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Eine Skizze zur Semantik von Einsamkeit leitet das vorliegende Buch ein. In heuristischer Absicht werden die ontologische, die soziale und die psychologische Dimension der Einsamkeitserfahrung voneinander abgehoben.

Produktbeschreibung
Eine Skizze zur Semantik von Einsamkeit leitet das vorliegende Buch ein. In heuristischer Absicht werden die ontologische, die soziale und die psychologische Dimension der Einsamkeitserfahrung voneinander abgehoben.
Autorenporträt
Eckart Goebel (Dr. phil.) ist Professor am Department of German der New York University. Seine Forschungsschwerpunkte sind deutsche und europäische Literatur vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, Literatur und Psychoanalyse sowie Begriffsgeschichte.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.05.2002

Wir müssen uns ihn als einsamen Menschen denken
Bildnis des Philosophen in permanenter Beziehungskrise: Eckart Goebel durchschaut den jungen Jean-Paul Sartre
Noch immer wird das literarische Werk Jean-Paul Sartres meist als bloßes Beiwerk zu seiner Philosophie betrachtet. Dass die existentialistische Theorie in der ästhetischen Imagination eine große Rolle spielt, daran besteht kein Zweifel – aber wohl niemand, der Sartres frühen Roman „Der Ekel” von 1938 gelesen hat, wird sich den eindrucksvollen Szenen und schonungslos konkreten Beschreibungen innerer Vorgänge entziehen können. Unvergessen bleibt, wenn fern aller Abstraktion der hoffnungslos lustlose Zustand eines seit Jahren verlassenen Liebhabers beschworen wird, das Gefühl völliger Selbstentfremdung: wie der Protagonist die eigene Hand auf dem Tisch liegen sieht, wie er ihr Leben, ihr nacktes Sein, nicht unterbinden kann und endlich am unaufhaltsam fortlaufenden Denken in ihm verzweifelt.
Sartres Erzählwerk als eigenständig zu behandeln, ist eine – sicherlich verdienstvolle – Absicht von Eckart Goebels Studie „Der engagierte Solitär”. Indem der Interpretation des Romans „Der Ekel” allerdings ein Abriss von Sartres philosophischem Hauptwerk „L’être et le néant” vorangeht sowie lange Bemerkungen zu Sartres Biographie „Saint Genet, comédien et martyre” nachfolgen, durchkreuzt Goebel die eigene Absicht.
Denn wieder erscheint auf diese Weise der frühe Roman als Illustration der Theorie. Obendrein scheint Goebels Vertrauen in die Aussagekraft literarischer Texte derart erschüttert zu sein, dass er sich in ausführlichen Betrachtungen zu den „Liebeskonzeptionen” von Martin Buber, Karl Löwith oder Ludwig Binswanger ergeht, an die sich wie von allein Exkurse zu Dilthey, Heidegger und Foucault anschließen. Die Beschreibung dieser Konzepte scheint übrigens keinen anderen Grund zu haben als den, Sartres zutiefst negativer Ansicht von der Liebe und unüberwindbaren Einsamkeit freundlichere Versionen entgegenzustellen. Offenbar ist Sartres Negativität heutigen Lesern nicht mehr zumutbar.
Imaginäres zur absoluten Freiheit
Durchaus subtil arbeitet Goebel in „Der Ekel” die vielen, in der Forschung bisher vernachlässigten Selbstwidersprüche heraus, in denen sich der Protagonist bei der inneren Aufarbeitung seiner Liebesgeschichte verstrickt. Bedenkenswert ist zudem Goebels Vorschlag, das Romanende nicht mehr im Sinne André Gides oder Marcel Prousts als Überwindung der Identitäts- und Sinnkrise durch die literarische Beschreibung zu verstehen. „Der Ekel” münde keineswegs in den Entschluss, das Erlebte zum Kunstwerk zu erheben, sondern entlarve die Flucht in die Kunst als letzten grotesken Selbstbetrug des Protagonisten, auf den kein Heil, sondern allein Tod oder Verschwinden folgen könne. Nach Goebel erteilt Sartre somit 1938 der Freiheit des ästhetischen Bewusstseins eine klare Absage. Dadurch freilich legt sich „Der Ekel” erneut als bloße Demonstration philosophischer Theoreme ohne ästhetischen Eigenwert nahe.
