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Ein Sturz ins Dickicht der Welt Neujahr, Berlin versinkt im Schnee, die Party geht weiter: Janus feiert mit Freunden und vermisst seinen Bruder Bobby. Der ist verschwunden und schreibt im Internet wütende Briefe. Janus macht sich auf die Suche, zwölf Monate lang ist er unterwegs: nach London, Paris, Los Angeles, nach Las Vegas und in den Himalaja. Überall trifft er auf Menschen, die die Ekstase, die echten Gefühle, suchen. Auf der Peloponnes findet er seinen Bruder wieder, aber Bobby scheint merkwürdig verändert. Und die Schreckender der neuen Zeit, die Bilder der Zerstörung, reichen…mehr

Produktbeschreibung
Ein Sturz ins Dickicht der Welt
Neujahr, Berlin versinkt im Schnee, die Party geht weiter: Janus feiert mit Freunden und vermisst seinen Bruder Bobby. Der ist verschwunden und schreibt im Internet wütende Briefe.
Janus macht sich auf die Suche, zwölf Monate lang ist er unterwegs: nach London, Paris, Los Angeles, nach Las Vegas und in den Himalaja. Überall trifft er auf Menschen, die die Ekstase, die echten Gefühle, suchen. Auf der Peloponnes findet er seinen Bruder wieder, aber Bobby scheint merkwürdig verändert. Und die Schreckender der neuen Zeit, die Bilder der Zerstörung, reichen überallhin ...
'Unter diesem Einfluss' ist ein sprachmächtiges Debüt, ein unversöhnter Hunger nach Welt, einer Welt, der keiner entkommt.
Autorenporträt
Kober, HenningHenning Kober, geboren 1981, begann die Arbeit an seinem Romandebüt im Sommer vor vier Jahren in Bangkok. Er schrieb auch in Kathmandu, Kalifornien, New York und Berlin, wo er zurzeit lebt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.09.2009

Echtes Geschirr, das macht mich total glücklich

Im Großen Club der einsamen Herzen: Der Debütautor Henning Kober überholt im Mercedes Cabrio Christian Krachts alten Porsche und fabriziert einen Remix aus Blümchenromantik, aggressiver Rasanz und Gonzo-Journalismus.

Ein Modedesigner schwankt torkelnd zur Toilette. Er reißt fast eine der als Kunst mit dem Kopf gegen die Wand gestellten Kinderpuppen um. Eine Kolumnistin hastet heulend zur Tür. Ein Galerist ruft: Ich bezahle alles." Sie nahen sich wieder, die schwankenden Gestalten aus Berlin-Mitte, die man schon für tot hielt. 1995 schickte Christian Kracht einen jungen Schnösel aus reichem Hause durchs "Faserland" und begründete damit den deutschen Poproman. Jetzt sind die Bahn- und Porschefahrer wieder da, die vor lauter Oberflächenglück dauernd weinen, kotzen oder raus auf die Autobahn müssen. Blasiert und gelangweilt, aber reinen Herzens und guten Willens, besoffen von Alkohol, Designerdrogen und romantischem Narzissmus, erbrechen sie ihren Spießerekel und Weltschmerz auf Cabrios und putzen alles mit Champagner und scheinheiliger Unschuldsmiene wieder weg. Zuletzt war in Thomas Klupps "Paradiso" einer dieser verkrachten Typen unter diesem Einfluss unterwegs, allerdings meist als Tramper, Loser und am Ende, nach einer Panne mit dem väterlichen BMW, sogar als reuiger Sünder. Jetzt nimmt Henning Kober Fahrt auf und überholt sogar den türkisfarbenen Porsche seines Mentors.

Janus, ein junger Mann mit offenbar unerschöpflichen Barmitteln, fährt sein Leiden am Neuen Deutschland nur in den teuersten Modellen spazieren: Unter einem Mercedes 500 Coupé, einem Porsche Cayenne oder einem silbernen Pontiac Grand Prix macht er es nicht. Aus dem Futuristischen Manifest weiß er, dass zu einem richtigen Geschwindigkeitsrausch eine mythologisch tiefergelegte Luxuslimousine und ein Kater gehören. "Alles war nett und hübsch, aber was bringt es mir eigentlich? Wo geht es weiter?" Krachts "Faserland"-Tour führte von Sylt in die Schweiz, Klupps Reise ins Paradies von Hamburg in die Oberpfalz. Kober hat seinen Roman angeblich in Bangkok, Katmandu, Kalifornien, New York und Berlin geschrieben und deshalb einen weiteren Horizont.

Von Berlin aus geht es an bedeutende deutsche Erinnerungsorte (Tropical Islands, Walhalla, Nürnberg, Bayreuth), in die coolsten Clubs der angesagtesten europäischen Metropolen, quer durch die Vereinigten Staaten und weiter zu den Brennpunkten des Weltgeschehens in Afghanistan, Bagdad und Beirut; nur selten gönnt er sich eine transzendentale Pause auf Alpenwiesen oder im Himalaya-Lodge. Allerdings gleichen sich die Partynächte im Großen Club von Berlin und den Nuclear-Chic-Kellern von London, und "Wien am Tag erinnert an Nizza und auch an Belgrad und Plutonium". Blöd auch, dass der Igel Kracht überall schon vor ihm da war, sogar in Nordkorea und im iranischen Arbeitslager. Aber ein global denkender Hase lässt sich davon nicht entmutigen: "Wie richtig ist es, unterwegs zu sein."

