Nicht lieferbar
Zwei Schwestern  (Restauflage) - Seierstad, Åsne
Schade – dieser Artikel ist leider ausverkauft. Sobald wir wissen, ob und wann der Artikel wieder verfügbar ist, informieren wir Sie an dieser Stelle.

neue Bücher, die nur noch in kleinen Stückzahlen vorhanden und von der Preisbindung befreit sind. Schnell sein! Lieferung nur solange der Vorrat reicht!
  • Gebundenes Buch

An einem Nachmittag im Oktober 2013 kommen die zwei Teenagerschwestern Ayan und Leila nach der Schule nicht wie gewohnt nach Hause. Stattdessen schicken sie eine E-Mail – mit einer Nachricht, die ihren Eltern und Geschwistern schier die Luft zum Atmen nimmt: Die beiden Schwestern befinden sich auf der Reise nach Syrien, um sich dort dem Islamischen Staat anzuschließen. Sofort begibt sich ihr Vater auf die Suche nach ihnen mitten hinein ins Kriegsgebiet. Auf seiner verzweifelten und lebensgefährlichen Odyssee kooperiert er mit Schmugglern, Geheimdiensten und Terrormilizen. Wieso haben seine…mehr

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
An einem Nachmittag im Oktober 2013 kommen die zwei Teenagerschwestern Ayan und Leila nach der Schule nicht wie gewohnt nach Hause. Stattdessen schicken sie eine E-Mail – mit einer Nachricht, die ihren Eltern und Geschwistern schier die Luft zum Atmen nimmt: Die beiden Schwestern befinden sich auf der Reise nach Syrien, um sich dort dem Islamischen Staat anzuschließen.
Sofort begibt sich ihr Vater auf die Suche nach ihnen mitten hinein ins Kriegsgebiet. Auf seiner verzweifelten und lebensgefährlichen Odyssee kooperiert er mit Schmugglern, Geheimdiensten und Terrormilizen. Wieso haben seine Töchter freiwillig ihr sicheres Leben aufgegeben? Wieso wurden im Vorfeld die Zeichen nicht richtig gedeutet? Und wie schafft er es, sie wieder zurückzuholen, notfalls auch gegen ihren Willen?
Åsne Seierstad beleuchtet das Thema in seiner gesamten Komplexität. Sie deckt nicht nur die Hintergründe der Radikalisierung sowie die Auswirkungen auf die Hinterbliebenen auf, sondern gewährt auch dramatische Einsichten in das Leben und Überleben im Terrorstaat.
Autorenporträt
Åsne Seierstad, geboren 1970 in Oslo, arbeitete als Korrespondentin und Kriegsberichterstatterin für verschiedene internationale Zeitungen und ist Autorin mehrerer Sachbücher. Sowohl als Journalistin als auch für ihre weltweiten Bestseller »Der Buchhändler aus Kabul« (2002) und »Einer von uns« (2016) wurde sie vielfach ausgezeichnet. Sie lebt in Oslo.
Rezensionen
Emanzipiert, verblendet

Warum schließen sich norwegische Mädchen dem IS an? Åsne Seierstads „Zwei Schwestern“

„Frauenkampf“ heißt der Schulaufsatz der fünfzehnjährigen Ayan Juma und aus jedem Wort liest man Empörung: „Wir müssen erbärmliche kleine Männerratten zur Welt bringen, die unsere Liebe und Fürsorge bekommen, bis eines Tages Männer aus ihnen werden, die auch wieder nur ihre Frauen unterdrücken.“ Vier Jahre später, im Oktober 2013, wird dieselbe Ayan Juma Norwegen in Richtung Syrien verlassen, um sich zusammen mit ihrer sechzehnjährigen Schwester Leila dem sogenannten Islamischen Staat anzuschließen. Sie wird einen norwegischen IS-Kämpfer heiraten, eine Tochter zur Welt bringen und sich fortan darum kümmern, den Nachwuchs für das „Kalifat“ aufzuziehen.

