kisch-Preis und den Theodor-Wolff-Preis. Seit 1999 ist er Reporter für den "Spiegel" in New York.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.06.2007

Die Beatles klingen ja wie Blur

Schnitzeljagd auf Fire Island: In seinem neuen Roman lässt Alexander Osang einen Jugendlichen in New York auf den Spuren John Lennons wandeln. Doch am Ende begegnet er dort wieder nur den Abgründen der deutschen Geschichte.

Von Julia Bähr

Wenn man vom Erwachsenwerden eines behaupten kann, dann doch dies: Es ist aufregend. Auch New York ist nicht gerade ein der Eintönigkeit anheimgefallenes Kaff. Wer es schafft, sich dort als Jugendlicher zu langweilen, muss schon ein äußerst eigener Mensch sein. So einer wie Robert Fischer, der neunzehnjährig für vier Monate von Berlin-Friedrichshagen in die Vereinigten Staaten kommt und nach einiger Zeit müde konstatiert: "Ich war nicht im Kino gewesen, nicht in einem Konzert, ich hatte niemanden geküsst, ich hatte nicht mal einen Joint geraucht. Mit meinem Wochenendprogramm hätte ich auch im Gefängnis sitzen können."

Ein Holden Caulfield für unsere Zeit?

Robert langweilt sich allerdings nicht zufällig, oh nein, er tut es absichtsvoll. Denn so wie alles in seinem bisherigen Leben ist auch die Suche nach dem Aufregenden eine Erwartung, die seine Eltern an ihn gestellt haben. Nun ist Spaß haben in New York eine lösbare Aufgabe; aber der junge Mann entdeckt spät seine gemäßigt rebellische Ader, schmeißt heimlich das College, verliebt sich in die Tochter seiner gutbürgerlich-jüdischen Gastfamilie und jobbt in einer Detektei, die Hauseingänge per Video überwacht. "New York war eine Verpflichtung", erklärt er - und tut alles, um sie nicht zu erfüllen. Da niemand von seiner geheimen Rebellion erfährt, führt er, ganz braver Sohn, nichtssagende, scheinbar harmonische Telefonate mit seiner Familie, schneidet sie mit und protokolliert sie wortgetreu.

Dies ist das Anfangsszenario, das der Journalist Alexander Osang in seinem zweiten Roman "Lennon ist tot" erschafft: Ein moderner Holden Caulfield bricht aus, wenn auch nur innerlich. Den Vergleich mit "Der Fänger im Roggen" legt der Autor selbst nahe, da sein Protagonist Salinger liest. Anstatt aber auf der Situation aufzubauen, rührt die Handlung nur ein wenig darin herum. Robert hat ein recht verheißungsvolles Date mit seiner Gastschwester, Probleme mit seinem Chef in der Detektei und mit New York an sich - doch bevor wirklich etwas passiert, wird das Szenario umgeworfen und ein völlig anderes aufgebaut. Es wirkt, als habe Osang den Schreibprozess an dieser Stelle gelangweilt unterbrochen und sich zum Brainstorming niedergesetzt. "Der Fänger im Roggen" plus "musikinteressierter junger Mann" plus "New York" ergaben durcheinandergeschüttelt einen Gedanken, der so verkehrt eigentlich gar nicht hätte sein müssen: John Lennon, dessen Mörder Mark David Chapman den Salinger-Roman bei sich hatte.

Deshalb muss Robert New York nun also verlassen, ohne äußeren Anlass. Er folgt einem Mann, den er auf den Videoaufnahmen der Detektei oft gesehen hat und den er verdächtigt, ohne Wissen des Vermieters zur Untermiete zu wohnen. Es stellt sich heraus, dass der Fremde Hans heißt, ebenfalls aus Berlin stammt und auf Fire Island, einer Insel vor New York, Ferienhütten renoviert. Hans nimmt den Jungen bei sich auf, ohne Fragen zu stellen, und erzählt ihm, dass John Lennon die Insel einmal besucht habe; Robert schlafe sogar in seinem Bett. Der Gast hat altersbedingt wenig Ahnung von den "Beatles", als er schließlich ein paar Stücke von ihnen hört, findet er, sie klängen wie "Oasis" oder "Blur" - und nicht etwa umgekehrt. "Lennon erinnerte mich an Nico Zielke, einen der ernsthaftesten Amerikakritiker unserer Klasse, er hatte lange Haare und so eine runde Metallbrille, lachte nie und bekam aus irgendeinem Grund mit dieser Nachdenkertaktik die besten Mädchen ab", analysiert Robert begeisterungslos.

