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Max Schmeling stirbt. Es gibt nichts mehr, woran er festhalten könnte: Sein Leben als Box-Legende, die Menschen, die ihn begleitet haben, seine Frau Anny Ondra, alles ist längst verloren. Nur eine Krankenschwester ist bei ihm in diesen letzten Tagen in seinem Haus im Wald. Jahre später steht dieses Haus immer noch leer, verwahrlost und zugewachsen. Ein Sachverständiger soll entscheiden, was damit nun geschieht, deshalb macht er sich eines Tages auf den Weg zu diesem Haus im Wald. Aber was als Besichtigung beginnt, gerät außer Kontrolle. Während er sich dort verkriecht, nimmt seine Frau zuhause…mehr

Produktbeschreibung
Max Schmeling stirbt. Es gibt nichts mehr, woran er festhalten könnte: Sein Leben als Box-Legende, die Menschen, die ihn begleitet haben, seine Frau Anny Ondra, alles ist längst verloren. Nur eine Krankenschwester ist bei ihm in diesen letzten Tagen in seinem Haus im Wald. Jahre später steht dieses Haus immer noch leer, verwahrlost und zugewachsen. Ein Sachverständiger soll entscheiden, was damit nun geschieht, deshalb macht er sich eines Tages auf den Weg zu diesem Haus im Wald. Aber was als Besichtigung beginnt, gerät außer Kontrolle. Während er sich dort verkriecht, nimmt seine Frau zuhause einen ganz anderen Kampf auf und trennt sich von einem Leben, das es schon lange nicht mehr gibt.
Jeder für sich kämpfen in diesem atemlos und mit erschreckender Komik erzählten Roman drei Menschen um ihr Leben, um das Unwiederbringliche. Es ist ein Kampf ohne Gegner, in dem es nichts zu gewinnen gibt und der doch ein Feuer entfacht.
Autorenporträt
SASKIA HENNIG VON LANGE, geboren 1976, lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Frankfurt. Sie studierte Angewandte Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte und forscht und arbeitet an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Für ihr Debüt 'Alles, was draußen ist' erhielt sie 2013 den Wortspiele Literaturpreis und den Rauriser Literaturpreis 2014.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Mit merklicher Bewegung berichtet Rezensent Björn Hayer über diesen zweiten Roman Saksia Hennig von Langes, deren Debüt "Alles, was draußen ist" aus dem Jahr 2013 er wunderbar nennt. Hier verflicht die Autorin die Geschichte Max Schmelings und seines verwahrlosten Berliner Hauses offenbar sehr gekonnt mit der Geschichte eines Paars, das nach dem Tod des Sohnes gegen seine Traurigkeit und die Verwahrlosung seiner Beziehung kämpft. Das bringe den Roman zu einer Bernhardschen Suada", in der es doppelt - bei dem Paar, aber auch bei dem Melancholiker Schmeling - um Trauerarbeit gehe. Das Boxen spielt offenbar nur im Hintergrund eine Rolle, als Symbolbild des Lebenskampfes.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.10.2014

