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Zwei Jahre lang hat Nadja Einzmann die unterschiedlichsten Menschen nach ihrer Kindheit befragt und so ein Fenster zum »wirklichen Leben« geöffnet. In einem zutiefst poetischen Verfahren sind aus diesen Gesprächen kunstvolle Porträts geworden, die uns nicht nur etwas vom Leben um uns herum verraten, sondern auch von unserem eigenen und vom Leben selbst. Nadja Einzmann erzählt nicht einfach aus dem Leben ihrer Gesprächspartner, sie lässt es diese selbst tun. Sie erzählen vom täglichen Aufbegehren und Fügen, vom Träumen und Scheitern, vor allem aber von den versteckten und übersehenen Winkeln…mehr

Produktbeschreibung
Zwei Jahre lang hat Nadja Einzmann die unterschiedlichsten Menschen nach ihrer Kindheit befragt und so ein Fenster zum »wirklichen Leben« geöffnet. In einem zutiefst poetischen Verfahren sind aus diesen Gesprächen kunstvolle Porträts geworden, die uns nicht nur etwas vom Leben um uns herum verraten, sondern auch von unserem eigenen und vom Leben selbst.
Nadja Einzmann erzählt nicht einfach aus dem Leben ihrer Gesprächspartner, sie lässt es diese selbst tun. Sie erzählen vom täglichen Aufbegehren und Fügen, vom Träumen und Scheitern, vor allem aber von den versteckten und übersehenen Winkeln des Alltags, in denen sich »dies und das und das« findet. Sie erzählen vom Wunsch nach dem eigenen, ganz normalen Leben, wie es außergewöhnlicher nicht sein könnte. Nadja Einzmanns Porträtband gehört wohl zu den eindringlichsten und ungewöhnlichsten Büchern der jüngeren deutschsprachigen Literatur - ein kunstvolles Konzentrat unseres alltäglichen Sprechens, eine Poesie des gelebten Lebens
Autorenporträt
Einzmann, NadjaNadja Einzmann wurde 1974 geboren und lebt in Frankfurt am Main. Sie hat Erzählungen sowie Gedichte in Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht.Literaturpreise:1998 Preisträgerin des Jungen Literaturforums Hessen-Thüringen1999 Stipendiatin im Herrenhaus Edenkoben.2002 Georg-K.-Glaser-Förderpreis2003 Einjähriges Arbeitsstipendium der Stadt Offenburg2007 Hölderlin Förderpreis der Stadt Bad Homburg2013 Renate-Chotjewitz-Häfner-Förderpreis
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.04.2006

Heute sind wir so und so
Getupft, nicht erzählt: Prosaminiaturen von Nadja Einzmann

In ihrem Debüt "Da kann man nicht nein sagen", erschienen 2001, wählte Nadja Einzmann für ein großes Thema eine kleine Form: In sechsunddreißig kurzen, teils winzigen Geschichten erzählte sie von der Liebe. Ein nahezu zeitloses Sujet fand sie auch für ihren Nachfolgeband "Dies und das und das". Sie begibt sich auf eine Erkundungsreise in die Kindheit, und wieder versucht sie, ihre Beobachtungen auf nur wenigen Seiten zu verdichten. Die 1974 geborene Autorin hat unterschiedliche Interviewpartner, Frauen und Männer, die meisten etwa in ihrem Alter, befragt und aus diesem Rohmaterial kurze Porträts oder Prosaminiaturen modelliert.

Dies gelingt einmal besser und einmal schlechter. Zu Wort kommen eine Tänzerin und ein Priester, eine Schauspielerin, ein Pianist, Familienväter und ein Au-pair-Mädchen, Einsame und Glückliche, Ängstliche und Tüchtige, Komplizierte und Offenherzige. Sie suchen in der Vergangenheit nach dem Schlüssel für ihre Gegenwart, feilen an ihren Erinnerungen an schwierige Eltern, Eifersüchteleien unter Geschwistern, Verlorenheit und schöne Momente. Sie haben Träume und führen ein Leben, gegen das es im Grunde wenig einzuwenden gibt. Unfreiwillig komisch kündigt der Klappentext an, die Porträts verrieten etwas "vom Leben um uns herum", als wären Flora oder Fauna gemeint. Dabei geht es bei Nadja Einzmann doch um zutiefst Menschliches, wie Selbsterkenntnis, das Erwachsenwerden und die ewige Suche nach Gück und Anerkennung.

Auf die Personen, die sie abbildet, wirft die Autorin jedoch lediglich Schlaglichter, und kaum hat man sich mit ihnen angefreundet, werden sie weggeblendet. Die Aneinanderreihung dieser Kleintexte wirkt ein wenig monoton, auch wenn einzelne der Porträts durch eine erstaunliche poetische Dichte bestechen. Nadja Einzmann geht es in erster Linie um den Ton, nicht um den Stoff.

Mit großer Strenge komponiert sie ihre eigenwillige, kunstvolle Sprachmelodie, die das Gesagte verschwimmen läßt wie ein impressionistisches Gemälde. Statt präzise zu zeichnen, setzt sie flüchtige Tupfen, so daß die Konturen zerfließen und nur aus der Distanz schärfer werden. Ihre Scheu vor zuviel Deutlichkeit läßt aber manche leere Fläche entstehen. Über eine junge Mutter, die ihre Kindheitsverletzungen abschütteln möchte, heißt es: "Na gut, vielleicht, daß sie sich ihres Mannes am Anfang nie sicher war, daß er sie nie genug lieben konnte, das hatte bestimmt irgend etwas mit irgend etwas zu tun. So ist es ja immer." Oder man liest gar Sätze wie: "Heute ist sie so und so." Dieses forcierte Bemühen um erzählerische Authentizität läßt die poetische Patina an manchen Stellen zu einem Zuckerguß gekünstelter Naivität erstarren.

