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"Es begann, wie alles beginnen muß, mit dem Erwachen von Molekülen. Winde konvergierten und prallten aufeinander, Luft kühlte ab, erhitzte sich wieder und fing an, sich wellenförmig zu bewegen..." Erik Larson erzählt in seinem Buch die tragische Geschichte vom Scheitern eines Mannes im Kampf gegen einen der schrecklichsten Hurrikane seit Menschengedenken.

Produktbeschreibung
"Es begann, wie alles beginnen muß, mit dem Erwachen von Molekülen. Winde konvergierten und prallten aufeinander, Luft kühlte ab, erhitzte sich wieder und fing an, sich wellenförmig zu bewegen..." Erik Larson erzählt in seinem Buch die tragische Geschichte vom Scheitern eines Mannes im Kampf gegen einen der schrecklichsten Hurrikane seit Menschengedenken.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2000

Hurrikaniaden
Erik Larsons Katastrophenroman / Von Stewart O'Nan

Erik Larsons unterhaltsamer Roman "Isaacs Sturm" ist eine nichtfiktionale Erzählung, in deren Mittelpunkt eine Naturkatastrophe steht, der tragische Wirbelsturm von Galveston, Texas, im Jahr 1900. Der Roman zeigt uns die Epoche und die Ereignisse aus der Perspektive der Einwohner der Stadt, vor allem des Chef-Meteorologen Isaac Cline. Larson kommt nach seinen Nachforschungen zu dem Schluss, dass es Cline aufgrund von Faktoren, die außerhalb seiner Kontrolle lagen, nicht gelungen war, die Bewohner von Galveston vor dem Sturm zu warnen, und später behauptete, 6000 Menschen gerettet zu haben.

Jon Krakauers "In eisige Höhen" informiert uns über das Bergsteigen, Jungers "Der Sturm" über die Fischfang-Industrie und Wellenformationen. Aus "Isaacs Sturm" können wir etwas über die Entstehung der amerikanischen Wetter-Behörde und über Wirbelstürme lernen. Die nichtfiktionale Katastrophen-Erzählung beschreibt eine einfache Bewegung. Die Zeit organisiert das Material. Wie in konventioneller Belletristik finden wir eine Abfolge von Exposition, Spannungsaufbau und -auflösung. Diese Auflösung befriedigt die Leser schon durch die Dimension und die Schrecken erregende Qualität des Ereignisses. Den Höhepunkt bildet die Katastrophe.

Die Struktur eines Katastrophenromans kann vom Autor variiert werden. Häufig beginnen diese Bücher mit einem Vorwort, das die zu erwartenden Schrecken ankündigt. Dann werden die wichtigsten Figuren eingeführt und die Ereignisse chronologisch entfaltet, wobei die Verzögerung des schicksalhaften Moments Dramatik erzeugt. Schließlich kommt es zur Katastrophe, und die aufregenden Szenen scheinen einander zu überstürzen. Wenn sich das Schicksal der Figuren entschieden hat, beschreibt der Autor den Zustand danach und die Konsequenzen.

In "Isaacs Sturm" reichert Larson dieses Grundrezept mit antizipierenden Elementen an, indem er Passagen einfügt, die über den Sturm informieren, um die Spannung zu steigern. Diese Einschübe sind überflüssig; wir wissen, dass der Sturm naht. Larson ist ein fähiger Autor, auch wenn er zu häufig Metaphern bemüht. Die Kraft des Sturms wird immer wieder mit dem Krieg verglichen, und der Regen fällt mit der Kraft von Schrot oder Gewehrkugeln. Aber entscheidend beim Schreiben sind Geschmack und die Kultivierung eines erzählerischen Tons. Da aber die Auswirkungen realer Katastrophen gravierend sind, droht der literarischen Behandlung dieses Themas leicht die Gefahr, in eine überhitzte Prosa zu verfallen. Auch Larson unterlaufen Sätze wie dieser: "Das Fenster explodierte nach außen in den Sturm und riss Mr. Quayle mit, der seinem Tod im Sog der Schreie seiner Frau entgegenschoss." Oder: "Schlafzimmer zerbarsten in ein Getümmel aus fliegendem Glas und Holz, Dächer schossen in die Höhe wie monströse Drachen." In diesen Versuchen, die Gewalt des Sturms zu vermitteln, strapaziert Larson seine Sprache wie seine Bilder.