Spur
der Gedanken
Saskia Hennig von Langes
erster Roman „Zurück zum Feuer“
In diesem Roman sind wir gleich mitten im Geschehen. Oder genauer: mitten in den Sätzen. Ein Mann verlässt in der Abenddämmerung seine Wohnung und fährt zu einem Haus, mit dem er offenbar beruflich zu tun hat. Das Haus befindet sich in einer Waldgegend, erfahren wir wie nebenbei. Schritt für Schritt dringt der Erzähler in die Welt des Hauses ein und versucht, die Dinge dort festzuhalten, ein paar Schränke, den Fußboden, eine alte Kommode. Aber irgendetwas ist anders. Alles scheint leicht verschoben. In der zunehmenden Dunkelheit werden die Einzelheiten immer unschärfer, lösen sich fast auf. Der Erzähler kommt sich vor, als gäbe es ihn gar nicht. Und er merkt, wie sich seine Wahrnehmung verändert. So ertastet er irgendwann im Dunkeln einen Pullover, streicht mit der Hand darüber und freut sich, wie es heißt, über das „dichte Gestrick“.
  Das Wort vom „dichten Gestrick“ trifft aber nicht nur die Kleidungsstücke der Figuren, sondern auch die Atmosphäre und die Form des Buches. Schon in ihrem Erstling, der Novelle „Alles, was draußen ist“, hat die 1976 geborene Saskia Hennig von Lange ein präzise gebautes Gefüge von Sätzen vorgelegt, in dem der Rhythmus der Sprache dem Rhythmus der Gedanken entspricht. Und schon dort hat sie eine Figur durch die Räume eines Gebäudes wandern lassen, die sich die Phänomene ganz genau ansieht: die sie ertastet und in ihr Denken aufnimmt, um durch diese Erkundung des Anderen zugleich einen Hauch von sich selbst zu erhaschen.
  Ihr erster Roman nun ist gleich aus mehreren Fäden gewoben. Max heißt der junge Mann, dem wir durch die Dunkelheit folgen. Er ist kein geheimer Präparator, wie die Hauptfigur aus „Alles, was draußen ist“, sondern Sachbearbeiter für Bauangelegenheiten und zuständig für das ehemalige Wohnhaus des Boxers Max Schmeling – für eben jenes Haus, in dem er nun nachts umherirrt. Mit seiner Perspektive verzwirnt wird die Perspektive seiner Frau Inge. Als sie merkt, dass Max verschwunden ist, beginnt sie – seltsam genug – nicht etwa ihn zu suchen, sondern räumt die gemeinsame Wohnung aus. Daneben gibt es eine dritte Sichtweise, zeitlich ein wenig abgerückt: den Blick des alten Max Schmeling selbst, der auf sein Leben zurückschaut. Wir hören von seinen Kämpfen, seinen Geschäften, von der Liebe zu seiner Frau und von seinen Träumen – und sehen dabei zu, wie sein Denken immer langsamer wird und die Erinnerung verblasst.
  Sachbearbeiter in einem übertragenen Sinne sind die Figuren allesamt. Denn sie richten sich ganz an den Dingen aus. Während Max durch das Haus läuft und nicht nur die Zimmer erkundet, sondern auch die Dinge entsorgt, die Max Schmeling aufbewahrt hat, reißt Inge in der Wohnung die Tapete von den Wänden. Wir folgen den Figuren wie mit einer kleinen Wahrnehmungsapparatur, die auch in ihre Gedanken dringen kann. In schnellen Wechseln umkreisen sich die Figuren und spiegeln sich gegenseitig, immer im Präsens, immer in Variationen der ersten und dritten Person. So kommen all die Dinge ins Bild, an denen die Wahrnehmung und die Erinnerung haften: die Kleidungsstücke und Betttücher, die Sessel und die Tapetenreste, die Telefonbücher, Schuhschränke und Regalbretter, die ein Leben ausmachen.
  Vielleicht sind diese vermeintlichen „Sachfragen“ aber gar nicht das Entscheidende an dem Buch. Viel wichtiger ist: Es zeigen sich feine Verbindungsfäden zwischen der Geschichte Max Schmelings und der übrigen erzählten Welt. Denn so wie Max Schmeling seine Erinnerung retten und ein Verzeichnis der Dinge anlegen will, die ihm etwas bedeuten, so vernichten der andere Max und seine Frau Inge all jene Dinge, an denen ihre gemeinsame Erinnerung hängt. Längst schon ist ihre Beziehung brüchig geworden. Im Hintergrund steht der Tod ihres Sohnes Raphael, den beide nie verarbeitet haben und der nun an die Oberfläche des Bewusstseins drängt.
  Dieses Bewusstsein aber ist zugleich ein Bewusstsein für Sprache. Hier ein „Herumschleichen“ in den eigenen Gedanken, dort die Gedanken als eine „Sprache ohne Sprechen“. Es ist eine Sprache, die sich dem Denken und Empfinden anschmiegt wie eine feine Membran – und die noch die kleinste Erregung, den kleinsten rhythmischen Wechsel auf den Leser überträgt. So entstehen drei Räume aus Sprache, in denen sich fast alles auflöst.
  Bisweilen mag man sich fragen, warum es ausgerechnet die Figur Max Schmelings sein muss, in der das Zerfallen der Erinnerung gespiegelt wird. Aber solch kleine Rückfragen schmälern keineswegs die Lust an der sprachlichen Kraft des Romans. Sein eigentliches Faszinosum ist dabei gar nicht das Inventar der Einzelheiten. Es sind vielmehr die Auslassungen, die Sprünge und Lücken im Erzählen, die auch die Lücken in der Welt sind. Sie machen etwas vom Verstreichen der Zeit spürbar, vom Schweigen und vom Vergessen. Und zugleich gibt es da immer die Hoffnung, dass irgendetwas bleibt, wie klein auch immer – es mag die Faser eines Pullovers sein oder die Spur der Gedanken im Kopf.
NICO BLEUTGE
  
Saskia Hennig von Lange: Zurück zum Feuer. Roman. Verlag Jung und Jung. Salzburg und Wien 2014. 214 Seiten, 19,90 Euro.
Wir folgen den Figuren mit einer
Wahrnehmungsapparatur, die
auch in ihre Gedanken eindringt
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