Bezeichnenderweise schließen sich daran auch keine Überlegungen zur Besonderheit des Ästhetischen an, sondern eine Lektüre der Biographie über Jean Genet, in der es ebenfalls einzig um Sartres philosophischen Standort geht. Denn Goebel beschränkt sich darauf, die Ursachen und Formen des Umgangs mit der Einsamkeit anhand einer Fülle von Zitaten aufzulisten. Noch dazu führt er langatmig und sich häufig wiederholend nur das an, was sich eh jedem zeigt, der die Qual einer Lektüre auf sich nimmt: Dass Genet von der Gesellschaft als Dieb gebrandmarkt wurde und sich auf einmal entschließt, sich mit dem Bösen zu identifizieren, dass er dadurch paradoxerweise ein Stückchen Freiheit gewinnt und dass er schließlich die in der Homosexualität und Onanie immer wieder traumatisch erlittene Einsamkeit in der literarischen Verarbeitung überwindet, dank des Imaginären zu absoluter Freiheit gelangt und dafür von der Gesellschaft auch noch anerkannt wird.
Lapidar fügt Goebel im Nachwort hinzu, dass Sartre diesen Weg Genets in die Kunst nicht eingeschlagen habe. Als für ihn in den fünfziger Jahren feststand, dass Einsamkeit nicht im Einzelnen, sondern nur im Verein zu überwinden sei, habe er sich vielmehr für das politische Engagement, für die Revolution entschieden. So erfährt der Leser denn am Ende dieser weit ausholenden, langwierigen Studie das, was er längst wusste, nämlich dass Sartre ein engagierter Intellektueller war. Nur hat es nun ganz den Anschein, als habe ihn einzig seine Unfähigkeit zu Liebe und Partnerschaft dazu getrieben, die ja auch seine Lebensgefährtin Simone de Beauvoir bezeugt. Ist das ein Erkenntnisgewinn?
FRANZISKA MEIER
ECKART GOEBEL: Der engagierte Solitär. Die Gewinnung des Begriffs Einsamkeit aus der Phänomenologie der Liebe im Frühwerk Jean-Paul Sartres. Akademie Verlag, Berlin 2001. 294 Seiten, 39,80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Einen Erkenntnisgewinn kann Franziska Meier der "weit ausholenden, langwierigen Studie" Eckart Goebels über das Frühwerk Jean-Paul Sartres auch bei noch so wohlwollenden Versuchen leider nicht abtrotzen. Die Rezensentin bedauert, dass der Autor seiner "sicherlich verdienstvollen Absicht" nicht gerecht wird, Sartres literarische Arbeit (hier vor allem den "Ekel") von seiner philosophischen abzukoppeln, ihr sozusagen "ästhetischen Eigenwert" zuzuschreiben. Auch Goebels "durchaus subtil" herausgearbeitete und "bedenkenswerte" These, "Der Ekel" erteile "der Freiheit des ästhetischen Bewusstseins eine klare Absage", demonstriere letztlich doch wieder nur philosophische Theoreme. Fast böse wird die Rezensentin dann, als Goebel am Ende seines Buches mit Bezugnahme auf Sartres Biografie erklärt, Sartre habe nicht wie Genet die Einsamkeit in der Literatur zu überwinden versucht, sondern in der Unterstützung politischer und gesellschaftlicher Gruppen. "So erfährt der Leser denn", schreibt Meier, "das, was er längst wusste, nämlich dass Sartre ein engagierter Intellektueller war".

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