Das Ziel fast aller faktisch angelegten Katastrophenliteratur besteht darin, den Leser nachvollziehen zu lassen, wie es gewesen wäre, dabei gewesen zu sein. Dieses Ziel erreicht Larson, indem er aus den sorgfältig recherchierten Details eine Welt errichtet. Als Leser wünscht man sich, er hätte nicht auf die eindringlichen Fotografien verzichtet, anhand deren im Roman die Zerstörungen des Sturms beschrieben werden.

Neben der erzählerischen Struktur können die Verfasser von Katastrophenerzählungen auch über das recherchierte Datenmaterial frei verfügen. Sowohl Sebastian Junger als auch Jon Krakauer sind für ihre literarische Manipulation der Wahrheit kritisiert worden. Auch Larson kann diesem Vorwurf nicht entgehen. Indem er den Charakteren in "Isaacs Sturm" Gedanken und Gefühle zuschreibt, die nicht aus den öffentlichen oder privaten Quellen hervorgehen, hat er - so sehen es zumindest einige Kritiker - die Grenze überschritten, die Fakten und Fiktionen voneinander trennt.

Will man recherchierte Fakten erzählerisch beleben und einem Publikum nahe bringen, so besteht das Problem oft gerade darin, Ereignisse mit einem Helden zu verknüpfen. Dieser Held konzentriert die Aufmerksamkeit der Leser auf sich und liefert dem Autor einen Erzählfaden, eine Figur, der die Leser folgen und die die Bedeutung der Ereignisse auflädt. In "Isaacs Sturm" ist Isaac Cline als eine solche Figur. Der reale Cline hat nur bruchstückhafte Aufzeichnungen über den Sturm hinterlassen. Also fragt Larson: "Wie sind diese Lücken zu füllen?"

Seit Mitte der sechziger Jahre hat die nichtfiktionale Literatur ihren Objektivitätsanspruch aufgegeben und sich stärker auf die Mittel konzentriert, mit denen Fiktionen Leser in ihren Bann ziehen. Der Gonzo-Journalismus und Capotes und Mailers "non-fiction novels" haben den Weg bereitet für Michael Herrs Vietnam-Roman "Dispatches". Seit Mitte der achtziger Jahre hat sich das neue Genre einer "creative non-fiction" entwickelt, das auf die Strategien der Fiktion zurückgreift, insbesondere auf die Perspektivierung - die Darstellung der Gedanken und Gefühle einer Figur -, ein Mittel, das den Romanciers und Verfassern von Kurzgeschichten vorbehalten war. Das Problem besteht aber darin, dass dem Leser fiktionaler Literatur das Innenleben, die Wahrnehmungen, die Gedanken und Erinnerungen und die sprachlichen Idiosynkrasien einer Figur einfach beschert werden können. In der nichtfiktionalen Literatur, die von Archiven zehrt, darf der Autor nicht einfach auf diese Mittel zurückgreifen, sagen, was im Kopf oder im Herzen einer historischen Figur vorgegangen ist.

Larson entzieht sich diesem Dilemma, indem er vorschlägt, dass Isaac Cline höchstwahrscheinlich schwimmende Fässer im Wasser der Flut gesehen hat oder dass höchstwahrscheinlich der Geruch von Kaffee in der Luft lag, als er eines Morgens aus seinem Haus kam. Weitgehend bleibt Larson bei den Fakten, aber manchmal stattet er historische Figuren mit den Empfindungen fiktiver Charaktere aus. So sagt sich ein Angestellter der amerikanischen Wetterbehörde, als er an die kubanischen Meteorologen denkt: "Diese Leute sehen sogar im Schlaf Wirbelstürme." Dieses Detail scheint vernachlässigenswert. Larson konstatiert aber an anderer Stelle des Romans, dass die Wetterbehörde aufgrund nationaler Ressentiments die Warnungen der kubanischen Kollegen ignoriert und durch dieses Versäumnis das Ausmaß der Katastrophe mit verschuldet hat. Der Autor untermauert seine Perspektive mit fiktiven Belegen und kämpft auf unredliche Weise für seine Sicht der Dinge.