Wie konnte es dazu kommen? Wie konnte ein feministisch bewegtes Mädchen sich mit einer frauenverachtenden Terrororganisation identifizieren? Genau das versucht die norwegische Journalistin Åsne Seierstad in ihrem Buch „Zwei Schwestern. Im Bann des Dschihad“ zu ergründen. Sie erzählt darin von der Radikalisierung der Geschwister, die als Kinder mit ihrer Familie vor dem somalischen Bürgerkrieg in die norwegische Kleinstadt Bærum flohen. Sie erzählt aber auch von deren Eltern, Sara und Sadiq Juma, die sich verzweifelt fragen, an welchem Punkt ihnen ihre Töchter abhanden gekommen sind.

Nun ist diese Frage nicht neu, seit Jahren versucht die Öffentlichkeit zu verstehen, warum Jugendliche ihr sicheres, liberales Zuhause hinter sich lassen, um auf der Seite von Verbrechern in einem brutalen Krieg zu kämpfen. Das Erstaunliche an Seierstads Buch ist also nicht die Frage, die es stellt, sondern die Art, wie es sich einer Antwort annähert. Über weite Strecken liest sich „Zwei Schwestern“ nicht wie ein Sachbuch, sondern wie ein Roman. Das liegt zum einen an der Dringlichkeit der Geschichte, die noch immer auf ihr Ende wartet. Ayan und Leila halten sich nach wie vor in Syrien auf. Ob sie und ihre Kinder den Krieg überleben werden, ist ungewiss.

Der eigentliche Grund aber, warum das fünfhundertseitige Buch zusammenzuschnurren scheint wie ein klug angelegter Thriller, ist Seierstads Erzählweise. Die Autorin bedient sich in „Zwei Schwestern“ der Methoden des „literarischen Journalismus“. Sie berichtet nicht nur, was vorgefallen ist, sie rekonstruiert das Vorgefallene. Sie schildert Szenen aus der Sicht ihrer Protagonisten, beschreibt Gedanken, Gefühle, kleinste Details einer Umgebung. Auch über Anders Breivik, den rechtsradikalen Attentäter der in Olso und auf der Insel Utøya 77 Menschen ermordete, hat sie mit dieser Methode ein Buch geschrieben.

Ayans Motivation, zusammen mit ihren Freundinnen der salafistischen Jugendorganisation „Islam Net“ beizutreten, erklärt die Autorin folgendermaßen: „Die Leute waren cool, es fühlte sich richtig an, und außerdem waren krass viele süße Jungs dabei.“ Den Schmerz, den die Mutter spürt, nachdem ihre Töchter nach Syrien aufgebrochen sind, fasst sie so zusammen: „Sara fühlte sich, als hätte man ihr ein Stück ihres Körpers entrissen.“ Als der Vater Sadiq die türkisch-syrische Grenze überquert, um seine Töchter zu suchen, beschreibt Seierstad nicht nur die Disteln am Straßenrand, sondern auch den „rosafarbenen Lichtstreif“, der die abendliche Landschaft erhellt.

Ist es legitim, eine reale Geschichte derart süffig zu erzählen? Seierstad wurde für ihre Herangehensweise in der Vergangenheit durchaus schon kritisiert. Die Protagonisten ihres Buchs über einen afghanischen Buchhändler aus dem Jahr 2002 verklagten die Journalistin. Sie sahen ihre Privatsphäre verletzt und beschuldigten die Autorin, die Unwahrheit geschrieben zu haben. Ein norwegisches Gericht wies diese Vorwürfe schließlich zurück und bestätigte, dass Seierstad in „Der Buchhändler von Kabul“ sorgfältig recherchiert habe. Auch „Zwei Schwestern“ beruht auf ausführlichen Recherchen, die Seierstad in einem Anhang erläutert. Die Autorin sprach nicht nur mit der Familie von Ayan und Leila, sondern auch mit ihren Freundinnen, Lehrern und Klassenkameraden. All diese Perspektiven versammelt Seierstad im Buch, dazwischen montiert sie Auszüge aus E-Mails, Chatprotokollen und zurückgelassenen Notizen der jungen Frauen.

