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Dass Sam Pulsifer als Kind ausgerechnet das Haus der Schriftstellerin Emily Dickinson angezündet hat, haben ihm die Leute nie verziehen. Früh zu trauriger Berühmtheit gelangt, will Sam sich als junger Erwachsener ein komplett neues Leben aufbauen. Doch als er sein Ziel längst erreicht zu haben glaubt und mit Frau und Kindern in ein neues Haus zieht, holt ihn seine Vergangenheit auf unheimliche Weise ein. Nach und nach werden in der Umgebung Schriftstellerhäuser angezündet, und der Verdacht beginnt sich unvermeidlich auf ihn zu richten. Sam hat nur noch eine Chance: Er muss den wahren…mehr

Produktbeschreibung
Dass Sam Pulsifer als Kind ausgerechnet das Haus der Schriftstellerin Emily Dickinson angezündet hat, haben ihm die Leute nie verziehen. Früh zu trauriger Berühmtheit gelangt, will Sam sich als junger Erwachsener ein komplett neues Leben aufbauen. Doch als er sein Ziel längst erreicht zu haben glaubt und mit Frau und Kindern in ein neues Haus zieht, holt ihn seine Vergangenheit auf unheimliche Weise ein. Nach und nach werden in der Umgebung Schriftstellerhäuser angezündet, und der Verdacht beginnt sich unvermeidlich auf ihn zu richten. Sam hat nur noch eine Chance: Er muss den wahren Brandstifter finden. Doch auf seiner Suche gerät er in einen Strudel von verwirrenden Ereignissen, und es zeigt sich, dass nichts ist, wie es scheint.
Autorenporträt
Harry Rowohlt, geboren 1945 in Hamburg, lebte als Autor, Übersetzer und begnadeter Vortragskünstler in Hamburg Eppendorf. Er brillierte unregelmäßig als Penner Harry in der Fernsehserie 'Lindenstraße'. 1999 erhielt er den "Johann-Heinrich-Voß-Preis" der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Im Januar 2001 erhielt er den Satirepreis "Göttinger Elch". Harry Rowohlt verstarb im Juni 2015.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hitzewallungen verspürt der Rezensent bei dieser Lektüre keine. Brock Clarkes Familien- und Kriminalroman über einen an seinem bildungsbürgerlichen Erbe leidenden, zündelnden Verpackungswissenschaftler vermag Martin Halter zwar mit postmordernen Mätzchen zu amüsieren. Auch lernt er über Macht und Ohnmacht der Literatur und lässt sich vom Autor mit Schnurren über exzentrische Literaturwissenschaftler und missglückte Lesungen unterhalten. Insgesamt erscheint Halter die Konstruktion des Romans jedoch zu verworren, die Charaktere zu flach und Clarkes von Harry Rowohlt "gewohnt geschmeidig" übersetzte Witzel- und Metaphernaffinität allzu ausgeprägt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.01.2009