Einzmann erzählt nicht, sondern formt ihren Stoff, liefert keinen Weltentwurf, sondern gestaltet eine Sprachwelt. Ihr Ringen um die eigene Sprache ist bemerkenswert, aber ihr zwar berückender, aber gleichbleibender und alle Unterschiede einebnender Ton ist auf die Dauer ermüdend. Möglicherweise mag er zu dem einen oder anderen der Porträtierten auch gar nicht passen.

Damit diese Prosa sich nicht an ihrem wohlkalkulierten Verfahren berauscht oder sogar zu Kunsthandwerk wird, braucht es mehr Willen nicht nur zum Gestalten, sondern zum Erzählen und Deuten, worauf keine Literatur, ohne Schaden zu nehmen, verzichten kann. Und vielleicht sogar mehr Übermut, mehr Forschheit und weniger Bescheidenheit: Denn die kleine Form weckt letztlich vor allem Sehnsucht nach Größerem.

ANDREA NEUHAUS

Nadja Einzmann: "Dies und das und das". Porträts. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006. 176 S., geb.,14,- [Euro] .

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.08.2006

Ein Rücken am Tisch, und dann ist alles anders
Eine Schule des Lesens zwischen den Zeilen: Nadja Einzmann porträtiert einundreißig mal „dies und das und das”
Auf wie wenig lässt sich die Erzählung eines Lebens reduzieren, ohne an Aussagekraft zu verlieren? Auf zwei Seiten, oder reicht sogar eine Überschrift? Nadja Einzmann hat 31 Menschen porträtiert und kaum eine ihrer Geschichten ist länger als ein paar Seiten. Trotzdem werden darin die zurückliegenden Jahre nicht nur berichtet, niemand hetzt durch die Vergangenheit - eher staunt man darüber, dass sich die Jahrzehnte so knapp und konzise darstellen lassen.
Nadja Einzmann hat weder Heldengeschichten noch Tragödien gesammelt, sondern eher gewöhnlichen Menschen ihr Ohr geliehen: Wie Birgit, die in ihrem Heimatdorf schon allein deswegen als sonderbares Wesen galt, weil sie Foucault und Nietzsche las, oder wie Thomas, der sich zum Pfarrer berufen fühlte und die Welt als Musik wahrnimmt: „Er hört immer auch, was er erlebt, auch Charaktere. Er hört am Abend im Bett einem Gespräch nach als Tonfolge, lauter und leiser, zärtlich, kokett, eine Fuge, ein Präludium. So stützt er nicht selten seine Erinnerung. Wie andere Farben sehen, Bilder, die einer Situation entsprechen, hört er Klangfolgen.” Jeder Mensch, der in diesem Buch vorgestellt wird, hat sich einen Zufluchtsort eingerichtet: Bei Sara ist es das Tanzen, bei Bernd die Werkstatt im Keller und bei Ansgar sein Archiv - unterschiedliche Möglichkeiten für ein und denselben Wunsch: sich von der Welt zurückzuziehen.
Die Sprache der 1974 geborenen Autorin färbt sich ein durch den jeweils porträtierten Charakter, der Erzählfluss wechselt seine Farbe wie ein Chamäleon - so beim Revisor Stefan, der erfolglos versucht, den Beruf von der Familie fernzuhalten und doch ununterbrochen seine Lieben auf ihre Effizienz hin prüft: „Bei ihm kommt dann natürlich kein unnötiger Fisch ins Becken, er informiert sich dann, liest sich ein, das hat der Sohn wahrscheinlich befürchtet, das schönere, funktionstüchtigere Becken wird immer dem Vater gelingen. Nur ist es dann nicht mehr seins.” Ein, zwei Wörter, einen etwas längeren Satz braucht Nadja Einzmann, um ein, um eine solche Eigenart zu erfassen, aber dann ist es, als hätte der Tischnachbar gewechselt.
Die Porträts werden im Laufe des Bandes immer düsterer, erzeugen Beklommenheit, verdichten sich in ihrer Knappheit zu einer einzigen, 31 mal variierten Geschichte über das Leben, welches sich als Einzigartiges und zugleich auf erschreckende Weise Allgemeines, Beliebiges, Austauschbares darstellt . Manchmal enttäuscht die scheinbare Determiniertheit der Existenzen, aber nur so lange, bis die Geschichte einen Haken schlägt und unser Staunen darüber uns selbst peinlich wird. Dann wird man vorsichtiger und beginnt, die Geschichten zwischen ihren Zeilen lesen zu wollen. Das ist eine angenehme und belehrende Erfahrung.
LAURA WEISSMÜLLER
NADJA EINZMANN: Dies und das und das. Collection S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006. 170 S., 14 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Laura Weissmüller hat eine angenehme Erfahrung gemacht. Nadja Einzmanns Buch mit seinen 31 Menschenporträts auf engstem Raum lässt sie in mehrfacher Hinsicht staunen. Einmal ist es die Knappheit, mit der sich offenbar ein, wenn auch ganz gewöhnliches, Leben hinreichend darstellen lässt. Zum anderen ist es die Verwendung der Sprache in diesem Buch eben zu diesem Zweck. Sie "färbt sich ein" je nach dem Charakter, den die Autorin beschreibt, und wechselt mit ihm nach ein paar Seiten, wie ein "Tischnachbar". Und dann ist die Rezensentin schon wieder überrascht: Wie die schon angenommene traurige Absehbarkeit und Verwechselbarkeit der Lebensgeschichten auf einmal doch einem jeweils eigenen Ton weichen. Da beginnt Weissmüller auch zwischen den Zeilen zu lesen. Mit Gewinn.

© Perlentaucher Medien GmbH