"Alles ganz herrlich. Lächerlich. Schlimm. Egal. Gefahr?" Neben dem hämmernden Stakkato von Kobers weltumspannenden Ein-Wort-Sätzen sieht Kracht so langsam wie Thomas Mann aus. Alles ballert, bombt und knallt: die Sonne, Jackie, das Bumbum der Bässe und das Dumdum der Feldlager, die Drogen, die Angst, die "Aufregungsendorphine", sogar die "tief empfundenen Tränen". Der exklusive Soundtrack reicht von Aaliyah bis Artful Dodger, die erlesene Literaturliste umfasst Nietzsche und Kafka, Marc Aurel und Vergil, Ulrike Meinhof, Andy Warhols Partybook und "The Importance of Being Famous"; auch die Liste der Filme und Markenklamotten ist imponierend lang.

Alles ist gut und "fast nicht zum Aushalten schön", "unheimlich wichtig", ja sogar heilig. Froh zu sein, bedarf es wenig, wenn man innig und gefühlsecht empfindet. "Berühren die Hosenträger die Brustwarzen, fühlt es sich sensationell an", und "Echtes Geschirr, das macht mich total glücklich". Janus und seine Freunde sind immer und überall gut gelaunt und "von schönem Glück überströmt", aber auch unheimlich blass, müde und todtraurig. Der Gedanke "Natürlich könnte die Welt auch ohne mich existieren" enthält eine schwere narzisstische Kränkung.

Man plaudert mit Freunden, trinkt Jahrgangschampagner und sehnt sich fort: "Ich will ein wirkliches Leben. Ich will Liebe." Was die Brüder sonst noch in der Welt treiben, bleibt unklar, wie so vieles in diesem angestrengt verrätselten Roman. Bobby ist offenbar Kriegsreporter und Schriftsteller; sein erster Roman handelt von einer Bande deutscher Wohlstandsterroristen und "einem sehr, sehr wütenden und einsamer werdenden jungen Mann, der das sogenannte wahre Leben als Wahnsinn empfindet". Janus' Geschäfte dagegen bleiben, wie sein Name schon andeutet, eher zweideutig. Aber, hey, Rumhängen mit "hübschen und klugen" Mädchen ist auch Arbeit, rast- und ratlos um die Welt hetzen auch ein Lebenszweck.

Aber Janus' heimliche Tränen und Kobers ernste Worte lügen nicht. "Die Medizin kann die Erkenntnisse, die sich in Verzweiflung niederschlagen, nicht revidieren." Immer nur Party, und "so viel Spass wie möglich, solange es niemandem weh tut": Das kann auf die Dauer nicht gutgehen. Ironie ist vorbei, provokativ ausgestellte Dekadenz in Berlin nicht mehr sexy. Im Hintergrund läuft bei CNN schon die Apokalypse: Mysteriöse Flugzeugsabstürze, Bomben auf Ibiza, Unruhen in Paris, schwarzer Rauch im Petersdom, das Menetekel "Hollywood" rutscht ins Tal. Janus' Vater liegt mit einem Herzinfarkt, seine Freundin mit einem Schädelbasisbruch im Krankenhaus. Bobby orakelt in seinem Blog von permanentem Ausnahmezustand und "finaler Hysterie" und taucht vorübergehend unter.

Natürlich ist das alles epigonal, ein verspäteter Aufguss von Salinger, Bret Easton Ellis und Kracht. Aber Kober ist kein blutiger Anfänger. Er kann - seine Lieblingsbeschäftigung im Großen Club der einsamen Herzen - Menschen beobachten und knapp beschreiben. Seine Sprache hat durchaus Drive, auch wenn ihm der Remix aus Blümchenromantik, aggressiver Rasanz und Gonzo-Journalismus leicht in den Kitsch verrutscht. Sätze wie "Ich lief im Regen nach Hause und sortierte hustend die Dinge" stehen dem rasenden Reporter gut, aber wenn er Existenzialismus, Futurismus, Nihilismus und andere Jugendbewegungen in Partysmalltalk umzumünzen versucht, geht die gespielte Naivität flöten.

Was eben noch hübsch hämmerte und knallte, zerfließt in süßlich-pubertärem Schmalz ("Jackies ganzes Wesen schaut so verloren aus den feuchten Augen. Die Engel weinen, denn das Leben ist zart") oder gefriert zu den steilen Thesen eines Besinnungsaufsatzes. "Die heilige Heiligkeit muss in der Intensivierung der Gegenwart wahrgenommen werden. Alles andere ist sinnlos." Kober ist erst achtundzwanzig Jahre alt; wenn er aus seinem globalen Penthouse herabsteigt, kann aus ihm noch ein richtiger Schriftsteller werden. Sein Janus steigt am Ende schon mal aus dem Zug aus: "Allen, die mich schon beerdigt haben, rufe ich zu: Der wahre Sinn wird sich erst noch offenbaren."

MARTIN HALTER

Henning Kober: "Unter diesem Einfluss". Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt 2009. 285 S., geb., 18,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Etwas orientierungslos aber dennoch in den Bann gezogen wirkt Aureliana Sorrento angesichts des Debütromans von Henning Kober. Einen Handlungsfaden kann die Rezensentin nur mit Mühe ausmachen, klar wird immerhin, dass zwei Brüder von Berlin aus in hoher Geschwindigkeit und getrennt durch die Welt reisen, während der Vater einen Schlaganfall erleidet. Die Rezensentin findet in der rastlosen Bewegung der Brüder Anklänge an Bruce Chatwin und Jack Kerouac und sieht sich in einen Sprachstrom gezogen, der die Leser mit Eindrücken, Beobachtungen, Partygesprächen und Nachrichtensplittern überflutet. Trotz des melancholischen Grundtons lässt sich die Rezensentin mitreißen und glaubt hier gar den "Entwicklungsroman des gegenwärtigen Ichs" auszumachen.

© Perlentaucher Medien GmbH