Dennoch steigert er sich nach und nach in die Lennon-Geschichte hinein, sucht seine Spuren auf der Insel und liest die auf dem Dachboden angesammelten Artikel über ihn. Gleichzeitig schließt er Bekanntschaften auf Fire Island, wo vor allem ein Ort namens Point O'Woods eine für europäische Leser beunruhigende gated community mit strengen Regeln bildet. Somit hat Osang das zweite vielversprechende Szenario erschaffen, doch auch darin gelingt ihm kein ausdifferenzierter Erzählstrang. Hat sich Robert in New York gelangweilt, tut es der Leser auf der Insel. Der Protagonist ernährt sich unterdessen von Alkohol, rohen Spaghetti und M&Ms, setzt sich mit einer Verschwörungstheorie auseinander, nach der Yoko Ono den Mord an Lennon in Auftrag gegeben hat, und steuert direkt auf seinen physischen und mentalen Absturz hin. Zuvor gelingt ihm noch ein literarischer Text, den er wie im Fieberwahn schreibt und der die Funktion eines Epilogs einnimmt.

Alexander Osang ist ein ausnehmend guter Erzähler. In gemäßigt jugendlicher Sprache, ohne Kraftausdrücke wie bei Salinger, dafür mit häufigen Einschüben wie "glaube ich", erschafft er farbige und detaillierte Bilder dessen, was sein Protagonist erlebt - ähnlich wie in seinen Reportagen, für die er nicht ohne Grund umsonst mehrfach ausgezeichnet wurde. Leider sind Inhalt und Zielsetzung des Romans viel weniger konkret. Da konnte sich der Autor offensichtlich nicht recht zwischen zahlreichen guten Ideen entscheiden, wollte zu viel und bleibt deshalb meist an der Oberfläche. Sein erster Anspruch ist ein gewisser Popbezug, nicht nur durch den Erzählstrang mit John Lennon, sondern auch durch playlists, die einigen Kapiteln recht unvermittelt und mit wenig Bezug vorangestellt sind. So hat zum Beispiel Roberts Vater ihm eine Kassette aufgenommen für New York, die das Kind der CD-Generation gar nicht abspielen kann und die, wie sich später herausstellt, nur vermeintlich eine intime Auswahl ist. In Wahrheit kann der Vater selbst mit all diesen Stücken herzlich wenig anfangen und hat selbst nur getan, was er für seine Aufgabe in dieser Situation hielt.

Die DDR ist überall.

Die Familiengeschichte ist Osangs zweite Ebene der Geschichte. Wo es passt, sind Anekdoten eingefügt, die ein Bild der Fischers liefern: Roberts Ablösungsschwierigkeiten, der kleine Bruder, der unter den gesundheitlichen Folgen seines Drogenkonsums leidet, die besserwisserische Mutter und der distanzierte Vater. Dieser hat kaum echten Bezug zu Robert, doch er sucht den verschwundenen Sohn schließlich in New York. Ein ziemlich überflüssiges Kapitel ist aus der Perspektive des Vaters verfasst, doch macht ihn alleine die dokumentierte Zusammensetzung seiner iPod-playlist unsympathisch, in der allen Ernstes "a-ha" auf Juli, "Guns N' Roses", Shania Twain und Herbert Grönemeyer folgt. In dieser geschmacklichen Unentschlossenheit spiegelt sich das Dilemma des Romans genauso wie in der Orientierungslosigkeit des Protagonisten.

Einiges will "Lennon ist tot" darüber hinaus noch sein: ein Entwicklungsroman, eine Gesellschaftsstudie sowie eine Auseinandersetzung mit deutschem Leben im Ausland und den Ressentiments, auf die selbst ein Neunzehnjähriger bei New Yorker Juden stoßen kann - aber eben auch nicht muss. Nebenbei legt Osang noch eine tour de force durch die deutsche Geschichte hin: In der isolierten Detektei-Arbeit spiegelt sich der Überwachungsstaat der DDR wider, in Point O'Woods auf Fire Island mit all den Kolonieregeln das Dritte Reich; sogar offen ausgesprochen von einem der Inselbewohner: "Weiß, familienorientiert und arisch" ist der Ort. Offenbar wollte Osang etwas vermeiden, das sein junger Held an Salinger kritisiert. "In den Geschichten von Salinger passierte noch weniger als in meinem Leben", befindet Robert, bevor der Autor seine Figur in alle Richtungen gleichzeitig zieht. Dieser Ambitionsüberschuss ist ehrenhaft, aber sein Ergebnis unausgegoren.

- Alexander Osang: "Lennon ist tot". Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007. 312 S., geb., 18,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Ausgesprochen sympathisch findet Rezensent Konrad Heidkamp den neuen Roman des Journalisten Alexander Osang. Zwar räumt er ein, dass "sympathisch" kein ästhetisches Kriterium sei. Deswegen präzisiert er seine Ausführungen dahingehend, dass Osang in diesem "lebendigen" Buch über einen jungen Mann aus Berlin-Friedrichshagen, der zum Studieren nach New York geht, wieder ein Exempel seiner Fähigkeit gebe, Leichtigkeit und Genauigkeit zu verbinden und das Beobachtete gegen die Beobachteten zu verwenden. So geht der Rezensent einigermaßen verzückt mit dem jungen Protagonisten durch dessen New Yorker Leben, spürt einen Hauch Holden Caulfield, und ist im Ganzen von dieser Odyssee durch die Riesenstadt so beglückt wie von einer spannenden Schatzsuche.

© Perlentaucher Medien GmbH