Die Darstellung der Figur Isaac Clines und seines Glaubens an die Technik als Symbol seiner Epoche ist nicht überzeugend. Als "Vater dreier Kinder, Ehemann, Geliebter, Wissenschaftler und Gestalt des neuen heroischen amerikanischen Zeitalters" wird Isaac zu einem Strohmann, den der Sturm niedermäht, als habe er durch seinen Glauben an die Macht der Technik das Schicksal herausgefordert. Auch die Stadt Galveston wird als hochmütig dargestellt: als eine Stadt, die das Umland ihrem Wachstum und ihrer Vorherrschaft unterwirft. Das ist eine simple Botschaft: Sobald der Mensch sich einbildet, stärker als die Natur zu sein, wird die Natur sich für diese Hybris rächen. Das ist die Botschaft, die alle Katastrophenfilme und -romane verkünden: Nicht Willkür oder Chaos oder Pech, sondern Stolz kommt vor dem Fall. Vielleicht gründet die Popularität dieser Bücher und Filme in der westlichen Gesellschaft in der Furcht vor den wissenschaftlichen Fortschritten des letzten Jahrhunderts, in dem Gefühl, dass wir uns in unserem alltäglichen Leben übernommen haben und dafür bezahlen müssen. Auch wenn dieser Schluss falsch ist, so zollen wir doch dieser Furcht Tribut, wenn wir die Berichte von Katastrophen lesen (oder legen zumindest ein Lippenbekenntnis für sie ab); wir erkennen und genießen diese Furcht; wir gehen auf Nummer sicher und stürzen vorwärts, immer tiefer in das technologische Zeitalter.

Aus dem Amerikanischen von Julika Griem.

Erik Larson: "Isaacs Sturm. Ein Mann und sein Kampf gegen den schrecklichsten Hurrikan der Geschichte". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Bettina Abarbanell. S. Fischer Verlag, Frankfurt 2000. 384 S., geb., 39,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Auch eine Idee: einen Amerikaner, Stewart O’Nan, über ein soeben auf Deutsch erschienenes Buch aus Amerika schreiben zu lassen. Also kein Wort zur Übersetzung. Dafür wird man mit ein paar allgemeinen Überlegungen zur Beliebtheit von "Katastrophenliteratur" unterhalten und Anmerkungen darüber, dass das Genre der nichtfiktionalen Literatur sich weiterentwickelt hat zur "creative non-fiction". Da dürfen sich dann die Autoren reichliche Freiheiten mit ihren historisch verbürgten Helden herausnehmen, wobei die einen das besser können als die anderen. Und wie schneidet Larson nach Meinung O’Nans nun ab mit seinem Buch über den Chef-Meteorologen Isaac Cline, der die Bevölkerung seiner Stadt nicht vor einem verheerenden Sturm warnte, der am Anfang des letzten Jahrhundert Tausende von Menschen das Leben kostete? Nicht besonders gut. O’Nan findet, die Darstellung des Helden als "Symbol seiner Epoche", nämlich der einer unbeschränkten Fortschrittsgläubigkeit, "nicht überzeugend"; außerdem beurteilt er Larsons Thesen als überspitzt, seine Sprache und Bilder als allzu "strapaziert" und die als Spannungssteigerung gedachten Verzögerungen durch meteorologische Belehrungen als schlichtweg "überflüssig". Ein Verriss aus amerikanischer Sicht.

© Perlentaucher Medien GmbH"