Auch Mörder brechen sich gelegentlich den Hals
Wie man über seine eigene Leichtfüßigkeit stolpert: Brock Clarkes turbulenter Roman „Leitfaden zum Abfackeln von Schriftstellerresidenzen”
Als Sohn eines sanftmütigen, alkoholkranken Verlagslektors und einer resoluten, alkoholkranken Englischlehrerin ist man ungünstigen Bedingungen ausgesetzt, wenn es darum geht, ein entspanntes Verhältnis zur Literatur zu entwickeln. Man muss aber deshalb nicht gleich in böser Absicht gehandelt haben, wenn man in seiner Jugend das ehemalige Wohnhaus von Emily Dickinson in Schutt und Asche legte und hierbei den Tod eines Ehepaares verschuldete. Jedenfalls beteuert das der Ich-Erzähler in Brock Clarkes „Leitfaden zum Abfackeln von Schriftstellerresidenzen” unbedingt glaubwürdig und im bestechenden Tonfall eines tragikomischen Antihelden, der von der ersten Seite an erfolgreich um die Gunst des Lesers buhlt.
Sam Pulsifer scheint von jener grundsätzlichen Harmlosigkeit zu sein, die Unheil regelrecht heraufbeschwört – vorzugsweise in seiner grotesken Gestalt: Daher genügte es nicht, dass bei dem Brand des kulturellen Heiligtums einer amerikanischen Kleinstadt zwei Menschen ums Leben kamen, sondern die ortsansässige Fremdenführerin und deren Mann mussten unter Umständen sterben, die der Nachwelt ihr pietätvolles Andenken erheblich erschweren sollten. Sie wurden von den Flammen überrascht, als sie „zufällig gerade einen gemeinsamen privaten Moment auf Emily Dickinsons Bett genossen”, so die Formulierung des Schuldbewussten.
Der Bericht über die Folgen dieses unseligen Missgeschicks schwankt zwischen heroischer Entschlossenheit zur schonungslosen Selbstanklage, Andeutung eines verborgenen Motivs und heftigen Unschuldsbeteuerungen. Als hätte der Autor seinem Protagonisten mit dem Stigma des Brandstifters und Mörders nicht schon genug aufgehalst, muss Sam auch noch in der Rolle des Kindes seiner bibliophilen Eltern die Selbst- und Weltanalyse mit Fragen nach dem Sinn, der Macht und der Realitätstauglichkeit von Literatur verzahnen.
Komisch ist dies vor allem dann, wenn der von klein auf in didaktisch-moralischer Absicht mit Büchern gemästete Erzähler sein Dasein auf erzählerisch verwertbare Sinnzusammenhänge und Erbauliches hin abzuklopfen sucht. Unverzagt deutet er seine zehnjährige Haftstrafe als begrüßenswerte Erfahrung; heiter bekundet er, von jedem seiner Mithäftlinge „etwas gelernt” zu haben, besonders „von dem freundlichen, aber unehrlichen Buchhalter, . . . der gerade zu seiner wahren sexuellen Identität fand und mir mit brüchiger, schmerzhafter Stimme mitteilte, dass er mich wolle, bis ich ihm sagte, ich sei noch jungfräulich, was stimmte und ihn aus irgendeinem Grund davon abbrachte, mich weiterhin zu wollen”.
Ein sehr redseliger Engel
Es ist wenig überraschend, dass sich das Schicksal völlig unbeeindruckt zeigt vom Unterhaltungswert des Protagonisten. Und damit es richtig unangenehm und turbulent werden kann, genießt Sam einige Jahre unaufgeregten Glücks mit Frau und Kindern im aseptischen Muff einer Vorstadtsiedlung, bevor die Vergangenheit ihn einholt. Dies geschieht in Gestalt des Sohnes des spektakulär verunglückten Ehepaares und einer Menge Briefe, deren Verfasser in Sam den apokalyptischen Engel der Literatur Neu-Englands wähnen und ihn auffordern, sein reinigendes Feuer erneut zu entfachen. Als plötzlich ein Schriftstellerdomizil nach dem anderen in Flammen aufgeht, sieht sich Sam – er ist natürlich der Hauptverdächtige – gezwungen, zum selbsternannten Kriminalisten zu werden. Die Ereignisse überschlagen sich, verhalten streift die Erzählung den Bereich des Absurden und vor lauter potentiell verdächtigen Brandstiftern, seltsam kostümierten Schwiegereltern und „Festverzinslichen-Wertpapier-Analysten” gerät sie ins Schleudern.
Die halsbrecherische Dramaturgie hat ihr Pendant auf metafiktionaler Ebene. In beschwingter Unverbindlichkeit kreist hier die Literatur um sich selbst, Gattungen wie Memoiren, Aphorismus und Detektivgeschichte werden parodiert und bisweilen etwas sehr explizit auf ihre Funktion hin in den ironischen Blick genommen. Auch stört die Diskrepanz zwischen der liebenswürdig-vertrottelten Zuversicht, die anfangs den Ton bestimmte, und dem Reflexionsvermögen, das der Erzähler bei Bedarf hervorzaubert, wenn ihn der Autor unter fast schon biederer Verwendung postmoderner Mittel die allmähliche Entzauberung seiner Welt nachzeichnen lässt.
Brock Clarke, der an der Universität von Cincinnati Kreatives Schreiben unterrichtet, spielt das alte Spiel der Grenzverschiebung von knalligem Humor und gedanklichem Tiefgang. Mit einer Menge Sprachwitz – markant transportiert in der Übersetzung Harry Rowohlts – und originellen Einfällen arbeitet er sich an Ungetümen wie der Selbstreferenzialität von Literatur und Sinnfragen existentieller Art ab. Aber dabei treten die Grenzen des Romans deutlich hervor:er droht über die eigene Leichtfüßigkeit zu stolpern. Denn auch eine so deftige Figur wie die der Literaturwissenschaftlerin, die aus Angst, ihre Individualität an Mark Twain zu verlieren, ganz furchtbar obszön werden kann, entschädigt nur bedingt für die müde Klage des Brandstifters, der keiner war. MARIANNA LIEDER
BROCK CLARKE: Leitfaden zum Abfackeln von Schriftstellerresidenzen. Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Harry Rowohlt. Kein & Aber Verlag, Zürich 2008. 411 Seiten, 22,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2008