Diese Detailversessenheit, gepaart mit Seierstads Gefühl für Plotstrukturen und Timing, sorgt dafür, dass man „Zwei Schwestern“ verschlingt, wie man sonst Serien guckt. In diesem Sogeffekt liegt der große Vorteil von Seierstads literarischer Herangehensweise. Denn je länger man liest, desto mehr taucht man ab in den Alltag der jungen Frauen und ihrer Familie, sieht sie nicht mehr als Repräsentantinnen eines Phänomens, sondern als Individuen.

Diese Individuen, das arbeitet Seierstad sehr klar heraus, sind keine integrationsbedürftigen Opfer. Ayan und Leila wachsen in einer Familie auf, die ihre somalischen Wurzeln pflegt und gleichzeitig Norwegen als ihr zu Hause ansieht. Mit fünfzehn kleidet sich Ayan wie jedes andere Mädchen in ihrer Klasse, ist eine begabte, idealistische Schülerin, will Diplomatin werden. Dann stellt die somalische Gemeinde einen neuen Islamlehrer an, der die Jugendlichen – ohne dass ihre Familien es wahrhaben wollen – mit fundamentalistischem Denken in Kontakt bringt. Ayan engagiert sich in der norwegischen Salafistenszene, sie beginnt gegen den Willen ihrer Eltern einen Gesichtsschleier zu tragen und weigert sich, am Sportunterricht teilzunehmen.

Doch auch wenn Ayan, Leila und ihre Freundinnen sich immer mehr mit islamistischen Ideen identifizieren, bleiben sie selbstbestimmt. Als Ayans Direktorin ihr verbieten will, mit dem Gesichtsschleier zum Unterricht zu kommen, startet sie eine Unterschriftenkampagne an ihrer Schule. Aisha, eine Freundin von Ayan aus der Salafistenszene, verteidigt ihre Verschleierung auf Podiumsdiskussionen im ganzen Land. Irgendwann macht Aisha, entgegen der Tradition, einem hochrangigen Mitglied der norwegischen IS-Szene einen Heiratsantrag. „Beinahe ein feministischer Akt“, schreibt Seierstad dazu.

Aber es geschieht eben auch das Gegenteil: Aisha, die ebenfalls nach Syrien geht, muss miterleben, wie ihr zweijähriger Sohn von ihrem neuen Ehemann totgeschlagen wird. Ayan und Leila verlassen, so die Recherchen Seierstads, in ihrem neuen Leben beim IS kaum das Haus, ihre Aufgaben bestehen aus Kochen und Kinderbetreuung. Gleichzeitig geben sich die Mädchen, die übers Internet mit ihrer Familie in Kontakt bleiben, immer verblendeter, immer unmenschlicher. Die Gräueltaten des IS an jesidischen Frauen kommentiert Ayan mit den Worten: „Die Krieger brauchen Befriedigung. Das sind schließlich Männer“. Als ihre Schwester Leila erfährt, dass ihr Vater beim Versuch, sie nach Hause zu holen, beinah vom IS getötet worden wäre, antwortet sie: „Tja, wenn er spioniert, muss er eben bestraft werden.“

Solche Sätze lassen einen erschauern, gerade weil Seierstad sie nicht bewertet. Weder sympathisiert die Journalistin mit ihren Protagonistinnen, noch verteufelt sie sie. Auch mit letztgültigen Erklärungen hält sich „Zwei Schwestern“ zurück. In der Radikalisierungsgeschichte von Ayan und Leila, so wie Seierstad sie erzählt, vermischt sich jugendliche Sinnsuche mit antikapitalistischen Impulsen, das Gefühl, von der norwegischen Mehrheitsgesellschaft ausgegrenzt zu werden, mit tief empfundener Religiosität.

Seierstads Kunststück ist es, diesen Radikalisierungsprozess - der von außen so unglaublich erscheint - wenn nicht verständlich, so doch nachvollziehbar zu machen.

LUISE CHECCHIN

Das Besondere ist nicht
die Frage, die das Buch stellt,
sondern seine Machart

Manche Sätze dieser
jungen Mädchen
lassen einen erschauern

Åsne Seierstad: Zwei Schwestern. Aus d. Norwegischen v. Nora Pröfrock. Kein & Aber, Zürich/Berlin 2017. 528 Seiten, 26 Euro. E-Book 20,99 Euro.

DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de

…mehr