Der Nero von Neuengland

Brock Clarkes "Leitfaden zum Abfackeln von Schriftstellerresidenzen" ist Familienroman und Krimi in einem. Vor allem aber ist er eine Reflexion über Macht und Ohnmacht der Literatur.

Bei der Wahl zum "Kuriosesten Buchtitel des Jahres 2008" auf der Buchmesse hatte der "Leitfaden zum Abfackeln von Schriftstellerresidenzen" keine Chance gegen den Sieger "Begegnungen mit dem Serienmörder. Jetzt sprechen die Opfer". Dabei lässt Brock Clarke in seinem vierten Roman einen "Wurstler" sprechen, der Doppelmörder und Opfer zugleich ist. Wer Dichterhäuser - Harry Rowohlts pompöserer Begriff Schriftstellerresidenzen wird Bruchbuden wie Thoreaus Blockhütte am Waldensee nicht ganz gerecht - abfackelt, hadert offenbar mit der Literatur. Sam Pulsifer, Versager, Verdrängungskünstler und bekennender Nichtleser, hat jedenfalls gute Gründe, sich als Opfer bildungsbürgerlicher Lebenslügen zu fühlen. Der Vater war Verleger, der Frau und Kind für seine Geliebte verließ; die Mutter, eine trunksüchtige Englischlehrerin, jagte ihrem Sohn mit strikten Leseplänen und Schauermärchen von verschwundenen Kindern im Emily-Dickinson-Haus Angst ein. Vermutlich hat Sam die Residenz der Dichterin also nicht nur "aus Versehen", mit einer fahrlässig weggeworfenen Zigarette, in Brand gesetzt. Nach zehn Jahren wird er aus dem Gefängnis, nicht aber aus der Verantwortung für sein Verbrechen an der schönen Literatur entlassen. Das Haus in Camelot, das Familienleben mit einer unverdient schönen Frau und zwei wohlgeratenen Kindern, die Stelle als Verpackungswissenschaftler: Alles geht in die Brüche, als Thomas Colemann, der Sohn der beim Brand im Dickinson-Haus ums Leben gekommenen Fremdenführer, auf Rache brennt. Colemann treibt, anfangs mit Lügen, dann mit der Wahrheit, einen Keil in die Familie und, als er auch noch den Platz als Vater, Ehemann und Sohn einnimmt, einen Dolch in Sams Herz.

Der Nero der neuenglischen Dichterhäuser steht nicht allein. Als er das Emily-Dickinson-Haus in Amherst abfackelte, bekam er hundertsiebenunddreißig Briefe mit der Bitte, noch anderen Schreiberlingen mit seiner Fackel heimzuleuchten. Als dann tatsächlich ein Literaturdenkmal nach dem anderen in Flammen aufgeht, wird der Boden unter Sams Füßen immer heißer. Die Polizei verdächtigt ihn als Wiederholungstäter; dabei gibt es doch viele rote Hähne, die noch ein Hühnchen mit Autoren und ihren Häusern zu rupfen haben: Harvey Frazier etwa wollte das Haus von Edward Bellamy brennen sehen, nachdem man ihn dort als Führer entließ; ein anderer wollte das Emerson-Haus vom Erdboden tilgen, weil er auf den Namen Waldo getauft wurde. Eine feministische Literaturprofessorin wünscht sich Mark Twains Haus als Brandopfer auf dem Altar ihrer Liebe und ihres Hasses: Sie verabscheut im Grunde die Literatur und will jedenfalls nie wie Tante Polly werden. Selbst wenn das nur private Ressentiments oder Stellvertreterkriege sind, zeigen sie doch: Schreiben und Lesen hat manchmal Folgen in der Welt da draußen. Die "Festverzinsliche-Wertpapier-Analysten", eine Bande Panzerknacker, die Sam im Gefängnis die Kunst des autobiographischen Schreibens lehrten, Vaters Geliebte, die eigene Mutter: Alle zündeln. Am Ende sühnt er seine erste und einzige Brandstiftung, indem er die Schuld für alle auf sich nimmt. Im Gefängnis schreibt Sam seinen "Leitfaden zum Abfackeln von Schriftstellerresidenzen". Nicht jedoch aus herostratischer Ruhmsucht; er will nur wie jeder Mensch geliebt werden.

Indem er so Abbitte für seine Lügen und sein Schweigen leistet, wird der weinerliche Wurstler doch noch zum Erzähler. Clarkes Buch ist ein Familien- und Kriminalroman, vor allem aber eine Reflexion über Macht und Ohnmacht der Literatur: Schriftstellerische Phantasie kann Biographien zerstören und sie auf dem verbrannten Boden erzählter Realität als Autobiographie rekonstruieren. Die Theorie ist einigermaßen verworren, die Konstruktion auch, und leider sind auch die Charaktere nur fröhlich, frech und flach geraten. Clarke kann sehr unterhaltsam über exzentrische Literaturwissenschaftler und missglückte Lesungen schreiben, über die Harry-Potter-Manie im Frauenlesekreis oder den Writer-in-Residence im Robert-Frost-Haus, der sich dem Genius Loci grimmig verweigert. Aber es klingt doch oft so, als habe John Irving eine Parabel in der Manier von Borges schreiben wollen.

Harry Rowohlt hat seinen einhundertfünfundvierzigsten Roman gewohnt geschmeidig übersetzt. Aber gerade seine schnoddrigen Kostbarkeiten, Wörter wie "Zapfkräftekluft" oder "Mitnehmkaffeeausschankfiliale", lassen die Längen und Brandflecken des "Leitfadens" nur umso unschöner hervortreten: Bräsige Bonmots und Ratgeber-Mimikry wie "Liebe macht uns zu Menschen, die für andere Menschen liebenswert sind" oder "Es ist besser verwundet zu werden als zu verwunden", Witzelsucht und Wiederholungszwang, einfache oder auch doppelbödige Klischees: "Er war diese Art Südstaatenfigur, die glaubte, wenn man eine Südstaatenfigur sei", müsse man weise, kummervolle, alte Leute daheim haben, Schwarze und Veranden mit Schaukelstühlen, "und einen Satz Weißwandreifen, gegen die Scheune gelehnt, die an einem 1957er Buick ganz prima aussehen würden, zu dem einem eine rasend komische Geschichte einfällt".

Clarke lehrt Creative Writing an der Universität von Cincinnati, und so fallen ihm ständig komische Geschichten, Metaphern ("Christian kreischte wie ein Flügelsaurier, der sich gegen das Aussterben wehrt") und Aphorismen ("Wenn Traurigkeit ein Kampfsport wäre, hätte ich den Kreisligarekord gebrochen") ein, während seine Neuengland-Soziologie der Volvokombis eher konventionell an Updike geschult ist. Sam ist ein liebenswerter, armseliger Trottel, der auf wenig überzeugende Art Naivität mit Selbstironie vereint; und wie der Verkäufer von unzerbrechlichen Mayonnaiseflaschen ist auch Clarke ein Verpackungswissenschaftler, der ganz trunken ist von seiner Tragikomödie: "Nüchtern war Gewurstel das Cousinchen des Versagens, aber betrunken konnte Gewurstel triumphal sein." Man muss das Brock-Clarke-Haus nicht gleich abfackeln; aber ein bisschen mehr Hitze und dickere Mauern hätte man ihm schon gewünscht. Clarke entzündet mit langer Lunte und metafiktionalen Brandbeschleunigern aus der Apotheke der Postmoderne ein amüsantes Feuerchen, auf dem man ein dünnes Literatur-in-der-Literatur-Süppchen kochen, an dem man sich aber weder richtig erwärmen noch gar verbrennen kann.

MARTIN HALTER

Brock Clarke: "Leitfaden zum Abfackeln von Schriftstellerresidenzen". Roman. Aus dem Englischen von Harry Rowohlt. Verlag Kein & Aber, Zürich 2008. 414 S., geb., 22,90 [Euro].

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